Das Sams, die Olchis, der Pumuckl – seit Jahrzehnten wegen ihres anarchistischen Charmes geliebte Kinderbuchfiguren, die in München oder Bayern „geboren“ wurden und es auch auf die Kinoleinwand schafften, gibt es einige. Dass der Freistaat ein Kinderbuchland ist, beweisen auch die neuesten Veröffentlichungen. Sie führen die kleinen und großen Leserinnen und Leser aber nicht nur ins bayerische Land, sondern nehmen sie mit auf Weltreise vom Nordpol zum Südpol. Sie sind dem Zauber der Weihnachtszeit auf der Spur, verwandeln Menschen in Gorillas oder lassen sie schrumpfen – auf die Bleistiftgröße von kleinen grünen pelzigen Wesen. Damit werden die Winterabende alles andere als langweilig.
Vorlesespaß auf Bairisch
Willkommen in Anting – wer ein Buch aus Bayern über Bayern und teils auf Bairisch lesen will, ist bei „Franz und Theresa – Ghupft wia gsprunga!“ genau richtig. Es ist das Debüt von Justina Bauer aus Penzberg, die die Geschichten eigentlich nur für ihre Kinder geschrieben hat. Franz wohnt mit seiner Familie auf einem Bauernhof in diesem fiktiven, aber doch so typischen Dorf Anting, Theresa mit ihren beiden Mamas gleich nebenan. Franz spricht und schimpft auf Bairisch („Saggl Zement“) und Theresa Hochdeutsch. Zusammen sorgen sie für reichlich Aufregung.
Sie finden einen riesigen Dino-Knochen auf dem Rübenacker: „Krass, mia ham an echtn Dinosaurierknocha gefundn!“ Sie pflanzen für Theresas demente Oma Vergissmeinnicht und retten Franz’ Vater, der aus Versehen in ihrem Zaunloch stecken geblieben ist. Letztlich revolutionieren sie sogar den Antinger Trachtenverein in Richtung Toleranz. Nach jedem Kapitel und am Ende gibt die Autorin, Redenschreiberin im Umweltministerium, auch noch Rezepte-, Ausflugs-, Spieletipps, eine Anleitung zum Schuhplattln und eine kurze Einführung in Bairisch – Hochdeutsch. Etwas zu viel des Guten? Im Gegenteil: Der witzige Sprachmix und Blick auf das Dorfleben eignen sich perfekt zum gemeinsamen Lesen und Lachen. mac
Justina Bauer: Franz und Theresa – Ghupft wia gsprunga! Illustriert von Claudia Burmeister. Knesebeck, München 2024, 112 Seiten. 16 Euro. Ab 6 Jahren.
Wimmeliges Miesbach
Ins oberbayerische Land nimmt einen auch das neue Wimmelbuch „Was ist da los im Miesbacher Land“ mit. Es hat vorne und hinten zwei Titeloptiken beziehungsweise Buchhälften – eine sommerliche und eine winterliche, schön. Dazu gibt es bei jedem Wimmelbild Suchfragen. Da staut es sich also am Irschenberg, wird am Tegernsee vor dem Herzoglichen Schloss getaucht, gefischt und überführt oder am Spitzingsee Ski gefahren. Andere Seiten wie über einen Bauernhof bleiben dagegen allgemeiner, da wären ein paar mehr Wiedererkennungswerte wünschenswert gewesen.
Denn genau die sucht man doch in einem solchen Buch, am besten noch mit einem Augenzwinkern versehen. Wer noch tiefer ins Miesbacher Land eintauchen will, für den hat der Verlag zudem eine spannende Rallye, ein neues regionales Karten-Brett-Spiel parat. Aber aufgepasst, einige Fragen haben es in sich. Wer weiß etwa, welcher Fluss an Fischbachau vorbei Richtung Mangfall fließt? mac
Sebastian Huber: Was ist da los im Miesbacher Land. Chiemgauer Verlagsgesellschaft 2024, 18 Seiten. 16,99 Euro. Ab 3 Jahren.
