Kinderbetreuung:So sollen mehr Kita-Plätze entstehen

Kinderbetreuung: Begehrte Zielgruppe: Kinderbetreuung kann in München ein lukratives Geschäft sein.

Begehrte Zielgruppe: Kinderbetreuung kann in München ein lukratives Geschäft sein.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die freiwilligen Zuschüsse der Stadt an Kita-Träger sind an strenge Regeln geknüpft.
  • Die Betreiber der Tagesstätten müssen fachgerechtes Personal einstellen und einen vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel garantieren.

Von Melanie Staudinger

Die Gruppe in der Lobby eines traditionsreichen Hotels am Münchner Hauptbahnhof könnte genauso gut auf dem Weg zu einer Messe sein. Oder zu einer internationalen Tagung, denn die Männer und Frauen im legeren Business-Look sprechen deutsch, englisch, schwedisch und norwegisch - je nachdem, mit wem sie gerade reden.

Irritierend sind nur die übergroßen Stofftiere, die auf einem Sofa liegen. "Spire" heißen die grünen Figuren, die einem Pflanzenspross sehr ähnlich schauen, und sie sind das Maskottchen des norwegischen Kindertagesstättenbetreibers Espira.

Espira gehört zum schwedischen Konzern AcadeMedia, dessen Chef wiederum, Marcus Strömberg, ist zum Antrittsbesuch in der bayerischen Landeshauptstadt. Genau wie er verdienen die Menschen, die sich hier unterhalten, ihren Lebensunterhalt mit Kinderbetreuung.

Strömbergs Konzern, der skandinavische Marktführer in Sachen Kinderbetreuung, hat gerade die Münchner Kita-Gruppe Joki mit ihren sieben Tagesstätten übernommen. Der Schwede will sich nun bei seinen neuen Mitarbeitern vorstellen. Ihnen will er erklären, was sein Unternehmen genau vor hat.

Die Eltern sollen nicht mehr bezahlen müssen als bei städtischen Kindergärten

Die Marke Joki mit ihren zweisprachigen Tagesstätten soll bleiben, deren Gründer, Dagmar Nietzer und Uwe Heddendorp, sind seit Mitte Januar für das Deutschlandgeschäft von AcadeMedia verantwortlich. Gleichzeitig will Strömberg aber eine weitere Kette in München etablieren: Espira.

Deren Besonderheit soll darin liegen, dass sie zwar offiziell zu den privaten Einrichtungen zählt, die Eltern dafür aber nicht mehr bezahlen müssen als bei städtischen Kindergärten und Krippen. Wie er das schaffen will? "München bietet interessante Modelle", sagt Strömberg.

Tatsächlich können sich Investitionen in den Münchner Kita-Markt durchaus lohnen. Das liegt zum einen daran, dass der Bedarf an Kinderbetreuung hier groß ist. Das Leben in der Stadt ist teuer, ihre Bewohner sind gut ausgebildet, in vielen Familien müssen oder wollen deshalb beide Elternteile arbeiten gehen.

Außerdem, und das schätzen vor allem die privaten Anbieter, ist das Lohnniveau hoch. Familien in München sind eher bereit, mehr Geld für die Kinderbetreuung auszugeben als auf dem flachen Land.Zum anderen aber gibt es in der bayerischen Landeshauptstadt auch Förderprogramme, die anderswo fehlen. Sie tragen die Namen "Münchner Förderformel" und "Betriebsträgerschaft". In der Kita-Szene kennt sie mittlerweile jeder.

Mehr Geld für Kitas, die vermehrt sozial benachteiligte Kinder betreuen

Hinter den Begriffen verbergen sich freiwillige Zuschüsse der Stadt, die weit über die vom Freistaat vorgesehenen Zuwendungen hinausgehen, die im bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) festgeschrieben sind. Die Förderformel soll eine zielgerichtete und einheitliche Förderung der Einrichtungen ermöglichen: So bekommen Kitas, in denen vermehrt sozial benachteiligte Kinder betreut werden, mehr Geld.

Damit können sie, wie eine Sprecherin des Bildungsreferats erklärt, mehr Personal einstellen oder spezielle Sprachförderprogramme in den Alltag integrieren. Beim Betriebsträgermodell baut die Stadt das Gebäude und stellt es einem Träger kostenfrei zur Verfügung. Beide Programme sind Teil eines großzügigen Anreizsystems, dass den Ausbau der Betreuungsplätze vorantreiben und gleichzeitig Qualitätsstandards sicherstellen soll.

