Die erstaunliche Pop-Karriere von Kati K:Mit Liebeskummer in die Charts

Lesezeit: 6 Min.

„Ich liebe es, mein Leben zu teilen“, sagt Katja Keuter, die sich als Sängerin Kati K nennt. Knapp 500 000 Menschen folgen ihr bei Instagram, bei Tiktok sind es 1,5 Millionen. (Foto: Jakob Marwein)

Als Kind stotterte Katja Keuter – außer, wenn sie sang. Heute macht sie Musik über „Heartbreak-Zeugs“, hat einen Plattenvertrag, erreicht 1,5 Millionen junge Fans alleine bei Tiktok. Und vielleicht ist das Geheimnis ihres Erfolgs: Wie normal sie ist. 

Von Michael Bremmer

17 000 jubelnde Menschen können sehr laut sein. Kati K, 25, betritt die Freilichtbühne in Berlin-Wuhlheide, das Publikum kreischt. Die Sängerin streckt ihren linken Arm in die Höhe, singt die erste Strophe von „Erwischt“, eine neu getextete Prinzen-Coverversion, das Publikum grölt mit – Rapper Finch steht oberkörperfrei am Bühnenrand, wippt mit, steigt in das Duett ein.

Und was macht Kati K, wie sich Katja Keuter als Sängerin nennt, in diesem Moment? Sie steht abgeklärt auf der Bühne, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht, als leicht breitbeinig mit einem Mikro in der Hand vor einer Menschenmasse zu stehen. Dabei hatte sie früher nie in einer Band gespielt. Okay, sie sang in einem Chor mit einem Auftritt beim eigenen Abi-Ball. Aber jetzt ein Duett mit Finch, aktuell einer der gefragtesten jungen Musiker in Deutschland?

Auf Anhieb hat die junge Frau aus München einen Plattenvertrag bei Sony-Ariola erhalten. Ihr erstes Album ist in den Top-Ten der deutschen Charts gelandet. Und ihre Lieder wurden alleine bei Spotify öfter als 100 Millionen mal abgespielt. Wie geht das?

Und noch eine Frage stellt sich: Warum gibt es eigentlich bei nahezu jeder Show von ihr einen Heiratsantrag auf der Bühne?

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Ein Treffen im Café Kosmos in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs. Katja Keuter kommt voll bepackt mit Taschen zum Gespräch, zuvor war sie bei einem Influencer-Termin in München. Sie spricht leise, wirkt schüchtern. Keine Spur von Popstar-Gehabe, kein Glamour, kein bisschen abgehoben, nur weil ihre Lieder millionenfach abgerufen werden. Sie trägt schwarze Cowboystiefel zu einem grauen Faltenrock, dazu einen grünen Sweater einer Berliner Modemarke. Ihre rosafarbenen künstlichen Fingernägel haben einen roten Rand, am Ringfinger mit zwei aufgemalten Kirschen – das fällt auf, so außergewöhnlich ist das aber auch nicht.

Katja Keuter ist ziemlich normal. Und genau das ist das Geheimnis ihres Erfolgs. Als Kati K spielt sie eingängigen, deutschsprachigen Schlager-Pop. Massentauglich. Kommerziell. Wie gemacht für den ZDF-Fernsehgarten.

Aufgewachsen ist Katja Keuter in Neuwied in Rheinland-Pfalz. Schon von klein auf stand bei ihr die Musik im Mittelpunkt. Das sagen Musikerinnen und Musiker gerne in Interviews. Bei der Sängerin stimmt es zumindest dahin gehend, dass ihre Großmutter Musiklehrerin war und ihre Mutter nach wie vor Musikunterricht gibt. Dass sie schon in jungen Jahren Klavierspielen lernte. Und dass sie von klein auf im Chor sang.

Als Kind stotterte Katja Keuter – und da es mit dem Sprechen häufig nicht so funktionierte, sang sie, um sich zu verständigen. Etwa beim Bäcker, wenn sie die Brötchen fürs Frühstück bestellte. „Ich hatte keine Probleme beim Singen, das war das Komische“, sagt sie heute über diese Zeit.

