Gebührenreform:In München wird der Kindergarten kostenfrei

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  • Bei städtischen Kindergärten und denen, die sich der Münchner Förderformel angeschlossen haben, fallen ab September die Gebühren weg.
  • 12,5 Millionen Euro wird der kostenlose Kindergarten die Stadt pro Jahr kosten.
  • Auch Münchner Kitas für unter Dreijährige könnten gebührenfrei werden - dazu braucht es aber noch eine Entscheidung des Freistaats Bayern.

Von Melanie Staudinger

Paradigmenwechsel ist ein großes Wort, und doch ist es genau das, was Oberbürgermeister Dieter Reiter, Schulbürgermeisterin Christine Strobl und Stadtschulrätin Beatrix Zurek (alle SPD) am Freitagnachmittag fast beiläufig verkündet haben. Münchner Eltern können sich nicht nur auf eine spürbare Entlastung im Geldbeutel freuen, sondern auch über deutlich weniger Bürokratie bei der Kita-Anmeldung.

Nachdem die Stadt bereits im Herbst eine massive Gebührensenkung angekündigt hat, soll die Betreuung für Kinder zwischen drei und sechs Jahren nun komplett kostenlos werden. Einkommensnachweise der Eltern sind nicht mehr nötig: Wenn niemand mehr bezahlt, müssen die Gebühren auch nicht sozial gestaffelt sein. Damit verabschiedet sich die Stadt vom Prinzip, dass Wohlhabende mehr zahlen müssen als Normalverdiener.

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Nach Angaben der Stadt soll die Regelung für alle städtischen Kindergärten sowie für die Einrichtungen freigemeinnütziger und sonstiger Träger gelten, die sich freiwillig dem kommunalen Fördersystem, der Münchner Förderformel, angeschlossen haben. In Kraft treten soll sie am 1. September dieses Jahres. Auch für die Eltern-Kind-Initiativen, die bisher von allen Plänen ausgenommen sind, will die Stadt noch eine Lösung finden, damit auch sie von den geplanten Änderungen profitieren können, wie Reiter ankündigt. Der Bildungsausschuss des Stadtrats soll die Neuregelung in seiner Sitzung am 22. Mai beschließen.

"Kostenlose Bildungsangebote sind der Schlüssel zur Chancengleichheit", sagt Bürgermeisterin Strobl. München könne hier mit großen Schritten vorangehen. OB Reiter verweist darauf, dass mit dem Millionengeschenk an die Eltern die Investitionen der Stadt längst nicht aufhörten. "Gleichzeitig arbeiten wir weiter hart daran, das Angebot an Betreuungsplätzen weiter auszubauen, und haben dabei natürlich auch die Qualität der Betreuung im Blick", erklärt er.

Ermöglicht wird der große Wurf, den der Münchner Rathauschef jetzt präsentiert, allerdings hauptsächlich vom Freistaat. Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern hatte kurz nach den Landtagswahlen im vergangenen Herbst beschlossen, für jedes Kindergartenkind einen monatlichen Zuschuss von 100 Euro zu gewähren, den allerdings nicht die Eltern, sondern die Tageseinrichtungen erhalten. Die Pläne der Stadtverwaltung sehen nun vor, dass die Gebühren nur mehr höchstens 100 Euro betragen, die dann quasi durch den staatlichen Zuschuss abgegolten sind. "Da sieht man, was möglich ist, wenn man Ressourcen vom Freistaat bekommt", sagt Zurek.

Bisher musste man dagegen schon fast Steuerberater sein, um die durchaus komplizierte Gebührenordnung der Stadt zu durchschauen. Jeder, der einen Kita-Platz wollte, musste sein Einkommen offenlegen. Wer wenig verdiente, bezahlte nichts. Nach oben galt ein Stufenmodell. So sollte sichergestellt sein, dass der Krippen- oder Kindergartenbesuch nicht am Geldbeutel der Eltern scheitert.

Die neue Gebührentabelle für Kindergärten wird nun deutlich schlanker sein. Gezahlt wird - in der Theorie - nach Besuchszeit. Eine solche Staffelung schreibt der Freistaat vor, um Luftbuchungen zu verhindern; gemeint ist, dass Eltern mehr Stunden buchen, als sie eigentlich benötigen. Der Höchstsatz bei einer Betreuungszeit von mehr als neun Stunden wird aber bei 100 Euro liegen - die dann der Freistaat bezahlt.

Auch die Stadt lässt sich die Unterstützung der Eltern einiges kosten. 43 Millionen Euro werden aus der kommunalen Kasse im Jahr fällig - für den kostenlosen Kindergartenbesuch (12,5 Millionen) und die im Oktober 2018 beschlossenen günstigeren Sätze in Krippen, Horten und Tagesheimen. Durch den 100-Euro-Zuschuss pro Kind vom Land spart die Stadt allerdings auch selbst. Ursprünglich hätte das Familienprogramm nämlich zwei Millionen Euro mehr gekostet.

Der Vorstoß von Reiter, Strobl und Zurek kommt auch im Stadtrat gut an. Mit großer Freude habe man zur Kenntnis genommen, dass die Stadtverwaltung die Kindergartengebühren de facto abschaffen wolle, teilten die Grünen mit. "Bereits vor drei Monaten haben wir beantragt, dass die Stadt die zusätzlichen Gelder des Freistaats Bayern dazu nutzen sollte, um die Kindergärten beitragsfrei zu stellen, die Familien zu entlasten und gleichzeitig Bürokratie abzubauen", sagt der Fraktionsvorsitzende Florian Roth. Auch die Münchner CSU hatte unlängst kostenfreie Kitas gefordert.

Gleichzeitig forderte Roth das Bildungsreferat auf, sich auch eine Lösung für Krippenkinder zu überlegen. Hier sei man auf eine endgültige Entscheidung des Freistaats angewiesen, wie dieser die für 2020 angekündigten 100 Euro pro Ein- bis Dreijährigen und Monat auszahlen wolle, antwortete Zurek. Sollte dieses Geld ebenfalls an die Einrichtung gehen wie im Kindergartenbereich, sei es denkbar, hier ähnlich zu agieren. "Wenn der Freistaat sich entschieden hat, werden wir uns etwas überlegen", versicherte die Stadtschulrätin.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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