Kiesabbau:Broschüre für die Skeptiker

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"Beitrag für den Klimaschutz": Das Kieswerk Glück startet eine Offensive, die die Abbaugegner überzeugen soll

Von Johannes Korsche, München

Das Kieswerk Glück geht in der Debatte um den Kiesabbau im Würmtal in die Offensive. Eine Broschüre, voll mit Argumenten, die in den Augen des Kieswerks für den regionalen Abbau des mineralischen Rohstoffs sprechen, lässt das Gräfelfinger Unternehmen mit dem Würmtaler Informationsblatt in mehreren Gemeinden verteilen. In einer Auflage von 19 200 Exemplaren hat Glück die Broschüre drucken lassen, die alle Neurieder, Gräfelfinger, Lochhamer, Planegger, Kraillinger, Pentenrieder und Frohnloher spätestens am Wochenende erreichen soll.

Damit deckt die Aktion jene Gemeinden ab, die aktuell vom Kiesabbau im Forst Kasten und dem Martinsrieder Feld betroffen sind oder von der Auskiesung der Dickwiese betroffen sein könnten. Glück will mit der Broschüre betonen, dass die regionale Kiesgewinnung "ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz" sei, wie es fettgedruckt schon auf der ersten Seite steht. Auch Bernhard Kling, Geschäftsführer des Bayerischen Industrieverbands Baustoffe, Steine und Erden meldet sich nun zu Wort. Der Verband vertritt die rohstoffgewinnenden und -verarbeitenden Betriebe in Bayern.

Den Kies aus dem Forst Kasten transportieren die Kieswerke Glück mit einem unterirdischen Förderband auf ihr Gelände in Gräfelfing. Dort kommt das Fließband wieder an die Oberfläche. (Foto: Catherina Hess)

Damit reagiert die Branche auf den wachsenden Widerstand gegen den Tagebau im Würmtal. Als die Heiliggeistspital-Stiftung ein neues Gebiet zum Kiesabbau europaweit ausschrieb, gründete sich die Bürgerinitiative "Wald Neuried erhalten", die seither mit regelmäßigen Aktionen gegen den Kiesabbau trommelt. Und damit zumindest die politische Meinung drehte. So hat sich der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter - die Stadt München verwaltet die Heiliggeistspital-Stiftung - bereits im Juli zitieren lassen, dass er "große Sympathie" dafür habe, "die Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks künftig in anderer Form zu erwirtschaften". Auch die Stadtrats-SPD sowie zwei an das Würmtal angrenzende Münchner Bezirksausschüsse fordern, keinen Kies mehr aus der Würmtaler Erde zu buddeln. Erst vergangenen Monat hatten sich die Gemeinderäte von Krailling und Gräfelfing gegen einen Kiesabbau auf der "Dickwiese" ausgesprochen. In Planegg formiert sich ebenso Widerstand gegen neue Abbaugebiete.

Dabei ist das Gräfelfinger Unternehmen auf neue Abbauflächen angewiesen, die "gesicherten Gewinnungsflächen reichen bei gleichbleibender Produktion für rund sieben Jahre", informiert Glück. In diese Stimmung hinein platziert das Kieswerk Glück nun also die Broschüre. Dafür hat es sich namhafte Unterstützer geholt, das mit Krisenkommunikation erfahrene Marketingbüro "Heller und Partner", zu dessen Kunden unter anderem der Münchner Flughafen und Ikea gehören.

Denn, so heißt es in dem Flyer, in der Debatte der vergangenen Monaten sei vieles "einseitig, verkürzt oder schlicht nicht zutreffend dargestellt" worden. Ein Hauptkritikpunkt, wonach durch das Abholzen des Waldes ein schützenswerter Kohlenstoffdioxid-Speicher am Rande von München verschwinde, greife demnach zu kurz. Viel eher sei die Lage der Abbaugebiete ein großer Pluspunkt. Sie bedeute wesentlich weniger Verkehr für den Transport des Betons, der unter anderem aus dem Kies hergestellt wird, zu den Baustellen Münchens. Würden die circa 700 000 Tonnen Kies und Sand, die Glück jährlich aus dem Boden gräbt, nur 50 Kilometer weit transportiert werden, fielen sechs Tonnen Kohlenstoffdioxid an. "Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, muss die gesamte Ökobilanz eines Produkts betrachten", argumentiert Glück.

Jährlich benötige München samt umliegender Gemeinden etwa 15 Millionen Tonnen Kies und Sand, sagt Bernhard Kling. "Das ist im Prinzip der Grundstoff für die Stadtentwicklung." Beton, zum Beispiel, besteht zu etwa 80 Prozent aus Kies oder Sand, der mit Zement und Wasser gemischt wird. Stellt man nun die Kiesgewinnung im Münchner Raum ein, "würde das nicht dazu führen, dass nicht mehr gebaut wird", sagt Kling. Das Bauen würde nur teurer, der Transport des Betons länger und damit klimaschädlicher, so die Rechnung der Tagebauer. Außerdem, rechnet Kling vor, wird etwa ab dem 50. Kilometer der Transport teurer als der Kies selbst, der pro Tonne etwa 10 Euro kostet. Die wirtschaftliche und ökologische Lösung sei der regionale Kiesabbau.

Auch das Argument, dass durch die riesigen Kiesgruben Lebensraum für Tiere und Insekten verloren geht, ist laut Glück und Kling nicht ganz korrekt. Sie berufen sich beide auf den Landesbund für Vogelschutz, der die Bedeutung der Kiesgruben für die Artenvielfalt herausstellt. So sei der Flussregenpfeifer, von dem laut Naturschutzbund Deutschland in ganz Deutschland noch maximal 6 800 Paare brüten, auf Kiesgruben angewiesen. Ebenso wie sogenannte Pionierpflanzen. "Aus unserer Sicht geht Rohstoffabbau und Naturschutz Hand in Hand", sagt Kling. Zumal nach der Auskiesung auf den Flächen wieder Wald gepflanzt werde. Gerade die Dickwiese könnte daher von dem Kiesabbau profitieren, argumentiert Glück. Die dortige Fichtenmonokultur sei ohnehin "stark beschädigt". Nach dem Abbau sei mit einem "artenreichen Mischwald" zu rechnen. Auf "längere Sicht betrachtet ist der neue, artenreichere Wald wertiger". Ob sich die Kiesgegner davon überzeugen lassen, ist allerdings sehr fraglich. Warten sie doch im Forst Kasten schon jahrelang auf die Wiederauffüllung einer ehemaligen Kiesgrube.

© SZ vom 23.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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