Mit Beginn der Pubertät verschwand das Stottern, dafür begann die Zeit von Liebeskummer. „Heartbreak“, wie Katja Keuter sagt. Was sie häufig macht während des Gesprächs, an die zehnmal in einer Stunde, es ist eines ihrer Lieblingswörter. „Ich habe immer gedacht, Liebe ist was Schönes, und dann habe ich als 13-jähriges Mädchen erfahren, dass es gar nicht immer so toll sein kann.“ Damals begann sie, Texte zu schreiben, Notizen, Skizzen, Einträge ins Tagebuch.

So macht sie es noch heute – nur entstehen jetzt Songs daraus.

Das alles ein wenig phrasenhaft klingt? Egal. Die jungen Fans von Kati K feiern es. Es sind ihre Sorgen. Es ist ihr Liebeskummer. Es sind ihre Wünsche, von denen die Musikerin hier singt.

„Es war schon immer mein Traum, Sängerin zu werden“, sagt Katja Keuter. „Das stand für mich schon fest, als ich ein kleines Mädchen war.“ (Foto: Jakob Marwein)

Wie viele Mädchen sang auch Katja Keuter zunächst erfolgreiche Popsongs nach, im November 2014 lud sie die erste Coverversion auf ihrem Instagram-Kanal hoch, 500 Follower hatte sie damals vielleicht, Freundinnen, Mitschülerinnen. Der Song: „Halo“ von Beyoncé, gespielt am Klavier im Wohnzimmer. Ein Schwarz-Weiß-Filmchen, aufgenommen von der Seite, das Touch-Handy von Samson einfach aufgestellt, das Ganze „ohne Erwartungen“, wie sie sagt. Und wenige Stunden später hatte sie 20 000 Aufrufe.

Coverversionen singen viele, schöne Stimmen sind auch häufig zu erleben, an einem Karaoke-Abend oder einer Casting-Show. Aber wie hat es Katja Keuter vom ersten Insta-Video bis zum großen Plattenvertrag geschafft – und zu einer Influencerin?

Knapp 500 000 Menschen folgen Katja Keuter bei Instagram, bei Tiktok sind es 1,5 Millionen. Posts über ihre Musik, das muss sein. Aber auch Beauty-Tipps und andere Ratschläge, das kommt an bei ihrer jungen Zielgruppe. Regelmäßig postet sie auch Videos, in denen sie über Liebe und Freundschaft spricht, „über Heartbreak-Zeugs“, um in ihrer Ausdrucksweise zu bleiben. „Ich liebe es, mein Leben zu teilen“, sagt sie. „Die Leute, die meine Musik mögen, können mich auch anders kennenlernen.“

200 bis 300 Zuschriften bekommt sie, wenn sie etwas bei Tiktok oder Instagram postet. Jeden Abend liest sie diese Nachrichten im Bett und beantwortet die meisten Zuschriften. Bis zu zwei Stunden lang. Und weil das bei ihrer jungen Zielgruppe so gut ankommt, muss es nicht verwundern, dass Katja Keuter kürzlich bei der Bravo auf der Titelseite abgebildet war – mit einer Doppelseite im Inneren des Hefts mit „Katis Liebes- und Freundschaft-ABC“.

Für ihre Fans ist Kati K die beste Freundin, die große Schwester

Julia Kautz, einst Bravo-Chefreporterin und mittlerweile Sängerin, hat bereits mit Katja Keuter Songs geschrieben – und sie glaubt das Geheimnis ihres Erfolgs zu kennen. „Sie hat eine ganz tolle Stimme“, sagt Julia Kautz, „und sie sieht toll aus.“ Wichtiger sei aber, dass sich ihre Fans von Katja Keuter verstanden fühlen, „sie ist eine von ihnen“. Ihre Fans würden ihr abnehmen, dass „sie die gleichen Probleme wie sie hat“. Katja Keuter gebe Ratschläge, für ihre Fans ist sie „wie die beste Freundin, wie die große Schwester“. Und: Sie gebe ihrer Community einen Safe Space, einen geschützten Raum, in dem sie so sein können, wie sie sind.

