Suche nach Führungskräften:Wie ein Kinderwunschzentrum mit einer Stellenanzeige Empörung auslöst

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Das Kinderwunschzentrum hat seinen Sitz im Palais an der Oper in luxuriöser Lage, am Max-Joseph-Platz. In direkter Nachbarschaft: die Staatsoper und die Maximilianstraße mit ihren Haute-Couture-Läden. (Foto: Westend61/Imago)

Die Klinik an der Oper sucht Führungskräfte „mit Verachtung für Work-Life-Balance“ – und erntet dafür viel Kritik in den sozialen Medien. Für die Geschäftsführung ist die Provokation aber offenbar aufgegangen.

Von Ekaterina Kel

Es sollte „ein bisschen was Peppiges“ werden und stieß auf viel Ablehnung: die Stellenanzeige des Kinderwunsch- und Hormonzentrums an der Oper, die in der Januarausgabe des Deutschen Ärzteblatts erschien. Darin sucht die große Privatpraxis Nachwuchskräfte für die ärztliche Führungsebene. An sich nichts Ungewöhnliches. Doch bereits der Einstieg fällt aus dem Rahmen: „Wo sind die Gipfelstürmer dieser Nation mit Verachtung für Work-Life-Balance und New-Work?“

Dass die Vier-Tage-Woche oder flexible Arbeitskonzepte nicht bei allen Firmenchefinnen und -chefs beliebt sind, kann man sich vorstellen. Aber gleich „Verachtung“? Man suche „Visionäre mit überragender medizinischer Kompetenz und finanziellem Horizont“, heißt es in der Anzeige weiter. Spannende, seriöse Bewerbungen, auch von ganzen Teams, seien erwünscht.

Die Stellenanzeige aus dem Ärzteblatt löst viel Empörung aus. (Foto: Aufnahme aus dem Ärzteblatt)

Es dauerte nicht lange, bis jemand die Print-Anzeige abfotografierte und online kommentierte. In den sozialen Medien brachen Debatten aus. „Klingt toxisch“ oder „Tut mit jedem gelesenen Wort mehr weh“, schrieben Menschen darunter. Manche lobten aber auch die ausgefallene Marketing-Idee. Eine Frau schrieb: „So wie unsere deutsche Wirtschaft aktuell dasteht, muss auch erlaubt sein, unseren bisherigen Weg der großzügigen Work-Life-Balance in Frage zu stellen.“

Auf der Online-Plattform Linkedin, die hauptsächlich im beruflichen Kontext verwendet wird, kritisierte die frühere Siemens-Managerin Janina Kugel den Ton der Anzeige, er erinnere sie daran, dass bei manchen die „Masculinity“ hoch im Kurs sei. Auch Autorin und Journalistin Caro Matzko sah darin einen aufsteigenden „Trend zu Maskulinismus“. Eine antifeministische Ideologie, die in rechten Kreisen kursiert. Aufgestoßen ist vielen Menschen auch, dass in der Anzeige ausschließlich die männliche Form benutzt wurde.

Den Vorwurf des Maskulinismus weist Jörg Puchta zurück. Er ist einer der drei Inhaber des Kinderwunschzentrums. Bei ihnen im Führungsteam sei auch eine Frau, sagt Puchta. Man wollte sich in bestimmten Punkten aber „nicht dem Mainstream unterwerfen“. Gendern sei für Puchta etwas Künstliches. Es gebe in der Gesellschaft gravierendere Probleme als die Frage, ob man eine Stellenanzeige gendert oder nicht, findet der Reproduktionsmediziner. Etwa das „dramatisch zusammenbrechende Gesundheitssystem“, sichtbar beim Fachkräftemangel.

Jörg Puchta ist einer von drei Inhabern des Kinderwunschzentrums an der Oper. (Foto: privat)

Das Zentrum, das sich auf der Homepage als „Center of Excellence“ betitelt, hat seinen Sitz im Palais an der Oper in luxuriöser Lage, am Max-Joseph-Platz. In direkter Nachbarschaft: die Staatsoper und die Maximilianstraße mit ihren Haute-Couture-Läden. Die Klinik bietet ein großes Spektrum an Kinderwunsch-Behandlungen: von der Auswahl der besten Spermien bis zur Befruchtung in einem Reagenzglas. Auch Social Freezing, also das Einfrieren von Eizellen für einen späteren Kinderwunsch, wird angeboten.

Man wolle mit der provokativen Anzeige „die besten Leute“ ansprechen, „hochkarätige Kandidaten“. Junge Talente, die man über mehrere Jahre in der Praxis aufbaut, um diese dann irgendwann in gute Hände übergeben zu können. Den Laden zu führen, sei mit einer Vier-Tage-Woche eben nicht machbar. Auch er und seine Kollegen investierten sehr viel Zeit und Energie. Das machten sie gerne, „Arbeit ist auch unglaublich sinnstiftend“, so Puchta. Aber auch sie wollen irgendwann in Rente gehen. Er ist jetzt 64, seine Mit-Inhaber 58 und 52 Jahre alt.

Die Provokation zahlt sich bislang aus, es kommen sehr aufwendige Bewerbungen

Puchta beklagt einen Mangel an qualifizierten Ärztinnen und Ärzten, die bereit wären, das Risiko und die Verantwortung einer eigenen Praxis zu tragen. „Es gibt ein großes Nachwuchsproblem.“ Ob er nicht Angst hatte, mit so einer Anzeige mögliche Interessenten zusätzlich zu verschrecken? Er habe eher auf die Kraft der Provokation gesetzt. Die ungewöhnliche Anzeige sollte anecken.

Eine mögliche Empörungswelle habe man bewusst in Kauf genommen, sagt Puchta. Aber es habe ihn trotzdem überrascht, dass die in der Anzeige enthaltene Ironie von so wenigen verstanden worden sei. Dafür bekam die Stellenanzeige umso mehr Aufmerksamkeit.

Offenbar ist das Kalkül aufgegangen: Bereits die erste Bewerbung sei „sensationell“ gewesen, sagt Puchta, eine Team-Bewerbung von drei Ärztinnen. „Allein dafür hat es sich gelohnt.“ Drei weitere Bewerbungen seien seitdem gekommen, alle sehr aufwendig. Die Bewerber hätten die Anzeige ernst genommen, so Puchta. Noch ein paar Wochen wollen sie abwarten und sammeln – dann geht es an die Auslese.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung des Textes war fälschlicherweise von der „früheren Siemens-Managerin Janina Kugler“ die Rede. Tatsächlich heißt sie Janina Kugel.

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