Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuer gesucht:Häuser ohne Hüter

Die Stadt München baut die Kapazitäten in der Kinderbetreuung stetig aus. Aber woher soll das Personal dafür kommen? Private und freie Kita-Träger suchen dringend Personal für ihre Krippen.

Von Melanie Staudinger

Patricia Pfetscher denkt ungern an das Ende des vergangenen Kindergartenjahres zurück. Nicht weil es ihrem Sohn schlecht ergangen wäre in seiner Kita. Im Gegenteil. Pfetscher empfand die Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen als sehr kompetent, nett und engagiert. Das Problem war nur: Es gab zu wenige davon. Wegen des Personalmangels sollten im August nur die Kinder kommen, die wirklich nicht privat betreut werden konnten, im September dann schloss der Träger sogar eine Gruppe. "Kurze Zeit hatten wir schon befürchtet, dass der Kindergarten ganz zumacht", sagt Pfetscher.

So weit kam es nicht, doch die Sorge bei vielen Eltern bleibt: Die Stadt baut die Kapazitäten in der Kinderbetreuung stetig aus. Alleine bis 2015 soll es fast 5200 Plätze mehr für Ein- bis Dreijährige und 4300 Plätze mehr für Drei- bis Sechsjährige geben. "Aber woher soll das Personal dafür kommen?", fragt sich Pfetscher. Die Stadt München hat das Fachkräfteproblem in ihren eigenen Einrichtungen vorerst in den Griff bekommen. Sie investierte Millionen Euro in Werbeaktionen, stockte die Ausbildungskapazitäten auf, lockte mit Schnupperwochenenden und Angeboten für Seiteneinsteiger. Stadtschulrat Rainer Schweppe meldete vergangene Woche, dass alle Planstellen besetzt seien. Nur Springer würden noch gesucht.

Viele der freien und sonstigen Träger, suchen hingegen weiter händeringend nach Personal. Sie betrieben den Großteil der Einrichtungen, im Krippenbereich etwa sind nur gut 3100 von 13.500 Plätzen in städtischen Einrichtungen angesiedelt. "Die Situation ist extrem schwierig", sagt Benjamin Tajedini, Mitglied im Vorstand des Dachverbands Bayerischer Träger für Kindertageseinrichtungen. Noch gebe es Fachkräfte, jedoch fehle den meisten die Erfahrung, weil sie frisch aus der Ausbildung kämen. Früher, so berichtet der Betreiber der Infanterix-Kitas in München, habe es vier bis sechs Monate gebraucht, bis eine neue Einrichtung voll belegt werden konnte. "Heute brauchen wir manchmal bis zu einem Jahr, weil wir zu wenig Personal für alle Gruppen haben."

Das sind Schwierigkeiten, die auch Marion Ivakko gut kennt. "Natürlich haben wir offene Stellen, die wir gerne besetzen würden", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Kreisverbands des Bayerischen Roten Kreuzes. Die Folge: Manche Gruppen nehmen weniger Kinder auf, damit der gesetzliche Betreuungsschlüssel erfüllt wird. Ein paar Gruppen mussten zusammengelegt, seltener eine Gruppe komplett geschlossen werden. "Das tut uns vor allem deshalb leid, weil wir dann keine Geschwisterkinder aufnehmen können und es extrem umständlich für die Eltern wird", sagt Ivakko.

Das BRK hat ähnlich wie andere Träger versucht, Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Allerdings seien bei den meisten Bewerberinnen die Sprachkenntnisse unzureichend. "Wir haben einen hohen Migrationsanteil in München und brauchen daher Mitarbeiter, die sehr gut Deutsch sprechen, damit sie die Kinder auch fördern können", sagt Ivakko. Sie sieht nur einen Ausweg: Es müssten mehr Erzieher und Kinderpfleger ausgebildet werden. Attraktiver könnte der Job durch eine Verkürzung der fünfjährigen Ausbildung werden, durch mehr Gehalt oder Aufstiegschancen, die auch in anderen sozialen Bereichen möglich seien. Derzeit bekommt ein Berufseinsteiger bei der Stadt München etwa 2500 Euro brutto, bei gewinnorientierten privaten Kitas kann das Gehalt höher sein, bei gemeinnützigen freien Trägern eher niedriger.

Auch Christian Müller, Fachbereichsleiter für die Kindertagesstätten bei der Caritas in München, würde sich mehr Bewerber wünschen. Auch er muss hin und wieder Gruppen schließen oder kann neue erst gar nicht aufmachen. Die Caritas biete von der Bezahlung her ähnliche Bedingungen wie die Stadt München. Deren Werbeaktionen sieht er nicht grundsätzlich als Konkurrenz. "Wir konkurrieren um Einzelpersonen, aber es geht ja allgemein darum, ein positives Berufsbild zu vermitteln", erklärt Müller. Wenn die Stadt dies tue, profitierten auch die anderen Träger davon.

Für Monika Ullmann, pädagogische Referentin beim Montessori-Landesverband, bringt der Personalmangel sogar Vorteile für die einzelnen Kitas. "Sie müssen ihr Profil schärfen, um attraktiv für Beschäftigte zu werden, die jetzt auch früh am Morgen und bis spätabends arbeiten sollen", sagt sie.

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SZ vom 30.09.2013/wib
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