Reimraum:Klüger angeben

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Quasimodo und Textor (von links) sind wieder unterwegs als "Kinderzimmer Productions". (Foto: Max Zerrahn)

Das Ulmer Hip-Hop-Duo "Kinderzimmer Productions" stellt sein famoses Comeback-Album "Todesverachtung to Go" im Strom vor.

Von Martin Pfnür, München

Es ist so etwas wie eine ungeschriebene Regel aus der ungeschriebenen Hip-Hop-Fibel, auf einer Comeback-Platte direkt richtig dick aufzutragen. Müssen die Verhältnisse doch erst wieder zurechtgerückt werden, indem man den eigenen Status mit jenem all der anderen reimenden Würstchen da draußen vergleicht und selbstredend als himmelhoch überlegen befindet. Nun mag zwar längst nicht mehr jede(r) Rappende in diese alte Berechenbarkeitsfalle tappen. Und doch ist es eine erfrischend andere Form der Selbstvergewisserung, mit der das gut gealterte Duo Kinderzimmer Productions in sein erstes Studioalbum seit dreizehn Jahren einsteigt.

Veröffentlicht im vorpandemischen Januar 2020, beginnt "Todesverachtung to Go" mit dem satt knallenden "Bäng" - und einer pointierten Reflexion darüber, was denn eigentlich mit einem passiert, wenn man zum Mikro greift und sich dabei vom Flow und der eigenen Überzeugung tragen lässt. Geht es nach den Lyrics von Henrik von Holtum alias Textor, die zu den Beats von Sascha Klamm alias Quasimodo erklingen, so ist das nicht eben wenig. Entspinnt sich dabei doch etwa "ein selbstverstärkender freigesetzter Sinn / der sich selbst ein Lied davon singt / wie es klingt / wenn alles stimmt".

Schon immer standen sie eher fürs Gymnasium als für die Straße

Es sind auch Meta-Zeilen wie diese, aus denen der feine Sprachwitz der Kinderzimmer Productions hervorschimmert. Gegründet Mitte der Neunzigerjahre, und somit als Teil und Vorreiter einer goldenen Deutschrap-Generation (u.a. Absolute Beginner, Eins Zwo), standen sie schon immer eher fürs Gymnasium als für die Straße. Dafür aber lag ihren funky versampelten Tracks stets eine ausgeprägte Lust am Assoziationskettenknüpfen und am Abstrahieren zugrunde, von der sie auch auf ihrem Comeback-Album kein bisschen eingebüßt haben.

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Anstatt in Nostalgie zu verfallen, feuern sie darauf lieber im Vorbeigehen süffisant aufschneiderische Battlerap-Breitseiten in Richtung Kollegah & Co. ab, empfangen in der verspulten Party-Nummer "Es kommt in Wellen" Gäste wie Fettes Brot, die Rapperin Fantasma Goria und den Soulsänger Flo Mega, oder tauchen im celloverkratzten "I Don't Mind" in die Abgründe der Trash-Kultur ein. Mit zwei Jahren Verspätung sind die beiden nun im Strom zu erleben - ein Pflichttermin für Fans des avancierten Deutschrap.

Kinderzimmer Productions, Sonntag, 29. Mai, 21 Uhr, Strom, Lindwurmstraße 88

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