Die freiwilligen Zuschüsse der Stadt sind allerdings an strenge Regeln geknüpft. Schließlich sollen die Träger mit dem Geld nicht auf Kosten des Steuerzahlers reich werden, sondern Plätze anbieten und Kinder angemessen fördern. Die Betreiber der Tagesstätten müssen fachgerechtes Personal einstellen und einen vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel garantieren.

Zudem ist die Höhe der monatlichen Beiträge gedeckelt. Wer das Geld von der Stadt will, darf im Schnitt höchstens ein Fünftel über den städtischen Gebühren liegen. Deren Höchstsatz beträgt bei Krippen 421 Euro und bei Kindergärten 202 Euro im Monat.

Wenn es Freiflächen gibt, dann sind die Nachbarn dagegen

Die Kombination beider Modelle, so sagt Strömberg, macht den Münchner Markt nun so interessant. Denn gerade in Großstädten würden sich Kita-Betreiber schwer tun, geeignete Häuser zu finden. Freiflächen gibt es kaum, und selbst wenn, sind meist die Nachbarn dagegen.

Wer will schon Kindergeschrei in seiner unmittelbaren Umgebung? "Im Betriebsträgermodell bekommen wir das Gebäude gestellt", sagt Strömberg. Sofern Espira den Zuschlag erhält: Denn diese Verträge vergibt die Stadt in einer öffentlichen Ausschreibung, jeder Träger muss sich erst einmal gegen seine Konkurrenten durchsetzen.

Wie viele private Betreiber schon eines der 181 Häuser in Betriebsträgerschaft ergattern konnten, dazu macht das Bildungsreferat keine Angaben. Die Statistik kenne das Merkmal "privat" nicht, erläutert eine Sprecherin, sondern unterscheide nur zwischen städtischen und nichtstädtischen Trägern.

Unter letztere fallen freigemeinnützige Träger wie die Caritas oder die Arbeiterwohlfahrt und sonstige Träger wie eben Joki und Eltern-Kind-Initiativen (Ekis). Ohne die Ekis, die eine besondere Stellung im Fördersystem haben, gibt es 768 freie und sonstige Einrichtungen, 436 nehmen heuer an der Förderformel teil.

Es werden mehr Bewerbungen von privaten Einrichtungen kommen

Es zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass mehr Bewerbungen kommen werden, gerade von privaten Einrichtungen. Dieser Entwicklung steht Christian Müller, SPD-Stadtrat und bei der Caritas zuständig für die Kinderbetreuungseinrichtungen, skeptisch gegenüber. "Die Förderformel ist kein Gewinnmodell, sondern ermöglicht es zumindest den Wohlfahrtsverbänden, annähernd kostendeckend zu arbeiten", sagt er.

Müller vermutet hinter dem Engagement der privaten Unternehmen daher andere Motive. Vielleicht wollten sich diese ein breiteres Publikum sichern, wenn sie ihre teuren Einrichtungen für ein zahlungskräftiges Publikum und zugleich kostengünstige Kitas betreiben.

Von Konkurrenz wollen die privaten Kita-Unternehmen freilich nicht sprechen. Auch AcadeMedia-Chef Strömberg nimmt lieber das Wort Vielfalt in den Mund. Die Zusammenarbeit seines schwedischen Konzerns mit den Münchnern von Joki soll aber nicht nur den Eltern etwas bringen.

Auch für potenzielle Mitarbeiter werde ein Unternehmen mit Standorten in mehreren Ländern gleich viel interessanter. Die deutschen Erzieherinnen hätten so die Möglichkeit, auch mal in Schweden oder Norwegen zu arbeiten - eine Aufstiegschance, die selten sei im Kita-Geschäft. Pädagogische Ansätze könnten sich so länderübergreifend befruchten.

Was Strömberg in Deutschland allerdings nicht einführen will, ist das norwegische Mittagessen. "Den Eltern dort reicht es völlig, wenn ihre Kinder ein Sandwich bekommen", sagt er. Da seien die Ansprüche in München schon höher.

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