Kinderschänder Shanti verhaftet:Der Tipp aus der Botschaft

Er soll mehrere hundert Kinder sexuell missbraucht und seine Anhänger behandelt haben wie Dreck. Durch einen glücklichen Zufall schnappte nun die portugiesische Polizei den mutmaßlichen Kinderschänder Oliver Shanti aus München.

Klaus Wiendl und Susi Wimmer

Zielfahnder des Polizeipräsidiums München haben jahrelang vergeblich versucht, ihn zu schnappen. Wenn die portugiesische Polizei auftauchte, war er längst schon wieder weg. Jetzt wurde ihm ein aufmerksamer Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Lissabon zum Verhängnis: Als Ulrich Schulz, alias Oliver Shanti, dort am vergangenen Freitag seinen Reisepass verlängern lassen wollte, erkannte ihn der Mann: Ulrich Schulz, das war doch derjenige, gegen den seit Jahren ein Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern bestand.

Der Mitarbeiter alarmierte die in der Nähe stationierte Polícia Judiciária - die portugiesische Kriminalpolizei -, ein Lichtbildabgleich brachte Gewissheit. Auf Anweisung hielt der Mitarbeiter Ulrich Schulz hin, bis eine portugiesische Spezialeinheit eintraf und wenig später einen der meistgesuchten Männer Deutschlands festnahm.

"Mehrere hundert Fälle"

Laut Festnahmeprotokoll, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wollte Ulrich Schulz nach Brasilien reisen, um sich wegen einer schweren Krebserkrankung behandeln zu lassen. Eine Auslieferung nach Deutschland, wie sie die Staatsanwaltschaft München noch diese Woche beantragen will, könne, so das Protokoll, nur in Begleitung eines Arztes erfolgen. Schulz wurde direkt ins Gefängniskrankenhaus von Lissabon gebracht.

Zuvor war Schulz jahrelang auf der Flucht vor der Polizei gewesen: 2002 hatte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl wegen sexuellen und schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern gegen den einstigen Sektenführer erwirkt. Oberstaatsanwalt Anton Winkler erklärte 2005, Schulz stehe im Verdacht, "in den neunziger Jahren Kinder im Alter zwischen sieben und 16 Jahren mehrmals sexuell missbraucht" zu haben. Die Kinder habe Schulz wiederholt sexuell missbraucht, "in mehreren hundert Fällen".

Eine Dokumentation des Bayerischen Fernsehens schilderte 2005 den Fall Shanti. "Ich hatte da ein Extrazimmer bekommen, mit einer Matratze am Boden. Er ist dann (...) ins Zimmer gekommen, hat sich zu mir hingelegt." Dann erzählt Peter (Name v. d. Red. geändert), wie sich Ulrich Schulz an ihm vergangen haben soll. Die Taten geschahen demnach in der Landkommune, die Schulz gegründet hatte - zunächst im Bayerischen Wald in Viechtach, dann in München, in der Herzog-Wilhelm-Straße. Dort scharte Ulrich, der sich jetzt Oliver Shanti nannte, etwa 20 Jünger um sich.

Der Tipp aus der Botschaft

Shanti habe sich in der Münchner Fußgängerzone nach Opfern umgeschaut, berichtete damals ein Ermittler des Münchner Dezernats für Sexualstraftaten. Den Buben soll er Geschenke versprochen haben, wenn sie mit ihm kämen. Auch wurden Vorwürfe laut, dass sich Schulz an den Kindern seiner Anhänger vergriffen habe. Vor allem allein erziehenden Müttern bot er sich als Betreuer für ihre Kinder an. Ein ehemaliger Weggefährte von Shanti erklärte, Frauen, die in der Kommune die Kinder betreuten, hätten "Schulz die Buben regelrecht ins Bett".

Mittlerweile war Oliver Shanti mit seinen Anhängern ins portugiesische Vila Nova de Cerveira umgezogen. Dort residierte er hinter einer endlosen Mauer auf einem riesigen Areal mit mehreren Gebäuden, Hundezwingern und Volieren für Hunderte von Papageien, geschützt vor den Blicken der Einheimischen. Ein ehemaliger Anhänger Shantis berichtete in dem BR-Film auch von einem Heranwachsenden aus der Kommune, der zu Shanti gesagt habe: "Ich will nicht mehr mit Männern schlafen."

