Archäologische Ausstellung in München:Die Kelten – brutale Krieger oder intellektuelle Philosophen?

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Dieser Achsnagel mit menschlichem Kopf ist in der Archäologischen Staatssammlung zu sehen. (Foto: Archäologische Staatssammlung, Manfred Eberlein)

Viele haben eine Vorstellung davon, wer „die Kelten“ waren. Doch vieles, was über sie kursiert, entspringt dem Reich der Mythen. Das Keltenwochenende der Archäologischen Staatssammlung verspricht Aufklärung – muss aber ohne den Schatz von Manching auskommen.

Von Dana-Marie Luttert, Susanne Hermanski

Im Jahr 4524 werden es die Archäologen der Zukunft wohl nicht schwer haben zu rekonstruieren, wie die Menschen des frühen dritten Jahrtausends lebten. Immerhin schreiben wir heutzutage Bücher, wir nehmen sogar von unserem Fast-Food-Mittagessen unzählige Fotos auf, wir drehen Videos noch von der kleinsten Regung in unserem Sein. Zudem wandern all diese Daten ins Internet, diesen elektronischen Ort, der scheinbar nie vergisst. Auch wenn es in 2500 Jahren ganz andersartige Datenspeicher geben wird.

Die Kelten aber haben – anders als andere Kulturen vor und in ihrer Zeit – wenig aufgezeichnet, und das ist in diesem Fall im ursprünglichen Sinn des Wortes gemeint. Das erste Jahrtausend vor Christus sei „eine Zeit, in der es ganz wenige Schriftquellen gibt“, erklärt Holger Wendling, Experte für die Eisenzeit an der Archäologischen Staatssammlung in München. „Über die Kelten kursieren ominöse Geschichten, von Menschenopfern, die sie gebracht haben sollen, dass sie von brutalen Kriegern bis hin zu intellektuellen Philosophen alles gewesen seien.“ Doch weder das eine noch das andere stimme.

Beim Keltenwochenende in der Archäologischen Staatssammlung geht es am 14. und 15. September darum, etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen. Und ansprechen soll das Programm „Alle, von 3 bis 99 und älter!“, sagt Wendling. Bei Workshops, Mitmachaktionen und Führungen können Groß und Klein lernen, wie die Menschen zu Beginn der Eisenzeit tatsächlich gelebt haben, was sie gegessen und getragen haben und auch, wie sie ihre Feste feierten.

„Man hört ja viel von ,den Kelten‘ ohne dass irgendjemand weiß, was das bedeutete“, sagt der Wissenschaftler. Die Aufgabe des Museums sieht er darin, aus den archäologischen Funden kritisch eine Lebensrealität zu rekonstruieren. Einen mittelbaren Zugang zu den Kelten bekommen die Forscher durch Werkzeuge, Waffen und Alltagsgegenstände, wie Keramiktöpfe. Dafür forscht Holger Wendling in einer der wichtigsten Keltensiedlungen, die heute europaweit bekannt sind: dem Oppidum in Manching bei Ingolstadt, einem ehemals riesigen städtischen Konglomerat von Häusern, Höfen und etwa Produktionsstätten von Schwertern.

Bekannt wurde die Siedlung, in der Wendling und seine Kollegen so gut das urbane Leben der Kelten erforschen können, nicht zuletzt durch den spektakulären Goldraub. Bei diesem wurde im November 2022 ein einzigartiger Schatz von Münzen mit brachialer Gewalt aus dem Zweigmuseum im Manching gestohlen. Nur ein Teil der aus einer zertrümmerten Vitrine geraubten Beute wurde wiedergefunden – eingeschmolzen.

Erst an diesem Dienstag ist Anklage erhoben worden gegen die mutmaßlichen Täter, eine Bande aus Brandenburg. 500 Gramm des etwa 3,7 Kilogramm schweren Goldschatzes sind bei einem der Angeklagten gefunden worden, in Form von um ihre historische Gestalt gebrachte Klumpen. Über den Verbleib der übrigen Goldmünzen wird weiterhin gerätselt.

Die Forschungsergebnisse der Archäologen zum Leben der Kelten werden von nun an aber nicht nur in Museen gezeigt. Die Archäologische Staatssammlung bietet auf ihrer Website auch eine virtuelle Ausstellung in Form eines Spiels an. Darin werden die Nutzer in die Welt der Kelten entführt, in der sie Fragen beantworten und keltische Gegenstände identifizieren müssen. Am Ende gelangen sie zum Schatz – ganz ohne Stemmeisen und Vorschlaghammer.

Nachhaltigkeit lag den Kelten fern

Interessant ist aber beileibe nicht nur das Gold der Kelten. Wendling betont, es gelte nicht nur über die Kelten zu lernen, sondern auch von ihnen. Etwa in Form eines abschreckenden Beispiels. Denn ganz im Gegenteil zu dem, was einige Esoteriker behaupten, haben die Kelten nicht im „Einklang mit der Natur“ gelebt. Nachhaltigkeit lag ihnen fern. Sie haben intensiv Eisenerz und Bronzemineralien abgebaut und damit massiv in die Ökologie eingegriffen.

„Sie haben die Natur ausgebeutet bis zum Gehtnichtmehr. Sie haben Holz geschlagen, bis kein Baum mehr übrig war“, sagt Wendling. Aus diesem Verhalten entstanden ökologische, ökonomische und soziale Krisen, die am Ende womöglich auch zum Aus für das Manchinger Oppidum geführt haben.

Wer die frisch renovierte Archäologische Staatssammlung seit ihrer Wiedereröffnung im April noch nicht gesehen hat, dem bietet das Keltenwochenende doppelt Anlass, dies nachzuholen. Denn auch die Dauerausstellung des Hauses und seine überarbeitete Architektur sind Gold wert.

Keltenwochenende der Archäologischen Staatssammlung, 14. bis 15. September, zum Teil Anmeldung erforderlich, Infos auf www.archaeologie.bayern/erleben/veranstaltungen/

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