Ukrainische Literatur:Wie ein Kinderbuch den Krieg erklärt

Ukrainische Literatur: Das ukrainische Künstlerpaar Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw, beide 1984 geboren, ist derzeit in Deutschland auf Lesereise - im Anschluss kehren sie in ihre Heimatstadt Lwiw zurück.

Das ukrainische Künstlerpaar Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw, beide 1984 geboren, ist derzeit in Deutschland auf Lesereise - im Anschluss kehren sie in ihre Heimatstadt Lwiw zurück.

(Foto: Viktor Popil)

Mit dem Buch "Als der Krieg nach Rondo kam" ist das ukrainische Künstlerpaar Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw auf Lesereise in Deutschland. Wo die nächsten Lesungen stattfinden und warum die beiden auf den Deutschen Jugendliteraturpreis hoffen dürfen.

Von Barbara Hordych

Sie sind einfallsreiche Wesen aus zarten Materialien, die drei Freunde Fabian, Sirka und Danko. Ein Luftballon-Hund, ein Papiervogel und eine Glühbirne aus Glas. Ihr Leben ist glücklich in der kleinen Stadt Rondo, die Luft lichtdurchflutet, überall blühen Blumen, einige singen sogar. Ganze Konzerte geben diese Blumen von den entferntesten Orten des Planeten in Rondos einzigartigem Gewächshaus. Doch dann, eines Tages kommt der Krieg und mit ihm die Dunkelheit. "Der Krieg säte auf seinem Weg schwarze Blumen - trockenes, stechendes Unkraut. Stumm und ohne Duft" heißt es in dem Bilderbuch "Als der Krieg nach Rondo kam", das in diesem September im Gerstenberg Verlag erschienen ist. Schrecklich und bedrohlich, groß und überwältigend ist dieser Krieg, der nichts als Zerstörung bringt und den niemand aufzuhalten vermag. Die Blumen im Gewächshaus bekommen nicht mehr genug Licht und drohen zu sterben. Da machen die drei Freunde eine geniale Entdeckung: Sie erfinden eine Lichtmaschine, die wieder Hoffnung in den Ort bringt und den Krieg vertreibt.

Ukrainische Literatur: Freunde aus empfindlichen Materialien: Das gläserne Glühbirnen-Wesen Danko, der Luftballon-Hund Fabian, der Papiervogel Sirka.

Freunde aus empfindlichen Materialien: Das gläserne Glühbirnen-Wesen Danko, der Luftballon-Hund Fabian, der Papiervogel Sirka.

(Foto: Romana Romanyschyn/Andrij Lessiw: "Als der Krieg nach Rondo kam"/Gerstenberg Verlag 2022)

Bereits 2015, nach der Annexion der Krim, erschien das Bilderbuch des ukrainischen Künstlerpaars Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw, das erschreckenderweise heute umso aktueller ist. Schon "damals wussten Eltern in unserem Land nicht, wie sie ihren Kindern erklären sollten, was Krieg ist und warum er zu ihnen nach Hause gekommen ist. Wir haben uns entschieden, ein Bilderbuch zu erstellen, das der Ausgangspunkt für ein aufrichtiges Gespräch zwischen Kindern und ihren Eltern über das sein könnte, was vor sich geht. Es musste ein Buch wie eine Therapie sein, wenn man zuerst über seine Ängste spricht und dann aufhört, Angst zu haben", antworten Romanyschyn und Lessiw schriftlich auf Fragen zur Buchentstehung. Ihre Heimatstadt Lwiw haben sie für die Lesereise verlassen, die sie unter anderem nach München führt: Am Sonntag stellen sie ihr Buch in der Kirche St. Johannes, am Montag in der Internationalen Jugendbibliothek vor.

Ihr Buch "Rondo" ist eine Hommage an den Frieden, den Widerstand und die Hoffnung und macht das Unerklärliche selbst für jüngere Kinder fassbar. In poetischer Kontrastierung von Licht, Zartheit, Blumen und Musik mit Dunkelheit, Härte und Stummheit wird durch die Geschichte spürbar, was ein Krieg bei seinen Opfern anrichtet. "Intuitiv haben wir für unser Buch eine einfache Metapher gewählt, die funktioniert und mit unserer neuen Realität verknüpft ist - wir kämpfen gegen die Dunkelheit, wie es die Charaktere unseres Buches tun. Diese Dunkelheit ist ein Symbol für Tyrannei, dunkle Vergangenheit, Sklaverei und Hass. Und wir bekämpfen sie mit Licht der Hoffnung, Entschlossenheit, Einheit und Würde", schreibt das Künstlerpaar.

Ukrainische Literatur: Als der Krieg vorbei ist, bauen die Bewohner von Rondo ihre Stadt wieder auf: Dort, wo vorher die schwarzen Blumen gestanden hatten, wächst jetzt roter Mohn.

Als der Krieg vorbei ist, bauen die Bewohner von Rondo ihre Stadt wieder auf: Dort, wo vorher die schwarzen Blumen gestanden hatten, wächst jetzt roter Mohn.

(Foto: Romana Romanyschyn/Andrij Lessiw: "Als der Krieg nach Rondo kam"/Gerstenberg Verlag 2022)

Am Ende des Buchs bauen die Bewohner von Rondo ihre Stadt wieder auf, "wo vorher die schwarzen Blumen gestanden hatten, wuchs jetzt roter Mohn". Doch nicht alles wird wieder heil. Die Risse auf Dankos durchscheinendem Glühbirnenkörper bleiben ebenso wie die verkohlten Ränder an Sirkas Papierflügeln. Und der Luftballon-Hund Fabian humpelt, seit eine schwarze Blume seinen Fuß durchbohrt hat. "Wir fühlen uns immer noch sehr zerbrechlich und verletzlich wie die Figuren eines Buches, aber gleichzeitig auch unzerbrechlich. Und wir tun immer noch unser Bestes, um unser inneres Licht zu schützen", schreiben Romanyschyn und Lessiw.

Die Unterscheidung zwischen Licht und Dunkelheit spielt auch im Sachbuch "Sehen" eine zentrale Rolle, mit dem das Künstlerpaar, beide 1984 geboren, aktuell für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert ist. Können sie diese Symbolik genauer erläutern? "Wir denken, dass die Unterscheidung zwischen Licht und Dunkelheit ein erster Kontrast aus dem Anfang des Universums ist. Das Leuchten der Sterne am dunklen Himmel, der Wechsel zwischen Tag und Nacht - es gibt nichts Schlichteres und doch Poetischeres. Deshalb ist dieser Gegensatz, der Konflikt zweier Dinge, eine sehr wichtige Metapher in der Kunst, Literatur und in einem Symbolsystem. Und diese Metapher eines Gleichgewichts zwischen Licht und Dunkelheit, wie sie sich gegenseitig verändern und wie sie ohne einander nicht existieren können - diese Symbole sind uns sehr nahe. Und selbst jetzt, in der Situation, in der wir leben, sagen wir in Kriegszeiten, dass die dunkelste Nacht kurz vor der Morgendämmerung ist."

Als der Krieg nach Rondo kam, Gerstenberg 2022, Lesung mit Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw, So., 16. Okt., 18.30 Uhr, St. Johannes-Kirche, Preysingstr. 17; Mo., 17. Okt., 10 Uhr, Lesung für Schulklassen in der Internationalen Jugendbibliothek, Schloss Blutenburg

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