Wenn die Krumpflinge kommen
Vor ziemlich genau zehn Jahren zog die dreiköpfige Familie Artich in eine alte Villa ein, wo sie unwissender Weise ein Riesen-Problem verursachte: Denn sie gingen und gehen viel zu freundlich miteinander um, jedenfalls für den Geschmack der im Keller wohnenden 49 Krumpflinge. Wodurch die ein Riesen-Problem bekommen: Innerhalb kürzester Zeit ist ihr kostbarer Krumpftee aufgebraucht, der sich nur dadurch auffüllen lässt, dass ordentlich gestritten, geschimpft und geflucht wird. Also schickt die Sippenchefin und auf Fiesheit bedachte Krumpfling-Oma den kleinen Egon nach oben, um dort für Unfrieden zu sorgen. Doch unerwarteterweise freundet der sich mit Albi, dem Sohn der Obermieter an.
Die Münchner Autorin Annette Roeder dachte sich den originellen Plot 2014 aus, die pelzig-grünen Krumpflinge zeichnet Barbara Korthues. Mittlerweile toben die Krumpflinge bereits im zwölften Band durch die Kinderzimmer – und wissen seit Band elf sogar, wann Egons „Rupftag“ ist. Denn die Krumpflinge wachsen in Blumentöpfen und werden irgendwann von Oma Krumpfling abgerupft. by
Annette Roeder: Die Krumpflinge – Egon und der Schrumpf-Zauber, ab 6 Jahren, Band 12, 112 Seiten, cbj 2024, 12 Euro.
Das Erdsystem begreifen
Nach vier Jahrzehnten Reisen durch die ganze Welt hat der Münchner Geograf und Natur-Fotograf Michael Martin, mittlerweile selbst Großvater, im Herbst sein erstes Kinder-Sachbuch veröffentlicht. In „Unsere wundervolle Erde“ nimmt er die jungen Leser und Leserinnen mit auf eine Weltreise vom Nordpol zum Südpol. Das Abenteuer beginnt in der Arktis, führt nach Sibirien, in die Mongolei, wird fortgesetzt im Himalaja, auf der Arabischen Halbinsel und in Afrika. Dabei erfahren die jungen Leser, was es mit den mongolischen Ziegen, dem Vulkan in der Wüste Äthiopiens, mit dem großen afrikanischen Grabenbruch und mit dem Eisbär auf sich hat. Anhand dieser Beispiele erläutert er komplexe Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit, „im Grunde hängt da ja alles mit allem zusammen“, sagt Michael Martin, der mit seinem Buch „das Erdsystem für Kinder begreiflich machen will“.
Für sein Buch konnte er auf reichhaltiges Material zugreifen: Von seinen Reisen lagen ihm hunderttausende Bilder vor, dazu schöpfte er aus einem Riesen-Fundus an Geschichten. Auf den ersten Band mit 400 Bildern sowie Illustrationen von Kurz Shortriver soll im nächsten Herbst ein zweiter Band folgen. by
Michael Martin: Unsere wundervolle Erde, ab 9 Jahren, Loewe 2024, 176 Seiten, 28 Euro.
Anouks Welt
Anouks Vorbild lebt in Tutzing am Starnberger See. Das kleine Mädchen, das nachts auf fantastische Reisen zu den Pyramiden nach Ägypten, zur Polizei oder in den Zirkus geht, ist der wirklichen Tochter von Hendrikje Balsmeyer und Musiker Peter Maffay nachempfunden. Auch Mama und Papa mit seinen markanten Tattoos, Bruder Yaris sowie Oma und Opa kommen in der Buchreihe vor, zeichnerisch wunderbar von Joëlle Tourlonias (bekannt von der Hummel Bommel) in Szene gesetzt. Im aktuellen Band 3 ist Anouk in einem Kaufhaus oder der Eissporthalle dem Geheimnis der Weihnachtszeit auf der Spur.
