Der unbewegliche Abzug verrät die Fälschung. Ansonsten aber sieht das Holzgewehr, das Bernd Wengert im Gesellschaftshaus des forensischen Kbo-Isar-Amper-Klinikums probeweise schultert, täuschend echt aus. Wengert jedenfalls freut sich: "Die Schreinerei hier baut das Gewehr und die Schlosserei macht den Lauf. Mit allem drum und dran, das ist unglaublich."
Insgesamt sechs nachgebildete Gewehre hat der Regisseur bei den arbeitstherapeutischen Werkstätten der Klinik in Auftrag gegeben. Zum Einsatz kommen sie am Donnerstagabend, wenn das von Wengert neu inszenierte Stück "Der Hauptmann von Köpenick" seine Premiere feiert. Ausgewählt hat Wengert Carl Zuckmayers Klassiker Stück vor allem deshalb, weil er anfangs davon ausging, dass darin nur Männerrollen vorkommen - perfekt geeignet für die ausschließlich männlichen Patienten der Klinik in Haar. Erst später fielen ihm dann die vier Frauenpartien auf, die nun von Mitarbeiterinnen übernommen werden: Insgesamt sieben Mitarbeitende und über 20 Patienten der forensischen Psychiatrie werden auf der Bühne zu sehen sein. Bei letzteren handelt es sich um Menschen, die sich für zunächst unbestimmte Zeit in stationärer Behandlung befinden, nachdem sie straffällig geworden und vom Gericht als vermindert oder nicht schuldfähig eingestuft worden waren.
Sieben Wochen harte Probenarbeit
Warum sie dort gelandet sind, spielt für Wengert keine Rolle. "Die Akte, die sie hier haben, ist für mich uninteressant. Mich interessiert, wie sie auf der Bühne funktionieren", sagt er. Der Schauspieler und Regisseur arbeitet zum zehnten Mal mit der forensischen Psychiatrie zusammen. Fast jedes Jahr studiert er für rund sieben Wochen mit einer Gruppe von Patienten ein neues Stück ein. In dieser Zeit probt das Ensemble nahezu täglich, wodurch der klinische und therapeutische Alltag der Darsteller schon einmal durcheinandergerät. Die Klinikmitarbeiter bemühen sich, in dieser Zeit flexibel zu planen, um das Theaterprojekt so gut wie es geht zu ermöglichen.
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Auch für die Patienten ist das hohe Pensum herausfordernd, sagt Wengert: "Da muss man schon was schultern. Das ist richtig Arbeit, mit aller Ernsthaftigkeit und Professionalität." Wengert ist kein Theaterpädagoge, für ihn steht weniger der therapeutische Mehrwert als viel mehr das künstlerische Endergebnis im Vordergrund. Methodisch unterscheide sich seine Arbeit mit der Gruppe wenig von anderen Produktionen, sagt er: "Ich arbeite genauso seriös, und das kommt auch zurück. Ich betüdele hier niemanden."
Trotzdem - oder gerade deshalb - findet das Projekt unter den Klinikmitarbeitern viel Zuspruch. Eine von ihnen ist die Psychologin Susanne Hecht, die in diesem Jahr zum ersten Mal selbst auf der Bühne stehen wird und in dem Projekt ein hohes therapeutisches Potenzial sieht. Abseits der Bühne arbeitet sie in der klinischen Ambulanz des Hauses. Im Alltag sei es manchmal nicht ganz einfach, Patienten mit Konzentrationsproblemen zur Ruhe zu bringen, sagt sie: "Wenn Bernd aber sagt: ,Steh mal stramm, Du bist doch ein preußischer Offizier', dann hat das eine ganz andere Wirkung."
Kurz vor der Premiere steigt der Druck im Ensemble, hochkonzentriert bereitet sich die Gruppe zurzeit auf ihre erste Vorstellung vor. Neben ihrer schauspielerischen Leistung sei die diesjährige Gruppe besonders hartnäckig, so Wengert: "Es gibt echt auch Talente, aber viel wichtiger ist ihre Bereitschaft, sich durchzubeißen." Belohnt werden sollte das spätestens am Donnerstag, an dem die bereits ausgebuchte Premiere Großes verspricht.
"Der Hauptmann von Köpenick", 30. und 31. 3., 18 Uhr, Gesellschaftshaus des Kbo-Isar-Amper-Klinikums, Reservierung unter Tel. 0152 2269 3622. Nächste Vorstellung am 9. 5., 19 Uhr, Kleines Theater, Casinostraße 75, Haar, Karten unter Tel. 089 890 569 811.