Süddeutsche Zeitung

Betreuungsplätze:Die Kinder kommen schneller als die Kitas

  • Nach eigenen Angaben gibt die Stadtverwaltung in München pro Einwohner mehr Geld für Kitas aus als jede andere Stadt in Bayern.
  • In München gibt es so viele Betreuungsplätze wie nie. Für Kinder bis zu sechs Jahren sind es insgesamt 66 827 Plätze.
  • Doch München wächst und wächst und rennt dem steigenden Bedarf hinterher.

Von Jakob Wetzel

Höhere Gehälter für Erzieherinnen, eine schnellere Ausbildung und immer neue Kindertagesstätten: Die Stadt bemüht sich nach Kräften, dem notorischen Mangel an Kinderbetreuungsplätzen Herr zu werden. Eine Viertelmilliarde Euro bezahlt sie im Jahr für das Personal in städtischen Kitas. Seit 2014 hat sie knapp 370 Millionen Euro in Neubauten investiert. Nach eigenen Angaben gibt die Stadtverwaltung pro Einwohner mehr Geld für Kitas aus als jede andere Stadt in Bayern. Doch München wächst und wächst - und wie viel die Stadt auch investiert, dem steigenden Bedarf rennt sie hinterher.

Am Mittwoch hat die Stadt Bilanz gezogen und dargelegt, wo sie steht. In München gibt es demnach so viele Betreuungsplätze wie nie. Für Kinder bis zu sechs Jahren gibt es insgesamt 66 827 Plätze, das sind 1099 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Kinder in diesem Alter ist freilich im selben Zeitraum um etwa 1300 gestiegen.

Dennoch sind die Münchner Kinder heute im Schnitt besser versorgt als noch vor einem Jahr. Knapp 45 000 Betreuungsplätze, also etwa zwei Drittel aller Betreuungsplätze in München, sind für Kindergartenkinder ab drei Jahren vorgesehen. Damit sind 93 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe versorgt. Ziel der Stadt ist zwar die Vollversorgung, aber das sind immerhin zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Bei Krippenkindern im Alter von einem bis drei Jahren liegt die Versorgungsquote dagegen bei nur 64 Prozent; im Vorjahr waren es 63 Prozent.

Für diese Kinder besteht seit 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Die Stadt rechnet hier aber mit einem niedrigeren Bedarf: Man befrage die Eltern in den Stadtbezirken, ob sie ihre Kinder in diesem Alter bereits in Betreuung geben wollten, erklärt Susanne Herrmann, die Leiterin des Bereichs Kita im städtischen Bildungsreferat. Auf dieser Grundlage gehe man von einem Bedarf von 65 Prozent aus. Dieses selbst gesteckte Ziel hat die Stadt zumindest fast erreicht.

Sie dürfe nun aber nicht nachlassen, sagte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) am Mittwoch. Der Ausbau der Kita-Infrastruktur habe für die Stadt höchste Priorität, und dabei werde es in den nächsten Jahren auch bleiben. "Wir bauen weiter", versprach sie. "Angesichts der steigenden Kinderzahl bleibt uns auch nichts anderes übrig." Prognosen des Planungsreferats zufolge werde München bis zum Jahr 2035 auf 1,85 Millionen Einwohner anwachsen. Und dazu ändere sich auch die Einstellung der Eltern. Es werde üblicher, kleine Kinder in eine Krippe zu geben, und in immer mehr Familien seien beide Elternteile berufstätig. Der Bedarf an Krippenplätzen wird daher regelmäßig neu ermittelt.

Der Ausbau gelänge dabei schneller, gäbe es in München mehr Platz. In Neubaugebieten könne man von Anfang an genügend Kitas einplanen, sagte Strobl. In der Innenstadt sei das schwierig. Wo wie etwa in Schwabing-West nachverdichtet wird, fehlen die freien Grundstücke, um eine Kindertagesstätte zu bauen. Die Einrichtungen benötigen nicht nur Räume, sondern auch genügend Freiflächen, damit sich die Kinder bewegen können. In Schwabing-West gibt es zurzeit nur für 39 Prozent der Ein- bis Dreijährigen einen Krippenplatz. Im Stadtrand-Bezirk Schwabing-Freimann sind es dagegen 69 Prozent.

Seit 2009 sei das Einstiegsgehalt für Erzieher um 41 Prozent gestiegen

Wenn eine Kita dann steht, stellt sich indes das nächste Problem: Es fehlen Erzieherinnen. Im Jahr 2018 hat die Stadt bislang 241 neue Erzieherinnen und Erzieher eingestellt, dazu 214 Kinderpflegerinnen. Derzeit arbeiten in den städtischen Kitas insgesamt 3285 Erzieherinnen und 1785 Kinderpflegerinnen. 200 Stellen aber seien nach wie vor offen, sagte Susanne Herrmann. Die Zahl bewege sich seit Jahren in dieser Größenordnung. Sie sei daher froh, dass es zumindest gelungen sei, den Mangel halbwegs konstant zu halten. Denn parallel sei die Zahl der Plätze ja gestiegen.

Um Personal zu finden, kooperiert die Stadt längst mit Universitäten in Spanien und Frankreich - und sie buhlt mit einem stattlichen Gehalt um Nachwuchs. Ein Erzieher verdient derzeit bei der Stadt als Berufsanfänger 3248 Euro brutto, das sei fast so viel wie das Einstiegsgehalt eines Architekten mit Bachelor von der Fachhochschule, sagte Bürgermeisterin Strobl. Seit 2009 sei das Einstiegsgehalt für Erzieher um 41 Prozent gestiegen.

Zusätzlich wirbt die Stadt gezielt um Abiturienten. Sie können seit 2016 eine von fünf auf drei Jahre verkürzte Ausbildung zum Erzieher absolvieren und erhalten dabei Geld. Das Interesse an der Ausbildung ist ohnehin da. Die Ausbildungsplätze würden gut nachgefragt, es gebe nur leider viele Abbrecher, sagte Herrmann. Und mehr als 40 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher würden dann später nur in Teilzeit arbeiten, manche nur acht Stunden in der Woche. Jeder, der aufstocken möchte, könne das gerne tun, sagte Herrmann.

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SZ vom 27.09.2018/smb
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