Da Maffay ein Vermarktungsprofi ist, gibt es von Anouk natürlich auch einen Song und mittlerweile ein ganzes Kindermusical, das kürzlich in Hannover Premiere feierte und nächstes Jahr auch nach München und Umgebung kommt. Dazu ein Stickerheft, Freundebuch, ein Mau-Mau, „Ich packe meinen Koffer“-Spiel und Mutmachkarten. Ganz neu für die ganz Kleinen ist ein Pappbilderbuch, in dem Anouk noch mit Schnuller und ihre Kuscheltierfreunde sagen, was für sie das Schönste an Weihnachten ist. Mama liebt etwa Plätzchen backen – und Papa isst sie alle auf. Na dann, frohes Fest, kleine Anouk! mac
Hendrikje Balsmeyer, Peter Maffay, Joëlle Tourlonias (Ill.): Anouk und das Geheimnis der Weihnachtszeit. Ars Edition, München 2023, 128 Seiten. 17,99 Euro. Ab 5 Jahren; Und: Alle lieben Weihnachten – Kleine Anouk. Ars Edition, München 2024, 14 Seiten. 10 Euro. Ab 1 Jahren.
Vom Ammersee in die weite Welt
Wie Weihnachten dürfte sich auch Verlegerin Lisa Hammerl fühlen. Denn ihr junger Indie-Kinderbuchverlag namens Limbion ist mit Erfolg gestartet. Er sitzt am Ammersee, bringt jedoch keineswegs bayerische Bücher heraus. Lisa Hammerl sucht weltweit nach Raritäten, Übersetzungen wie etwa „Sommer in der Tempelgasse“ der renommierten japanischen Autorin Sashiko Kashiwaba – ein Sommer-Mystery-Roman, der jüngst mit dem Label „Bayerns beste Independent Bücher 2024“ ausgezeichnet wurde.
Der Limbion-Verlag hat im Juli 2023 erste Bücher veröffentlicht, jetzt sind wieder drei erschienen. Darunter ein farbenfrohes, schwedisches Bilderbuch, in dem ein Mädchen auf eine fantastische Flussreise geht. Oder „Brüder“ einer französischen Autorin über die Unterschiedlichkeit und Verbundenheit von Geschwistern, wunderbar impressionistisch bebildert und übersetzt von der Münchnerin Bernadette Ott. „Der eine schaut, der andere klettert. (…) Arùn und Rey sind Brüder. Für immer.“ mac
Marie Le Cuziat: Brüder. Illustriert von Hua Ling Xu. Aus dem Französischen von Bernadette Ott. Limbion, Dießen 2024, 32 Seiten. 18 Euro. Ab 5 Jahren; Sara Lundberg: Niemand außer mir. Aus dem Schwedischen von Franziska Hüther. Limbion, Dießen 2024, 64 Seiten. 19 Euro. Ab 3 Jahren.
Affenstarkes Abenteuer
Lehrerinnen sind eine besondere Spezies. Und erleiden mitunter besondere Schicksale. Gelegentlich werden sie zu Winzlingen verkleinert (man denke nur an Sabine Ludwigs Buch „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“). Oder sie wachsen sich zu haarigen Ungetümen aus wie in Meike Haas’ neuem Kinderbuch „Hilfe, meine Lehrerin ist ein Gorilla“: Hier mutiert eine zickige, Regel-versessene Biolehrerin zu einem Riesenaffen. Den entdeckt der elfjährige Milo nach seiner Rückkehr von der Toilette ins Klassenzimmer – zugegeben, er war ein wenig länger dort, um auf seinem Handy zu daddeln. Verblüffenderweise ähnelt der Gorilla im Klassenzimmer dem Affen aus Level 7 in seinem Handyspiel – sollte es da etwa eine Verbindung geben? Nun sind gute Ideen gefragt, damit besagte Frau Lowitz ihre Lehrerinnengestalt zurückerlangt. Gemeinsam mit seinen besten Freunden Artan und Helene macht sich Milo auf die Suche nach dem Spieleentwickler.
Die „Isarautorin“ Meike Haas hat in ihrem neuen Buch ein spannendes Abenteuer um Virtual Reality konzipiert, das viel Stoff für Situationskomik birgt. Die drei kindlichen Hauptcharaktere bilden mit der Lehrerin ein schön schräges Team wider Willen, an dem Regeltreue wie renitente Schüler und Schülerinnen ihre Freude haben dürften. by
Hilfe, meine Lehrerin ist ein Gorilla, ab 8 Jahren, dtv 2024, 160 Seiten, 14 Euro.