Daraufhin habe Shanti den Jugendlichen brutal zusammengeschlagen, ihn einen Lügner genannt und ihn einen Tag lang ohne Trinken in einen Wohnwagen gesperrt, der in der prallen Sonne stand. Daraufhin, so erzählte der Mann, sei er aus der Kommune geflüchtet und ohne einen Pfennig Geld nach Deutschland zurückgekehrt. In Sicherheit angekommen, habe er dann die Mutter des verprügelten Buben angerufen - auch die sei daraufhin mit dem Kind heimlich geflohen.

Jahre später, als Peter einen Kumpel von damals trifft, stellen sie fest, dass dieser wohl auch jahrelang von Shanti sexuell missbraucht wurde. Im Nachhinein, so sagt Peter, glaube er durchaus, dass der Missbrauch der Kinder in der Kommune System hatte: "Es waren ja mehr Leute in einem Haus, nicht nur ein oder zwei, es waren fünf oder sechs Leute, und das war auf alle Fälle organisiert gewesen, so ein Kinderschänderring."

Wenn Oliver Schulz nun in Deutschland der Prozess wegen Missbrauchs von Kindern gemacht wird, werden auch Vorwürfe im Raum stehen, dass Schulz versucht habe, Mitwisser und Aussteiger mundtot zu machen. Ein Hauptbelastungszeuge fürchtete um sein Leben: Als er aussteigen und auspacken wollte, wurde angeblich ein Vertrauter Shantis auf ihn angesetzt. "Er hatte mich hier in Portugal überfallen und niedergeschlagen. Ich glaube auch, er wollte mich umbringen", sagte der Zeuge. Er zeigte den Überfall an, der Schläger wurde festgenommen und nach Stadelheim in U-Haft gebracht. Dort nahm er sich das Leben.

Der Tipp aus der Botschaft

Offen ist, wie Ulrich Schulz an das Geld für seinen luxuriösen Lebensstil kam. Zum einen berichtet ein ehemaliger Anhänger, Oliver Shanti habe in der Anfangszeit der Kommune keine müde Mark besessen, und wohl "meine Gutgläubigkeit ausgenutzt". Ungefähr eine Million Euro will er dem Guru im Laufe der Jahre überlassen haben.

Haupteinnahmequelle von Shanti aber war die Musik. In Fischbachau mietete er sich in ziemlicher Abgeschiedenheit Büroräume an, außerdem ließ er sich ein aufwendiges Tonstudio einrichten. Dort legte er den Grundstein für seine Sattva-Musik-Produktionsfirma. Hier produzierte er esoterische CDs. Unter dem Titel "Oliver Shanti & friends" warf er massenweise Weltmusik auf den Markt. Allerdings verließ sich der "Meister" in erster Linie wohl auf seine "friends". Als der Schweizer Musikhändler Max Regli Shanti in Portugal Domizil besuchte, stellte er fest, dass Shanti nicht einmal ein Instrument spielen konnte.

Spende für den Dalai Lama?

Auch die Verkaufserlöse aus der CD "TaiChi" seien nicht in soziale Projekte geflossen, wie Shanti Max Regli erklärt hatte. Das Geld landete auf Shantis Konto. Die Musiker und Sänger soll Oliver Shanti mit Kleckerbeträgen abgespeist haben. Der Sängerin Dechen Shak Dagsay erklärte Shanti, ihre CD-Beitrag diene der Dalai Lama Stiftung. Sie erhalte pro verkaufter CD eine Mark. "Doch das war für Shanti nur ein Werbegag, die Dalai Lama-Foundation hat nie Geld gesehen", sagte die Sängerin. Noch heute werden die CDs im Internet angeboten. Auch auf einer Bestseller-Weltmusik-Edition des Nachrichtenmagazins Der Spiegel war Shanti vertreten. Als man bemerkte, dass die Tantiemen an einen mutmaßlichen Kinderschänder flossen, stellte man den Verkauf sofort ein.

In Vila Nova de Cerveira, dem letzten Aufenthaltsort der Shanti-Kommune, galt Oliver Serano-Alve, wie er sich dort nannte, als Wohltäter. Ausrangierte Krankenwagen, bei deutschen Hilfsorganisationen zusammengekauft, spendete er der Feuerwehr. Ebenso einen lebensgroßen Hirschen aus Bronze, Symbol des Ortes. Diesen will man nun abbauen.

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