Kindertagesstätten:München gehen die Erzieher aus

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  • Die Stadt findet zu wenige neue Erzieher für ihre Kindertagesstätten und die Betreuung der Grundschüler, selbst finanzielle Anreize helfen nicht.
  • 332 Fachkräfte arbeiten momentan an den städtischen Tagesheimen. 60 Stellen sind nach Angaben des Bildungsreferats unbesetzt. Teilweise muss ein Erwachsener 25 Kinder betreuen, nötig wären mindestens zwei.
  • Dazu kommt die Grippewelle: 40 Mitarbeiter haben sich krankgemeldet.

Von Melanie Staudinger, München

Fürs Fußballspielen reicht es gerade noch, die Taekwondo-Stunden aber müssen im Tagesheim an der Grundschule am Hedernfeld bis auf Weiteres ausfallen. Dafür fehlt es mittlerweile schlicht an Personal. Ein Erzieher kümmert sich nachmittags um bis zu 25 Schüler. Eigentlich wären mindestens zwei nötig. Wird ein Mitarbeiter krank, müssen die einzelnen Gruppen sogar zusammengelegt werden. "Es klingt brutal, aber wir sind manchmal schon froh, dass wir überhaupt Erzieher haben", sagt Schulleiterin Gabriele Strehle. Die Qualität der Betreuung, die Vielfalt der Angebote, die Zusammenarbeit zwischen Lehrer und Erzieher - was in der Theorie so schön klingt, ist in der Praxis oft schwierig umzusetzen, wenn es zu wenige Mitarbeiter gibt.

Die Grundschule am Hedernfeld in Großhadern ist kein Einzelfall. 332 Fachkräfte arbeiten momentan an den städtischen Tagesheimen, in denen Kinder in der unterrichtsfreien Zeit nach Jahrgangsstufen gegliedert betreut werden. 60 Stellen sind nach Angaben des Bildungsreferats unbesetzt. Dazu kommt in diesen Tagen noch die Grippewelle: 40 Mitarbeiter haben sich krankgemeldet. Spezielle Freizeitangebote müssen ausfallen, weil sich niemand darum kümmern kann. Würde ein Erzieher mit einem Teil der Kinder schwimmen gehen, wäre der Rest unbeaufsichtigt. Manche Einrichtungen schließen eher, andere nehmen weniger Kinder auf.

"Unsere Erzieher geben ihr Bestes, aber sie sind überlastet", sagt Rektorin Strehle. Das Arbeitsumfeld sei teilweise wenig motivierend, was zusätzlich zu einer hohen Fluktuation führe. "Eigentlich sollen Lehrer und Erzieher ja im Team zusammenarbeiten", sagt Strehle. Das funktioniere aber nur bedingt, wenn das Personal ständig wechsle und Lehrer schon mal Extraschichten schieben müssen, damit die Kinder nicht alleine sind.

Wie es im nächsten Jahr aussieht, weiß niemand

Friederike Gerstl-Hoffmann wollte sich mit dem Fachkräftemangel an ihrer Schule nicht abfinden. Die Leiterin der Grundschule am Strehleranger ist im vergangenen Jahr selbst aktiv geworden. "Es funktioniert nur über Beziehungen. Wir haben mit Mundpropaganda für unser Tagesheim geworben und so Erzieher gewonnen", sagt Gerstl-Hoffmann. Einige Fachkräfte hätten sich gemeldet, sich die Schule angeschaut und seien geblieben. Daher gebe es an ihrer Schule gerade keinen Engpass. "Wie es aber im nächsten Jahr aussieht, weiß ich nicht. Wir denken nur von Schuljahr zu Schuljahr", sagt sie. Kleiner wird der Bedarf ihrer Einschätzung nach jedenfalls nicht: Immer mehr Eltern suchten dringend eine Nachmittagsbetreuung für ihr Kind.

Diese Erfahrung hat auch Manuela Schwimmbeck gemacht. Sie leitet seit September die Grundschule an der Helmholtzstraße im Arnulfpark - eine relativ neue Schule mit großzügigen Räumen für die Tagesheimgruppen. "Wir hätten mehr Kinder aus anderen Sprengeln aufnehmen können, wenn das Tagesheim mehr Kapazitäten gehabt hätte", sagt sie. Doch ausreichend Personal sei nicht zu finden gewesen - die Eltern hätten sich ein anderes Angebot suchen müssen.

16 Kitas müssen die Öffnungszeiten verkürzen

Doch auch andere Einrichtungsarten kämpfen um geeignete Mitarbeiter. Für Krippen, Kindergärten und Horte gibt es ebenfalls zu wenige Bewerber. In den städtischen Kitas sind aktuell 2559 Erzieher beschäftigt, 202 zusätzliche Mitarbeiter sucht das Bildungsreferat händeringend. Unbesetzte Stellen gebe es quer durch alle Einrichtungsarten, sagt eine Sprecherin. "Ausfälle, etwa wegen Krankheit, und Fluktuation sind schwer zu kompensieren", räumt sie ein. Wie bei den Tagesheimen könne es auch in den Kitas zu Einschränkungen im Alltag kommen. 16 der 413 Einrichtungen haben ihre Öffnungszeiten verkürzt. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder morgens erst später bringen können oder sie nachmittags eher abholen müssen.

Die Stadt quält sich schon länger mit dem Erziehermangel, eine befriedigende Lösung hat sie bisher trotz aller Anstrengungen nicht gefunden. Sie bildet selbst Erzieher aus; sie wirbt mit Plakaten, Flyern und kurzen Filmen. Die Kampagne hat alleine im Jahr 2013 insgesamt 400 000 Euro gekostet. Auch die Tatsache, dass Erzieher in München seit November mehr verdienen, hat sich nach Angaben des Bildungsreferats bisher nicht signifikant auf die Bewerberzahlen ausgewirkt. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dafür eingesetzt, dass Erzieher die sogenannte Arbeitsmarktzulage erhalten. 200 Euro brutto erhalten sie im Monat mehr. Die Stadt bezahlt die Zulage auch für die Angestellten in Kitas der freien Träger.

Die Personalsituation wird sich auch in den kommenden Jahren wohl kaum entspannen. Erst im Herbst hatte der Münchner Stadtrat ein großes Aktionsprogramm beschlossen. Weil die Bevölkerungszahl stark ansteigt, sollen 8500 Krippen- und 6200 neue Kindergartenplätze bis 2020 geschaffen werden. Zudem sind 24 zusätzliche Grundschulen geplant. Für all diese Einrichtungen werden weitere Erzieher nötig sein.

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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