Kinderbetreuung in Giesing:Tausche Kind

Selbst ist die Mama: Weil Babysitter, Krippenplätze und Omas rar sind, haben Eltern in Giesing eine Initiative zur gegenseitigen Kinderbetreuung gestartet.

Sarina Pfauth

Achim Ranz schneidet einen Apfel in Schnitze. Die zweijährige Thalia reckt ihm die Ärmchen entgegen und holt sich das Obst. Dann zieht sie den Puppenwagen weiter in Richtung Sofa. Sie fühlt sich sichtlich wohl hier, die Umgebung ist ihr vertraut. Thalia ist die Tochter einer Freundin von Achim Ranz. Silvia Daub, Thalias Mutter, sitzt am Tisch, vor ihr eine geblümte Tasse mit frisch gebrühtem Kaffee.

Kinderbetreuung in Giesing: Haben das ganze Projekt bislang ehrenamtlich aufgezogen: Silvia Daub, im Bild mit ihrer Tochter Thalia, und Achim Ranz.

Haben das ganze Projekt bislang ehrenamtlich aufgezogen: Silvia Daub, im Bild mit ihrer Tochter Thalia, und Achim Ranz.

(Foto: Foto: Pfauth)

Daub und Ranz, selbst Vater von zwei Kindern im Alter von drei und fünf Jahren, haben eine Initiative gegründet, und deren Ziel ist an diesem Vormittag ganz gut zu beobachten: Die beiden wünschen sich, dass Familien in Giesing sich kennen lernen, Vertrauen fassen und sich im Alltag und bei der Kinderbetreuung gegenseitig unterstützen. Freundschaften wie die zwischen ihren beiden Familien sollen im ganzen Stadtteil wachsen.

Ranz, 38, und Daub, 39, sind seit ihrer Jugend gute Freunde, seit knapp drei Jahren wohnen beide mit ihren Familien in Giesing - und beide haben den Wunsch, noch weitere Familien im Stadtteil kennen zu lernen. Es war das eigene Bedürfnis nach Kontakt, das die Erzieherin und den Sozialpädagogen auf die Idee gebracht hat, die Initiative "Familien verbinden" zu gründen.

Wenig Geld und keine Oma

Wer neu in den Stadtteil zieht und in der Umgebung weder enge Freunde noch Verwandte hat, der tut sich vor allem schwer, spontan eine Betreuung zu finden, sagen die beiden. Insbesondere dann, wenn das Geld zu knapp ist, um einen Babysitter zu bezahlen: ein kurzfristiger Termin, wenig Geld und keine Oma in der Nähe - da ist man ganz schön aufgeschmissen.

Es soll aber kein schneller Babysitter-Service sein, den Silvia Daub und Achim Ranz in Giesing aufziehen wollen, es geht den beiden um längerfristige Beziehungen, um Freundschaften. Sie selbst wollen ihre Kinder jedenfalls nicht an der nächstbesten Haustür abgeben: "Da muss Vertrauen wachsen". Zu diesem Zweck organisieren Ranz und Daub sogenannte Kontaktfrühstücke, bei denen sich interessierte Familien aus dem Stadtteil einmal im Monat am Samstagvormittag treffen können.

Vier solcher Frühstücke gab es bereits. Bei den Treffen werden die Initiative und die Familien vorgestellt, danach gibt es eine kurze moderierte Austauschrunde. Vor allem aber soll genügend Zeit sein, damit die Frühstücksteilnehmer andere Eltern und ihre Kinder kennen lernen können. Denn, erzählt Silvia Daub: "Es gibt ein großes Kommunikationsbedürfnis".

Auch für berufstätige Eltern

Über E-Mail bleiben die Familien in Kontakt - und informieren sich gegenseitig, wenn jemand einen Ausflug plant. Einige gemeinsame Aktionen gab es schon: Einen Besuch in einer Foto-Ausstellung beispielsweise, wo abwechselnd ein Elternteil sich um die Kinder gekümmert hat, die anderen konnten in aller Ruhe durch die Ausstellung streifen. "Kultur genießen und die Kinder sind in der Nähe und gut versorgt - das macht Spaß", findet Achim Ranz. Gemeinsam besuchten einige Familien die Kinder- und Jugendfarm in Ramersdorf, ein andermal statteten sie dem Indoor-Spielplatz in der Au einen Besuch ab. Diese Ausflüge schätzt Ranz besonders: "Da kann man als Familie etwas entdecken, die Stadt kennen lernen."

Auch für berufstätige Elternteile

35 Familien haben bislang schon an den Treffen teilgenommen, viele von ihnen waren bereits mehrmals dabei. Das Publikum ist bunt: Nationalitäten, Berufe und Bildungsstand sind extrem unterschiedlich, manche Mütter und Väter sind alleinerziehend, andere kommen als Paare zu den Treffen. Bewusst wurde jedenfalls der Samstag als Frühstückstag ausgewählt - um auch berufstätigen Elternteilen die Chance zu geben, dabei zu sein. Auffällig ist, dass viele binationale Paare sich einladen ließen - zu den Frühstücksgästen zählen Mütter und Väter, die ursprünglich aus den USA, Rumänien, Spanien, Italien, Finnland und mehreren afrikanischen Staaten kommen.

In Giesing ist das Angebot an Kleinkindbetreuung noch sehr überschaubar: Während es im Münchner Durchschnitt Krippen- und Tagesbetreuungsplätze für 27,1 Prozent der Null-bis Dreijährigen gibt, liegt die Versorgung in Giesing nur bei 21,3 Prozent. Silvia Daub ist außerdem aufgefallen, dass bei der Vergabe von Krippenplätzen oft der Status der Eltern eine Rolle spielt - diejenigen mit festem Arbeitsplatz und gesichertem Stand haben es einfacher, eine Kinderbetreuung zu finden, denkt sie.

Überhaupt, findet sie, spielt der Status in München eine zu große Rolle: "Da leidet das Menschliche, man bekommt Angst, sich jemand anzuvertrauen." Bei "Familien verbinden" soll der Status hingegen keine Rolle spielen: "Wir fragen nicht im zweiten Satz, was jemand arbeitet", sagt Silvia Daub. Und auch, wenn einer keine Arbeit hat, ist es willkommen: "Wir schauen darauf, dass alle Angebote gratis oder ganz günstig sind", erzählt die Initiatorin.

"Familien verbinden" wird zwar vom Giesinger Stadtteilladen finanziell und organisatorisch unterstützt, beispielsweise bei der Suche nach Räumen für die Frühstückstreffen. Silvia Daub und Achim Ranz haben das ganze Projekt bislang aber ehrenamtlich aufgezogen. Auf Dauer wird das schwierig, denken beide, denn je mehr das Projekt wächst, desto zeitintensiver wird die Organisation. Wie sie "Familien verbinden" in Zukunft mit Beruf und Familie unter einen Hut bringen, wissen die beiden noch nicht so genau. Sie stecken aber schon voller Ideen für die Zukunft: Ihr nächstes Ziel ist es, eine Website zu launchen, auf der Familien aus ganz München Kontakte knüpfen können.

Weitere Informationen zu "Familien verbinden. Gegenseitige Kinderbetreuung Giesing" gibt es unter Tel. 089-127 11 920 oder per E-Mail familienverbinden@gmx.de. Die Familienfrühstücke finden am 16.Mai, 20. Juni, 18. Juli, 26. September, 17. Oktober und 14. November statt, Ort und Uhrzeit stehen noch nicht fest. Das Frühstück kostet für Erwachsene 2 Euro, für Kinder 1 Euro. Alle Termine und Infos auch unter stadtteilladen-giesing.de.

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