Gericht lehnt Sicherungsverwahrung für Westparkmörder ab:Wenn das Recht an seine Grenzen stößt

1993 erstach er in München einen Jogger - aus purer Mordlust. Wie gefährlich ist der sogenannte Westparkmörder heute? Lange haben Experten darüber gestritten. Jetzt hat das Münchner Landgericht eine Sicherungsverwahrung abgelehnt. Frei kommt der 36-Jährige vorerst dennoch nicht: Weil er eine Richterin als Hure beschimpfte, hat die Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragt.

Christian Rost

Der sogenannte Westparkmörder darf nicht dauerhaft weggesperrt werden. Das Landgericht München I lehnte am Montag die nachträgliche Sicherungsverwahrung des 36-jährigen Gorazd B. ab. Der Mann, der 1993 im Alter von 18 Jahren im Westpark aus Wut und Mordlust einen Jogger erstochen hatte, bleibt dennoch vorerst in Haft. Weil er eine Richterin beleidigt hatte, beantragte die Staatsanwaltschaft Haftbefehl.

Dies ist der letzte Versuch der Ankläger, B. doch noch hinter Gittern zu behalten. Für das Urteil der 10. Strafkammer waren die jüngsten Grundsatzentscheidungen zur Sicherungsverwahrung sowie das Gefährdungspotenzial des Häftlings maßgeblich.

Der Vorsitzende Richter Stephan Hock nannte die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Voraussetzungen für die dauerhafte Unterbringung von Aggressionsstraftätern "kaum erfüllbar". So hätte man im Fall des Slowenen B. eine "hochgradige Gefährdung" sowie "eine schwerste psychische Störung" nachweisen müssen - was verlässlich nur bei Sexualstraftätern möglich sei. Eine klare Risikobewertung wollte das Gericht nicht abgeben - selbst Experten taten sich schwer mit dem Mann.

"Tickende Zeitbombe"

Die drei mit dem Fall B. befassten Gutachter hatten sich teils vage und im Ergebnis völlig unterschiedlich im Prozess geäußert: Ein Kriminologe attestierte dem verurteilten Mörder eine "positive" Entwicklung. Ein Psychiater wollte sich nicht festlegen auf eine Prognose, ein anderer Psychiater indes hielt neuerliche Gewalttaten des 36-Jährigen für wahrscheinlich, sobald der Mann wieder in Konfliktsituationen komme. B. sei ein "sekundärer Psychopath", so der Sachverständige Henning Saß.

Doch auch dieser bundesweit gefragte Experte wagte letztlich nicht zu sagen, wie wahrscheinlich es sei, dass B. wieder schwer ausrasten wird. Der frühere Münchner Mordermittler Josef Wilfling hatte das Gericht als Zeuge gewarnt, B. jemals freizulassen. Dieser sei eine "tickende Zeitbombe".

Psychiater Saß betonte allerdings, es komme ganz auf die Lebensumstände an, wie B. sich in den nächsten Jahren entwickeln werde. Richter Hock folgerte aus den unterschiedlichen Gutachten: "Die Grenzen der Psychologie und Kriminologie sind erreicht." Die Kammer lehnte nicht nur den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Sicherungsverwahrung ab, sondern sprach B. auch rund 10.000 Euro Haftentschädigung zu.

Der Mann, der wegen des Mordes an dem Architekten Konrad H., 40, einst zur Jugendhöchststrafe von zehn Jahren Haft verurteilt wurde und mittlerweile seit 14 Jahren im Gefängnis sitzt, müsste nach diesem Urteil unverzüglich in sein Geburtsland Slowenien abgeschoben werden. Die Staatsanwaltschaft will ihn aber keinesfalls ziehen lassen. Weil B. während des Prozesses eine Richterin "Kurva" (Hure) genannt hatte - sie las gerade aus seinen Briefen an eine Ex- Freundin vor -, soll er wegen Beleidigung in Haft bleiben.

Damit wollen die Ankläger offenbar Zeit gewinnen, bis über ihre Revision gegen das Urteil des Landgerichts zur Sicherungsverwahrung beim Bundesgerichtshof entschieden ist. B. verließ am Montag siegesgewiss den Saal. Er tat, was er noch nie getan hatte vor Gericht: Er lächelte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: