Kritik:Sinnliche Dialektik

Die Pianistin Khatia Buniatishvili begeistert bei ihrem Konzert in der Isarphilharmonie mit harten Kontrasten und Spaß am Destruktiven.

Von Rita Argauer

Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili hat sich schon immer abgesetzt von den wohlspielenden Klaviersternchen. Dass sie mit ihren Interpretationen etwas anderes als musealen Schönklang will, zeigt sie nun in aller Konsequenz in der Isarphilharmonie. 90 Minuten ohne Pause.

Am Anfang Schuberts bewegendste, aber auch komplizierteste Sonate: B-Dur, D 960. Die zwischen emotionalen Extremen schwankende Musik treibt Buniatishvili bewusst auseinander. Weicher, wattiger Schönklang in der Exposition. Absetzen. Dunkle Triller im Bass. Eine Figur, die sich wiederholt und die Buniatishvili nicht als Unterbau zum Hauptthema begreift, sondern wie eine dunkle Wolke exponiert.

Das folgende Andante dehnt sie im Tempo bis an die Grenzen, gibt der Musik eine gläserne Zerbrechlichkeit. Die Spannung darin zu halten schafft Buniatishvili gerade so, bevor ihr die musikalische Form auseinanderzufallen droht. Das charmante Thema im Scherzo verschwindet fast unter hart gespielten Läufen. Sie haut synkopische Betonungen in die Bässe, mit denen sie sich dann auch das Finale zu eigen macht. Es geht ihr nicht um Schönklang, sondern um Dialektik. Das macht sie mit der Schubert-Sonate, die auch das Hauptwerk dieses Klavierabends ist, klar.

Anschließend zieht sie Schuberts sanftes Impromptu op. 90/3 mit Liszts Serenade nach Schuberts "Ständchen" und dessen "Ungarischer Rhapsodie Nr. 2" in einer Bearbeitung von Horowitz und Buniatishvili selbst zu einer Art zweiten Sonate zusammen. Sie stellt Schuberts volkstümlich schöne Themen in harten Kontrast zu Tempi und Spielweisen, um dann mit viel Spaß am Destruktiven den Charme von Dissonanzen in Liszts Rhapsodie herauszuholen. Die technische Irrwitzigkeit des Horowitz-Arrangements treibt ihr Arrangement noch weiter in einen tonalen Wahnwitz. Doch wie gut so ein bisschen Avantgarde im Gassenhauer sein kann! Und was für eine mitnehmende, sinnliche und trotzdem kluge Einstellung zu dieser alten Musik hier aufkommt.

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