Nach dem Abitur genügte es Katja Keuter nicht mehr, Lieder von anderen nachzusingen. Sie wollte ihren ersten eigenen Song. Und weil sie keinerlei Kontakt zur Musikbranche hatte, recherchierte sie im Internet, wer erfolgreich deutschsprachige Musik produziert. Und schickte Kevin Zaremba von Achtabahn via Instagram eine Nachricht, ob er nicht Lust hätte, mit ihr zu arbeiten: „Meine Community kann es kaum erwarten, einen eigenen Song von mir zu hören.“ Sie wurde nach München ins Tonstudio eingeladen – „weil sie singen kann“, sagt Kevin Zaremba, „und weil sie versteht, wie wichtig die sozialen Medien sind für ihre Karriere.“

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An zwei Tagen im Herbst 2019 entstand „Steine im Bauch“, ein trauriges Lied über – klar – Heartbreak. Mit Liebeskummer innerhalb von fünf Jahren in die Charts, mit einem Album bei einer der größten Plattenfirmen Deutschlands.

„Das Besondere an Kati ist die Welt, die sie ihren Fans mitgibt“, sagt Stefan Janetzky, Artists-and-Repertoire-Manager bei Sony Music Deutschland. „Sie hat es geschafft, die relevanten Themen der Generation in ihrer Musik zu vermitteln und aufzugreifen.“ Ihr gelinge es im Gegensatz zu anderen deutschen Popsängerinnen, die Zuhörerinnen und Zuhörer mit in ihre Welt zu nehmen und über ihre Social-Media-Kanäle „die Nähe zu ihren Fans zu pflegen und immer weiter neue begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer zu finden“. Ihre ehrliche Art „nehmen die Fans wahr und können sich so noch besser mit ihr als Person und Künstlerin identifizieren, was im aktuellen Markt immer wichtiger wird“.

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Das wird auch bei den Videos in ihrem YouTube-Chanel deutlich. Auch hier wieder Betrachter im Millionen-Bereich, vor allem aber jede Menge persönliche Kommentare, in den meisten Fällen von Frauen. „Deine Lieder berühren mich bis ins Innere meines Herzens“, schreibt eine Zuhörerin. Eine andere kommentiert, dass Kati K ihr aus der Seele singe, in einem weiteren Kommentar steht, dass dieses Lied Kraft und Selbstbewusstsein gebe. Und unter dem Video zu dem Lied „weißes Kleid“ steht: „Ich heule. Das ist so ein geiles Lied. Ich will das als Hochzeit-Song“.

Vor ein paar Wochen spielte Katja Keuter ihre letzten beiden Club-Konzerte in diesem Jahr, bevor es im kommenden Jahr wieder eine Deutschlandtour gibt. Die Konzerte waren in Köln und Hamburg, an die 1000 Zuschauer. Die Setlist ergibt sich fast von selbst, so viele Songs hat die junge Sängerin bisher nicht. Für „Erwischt“ kommt Finch auf die Bühne – und für die Zugabe, so etwas spricht sich bei den Fans natürlich herum, spielt sie „Weißes Kleid“.

Häufig werde sie gefragt, ob sie dieses Lied bei privaten Hochzeiten spielen möchte. Weil das in der Regel nicht möglich ist, besuchen verliebte Menschen eben die Konzerte von Katja Keuter. Kommen bei der Zugabe auf die Bühne: Liebesbekundung auf Knien, der Ring, das volle Programm. Die Sängerin ist natürlich eingeweiht, trotzdem schlägt sie die Hände vors Gesicht, heult Rotz und Wasser. So ein Heiratsantrag vor 1000 Menschen kann überaus emotional sein.

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