Süddeutsche Zeitung

Katholische Stiftungshochschule:Ein Erfolgsmodell gegen die Not in den Kitas

Ein spezieller Studiengang ermöglicht Akademikerinnen aus aller Welt einen Bachelor in Kindheitspädagogik - davon profitieren viele Münchner Einrichtungen

Von Sabine Buchwald

Um dem Fachkräftemangel in Kitas entgegenzuwirken, hat die Stadt München zusammen mit der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) 2013 das Projekt Befas ins Leben gerufen. Befas steht für "Bildung und Erziehung im Kindesalter für BewerberInnen mit ausländischem Studienabschluss". Die Idee ist, diesen Bewerberinnen und Bewerbern durch ein individuell zugeschnittenes, berufsbegleitendes Studium einen Bachelor in Kindheitspädagogik zu ermöglichen. Nach Auskunft der Stadt wurden durch diese Maßnahme bislang 109 Personen für Kindertageseinrichtungen in München gewonnen.

Eine der Absolventinnen ist Evangelia Ntalampyra. Sie stammt aus Griechenland und hatte dort Vorschulpädagogik studiert. Mit ihrem Abschluss aus der Heimat hätte sie niemals den Job bekommen, den sie jetzt macht. "Das Studium hat mir Türen geöffnet, die vorher für mich in Deutschland geschlossen waren", sagt die 30-Jährige. Zum einen weil ihr das adäquate Zeugnis fehlte, zum anderen aber auch das entsprechende Wissen. So habe sie etwa Management und Organisation gelernt, erzählt sie. Sie sei wesentlich kritikfähiger geworden und auch ihre Sprachkenntnisse hätten sich durch das Studium sehr verbessert, erzählt sie. Ntalampyra arbeitet zwar nun nicht in einer Kindertagesstätte, sondern in der Einrichtung "Kids bunt" in Obersendling. Dort entwickelt sie Projekte und Angebote für Familien mit Migrationshintergrund und unterstützt diese auch bei der Suche nach einem Kitaplatz. In ihrer Arbeit verwirklicht die Kindheitspädagogin, wofür Befas auch steht: einen Beitrag zur interkulturellen Zusammenarbeit leisten.

Mirjam Behrendt, 44, hat im Oktober das Studium an der KSH begonnen. Sie arbeitet als sogenannte Ergänzungskraft in einem Montessori-Kinderhaus in Dachau. An der Musikakademie in Tallin hat sie einst Geige studiert, dort Kindern Musikunterricht gegeben und dann als Quereinsteigerin eine Weiterbildung zur Erzieherin gemacht. Behrendt lebt seit 15 Jahren in Deutschland. Ihre vielseitige Ausbildung wurde der Estin hier nicht vollständig anerkannt und doch gab sie ihr die Voraussetzung, für den Studiengang Kindheitspädagogik angenommen zu werden. Behrendt hat während des Semesters jeweils freitags und samstags den ganzen Tag Unterricht. "Das ist neben einer 25-Stunden-Arbeitswoche durchaus anstrengend", sagt sie. Der Stoff, vor allem jetzt im zweiten Semester, sei anspruchsvoll. Aber sie weiß, wofür sie die nächsten anderthalb Jahre auf Freizeit verzichtet. Mit dem Bachelor in Kindheitspädagogik ist Behrendt dann als Fachkraft einer Erzieherin gleichgestellt, kann Leitungsfunktionen übernehmen und mit Jugendlichen bis zwölf Jahren arbeiten.

Mit den Bewerbungen macht es sich die Katholischen Stiftungshochschule nicht leicht. Man prüfe genau, welche Voraussetzungen die Interessenten mitbringen, sagt Projektleiterin Tina Friederich. Die Weiterqualifizierung richte sich an Personen, die bereits ein pädagogisches Studium in einem anderen Land abgeschlossen haben. Eine wichtige Voraussetzung seien außerdem Deutschkenntnisse auf C1-Niveau, um den Lehrveranstaltungen gut folgen und wissenschaftliche Arbeiten verfassen zu können. Zudem müssten die Studierenden mindestens 15, maximal 25 Stunden in einer Einrichtung für Kinder arbeiten. Wer zugelassen werde, bekomme dann einen individuellen Studienplan, um sich die fehlenden Module anzueignen. In der Regel benötigten die Studierenden drei bis vier Semester, erzählt die Professorin.

Themen seien etwa der Umgang mit Inklusion, die Beratung von Eltern, rechtliche Aspekte der Kindheitspädagogik, Hilfe bei der Entscheidungsfindung in alltäglichen Situationen. "Ein festes Modul ist immer ein eigenständiges kleines Forschungsprojekt in der eigenen Einrichtung", erklärt Friederich. Hinreichend besprochen werde etwa auch, warum in deutschen Kitas viel Wert auf das Spielen gelegt werde. Und immer wieder höre sie von ihren Studierenden: "Das hätte ich gerne früher gewusst."

Bislang haben acht Jahrgänge mit durchschnittlich 20 Studierenden ein Befas-Studium erfolgreich absolviert. Mit Befas-Plus wurde zudem im Sommersemster 2019 ein vorgeschaltetes Modul Elementarpädagogik gestartet. Finanziert werden beide Projekt bislang von der Stadt München und der befristeten Migranet-Förderung aus dem Topf des Europäischen Sozialfonds. Von Migranet fließt allerdings nur noch bis Ende 2022 Geld an Befas. Friederich sorgt sich deshalb um die Fortsetzung des Studiengangs. "Wir wissen derzeit noch nicht genau, ob neue Jahrgänge starten können", sagt sie.

Bei der Stadt München ist man sich dessen bewusst. Man wisse, um die wegfallenden Drittmittel in Höhe von etwa 95 000 Euro zu kompensieren und damit Befas zu sichern, würde eine Aufstockung des städtischen Zuschusses ab dem Haushaltsjahr 2023 benötigt, erklärt ein Sprecher. Der Träger brauche Planungssicherheit. Die zeitlichen Abläufe der Haushaltsplanung der Landeshauptstadt und die der Hochschule passten aber nicht ganz zusammen. Die Fachabteilung erarbeite daher gerade einen Vorschlag für den Stadtrat, der im September 2021 dem Sozialausschuss vorgelegt werden soll. Es werde vorgeschlagen, die benötigten Finanzmittel aus internen Umschichtungen für 2023 vorab zu sichern.

"Befas ist ein Erfolgsmodell", sagt Tina Friederich. Um es zu sichern, sucht die Professorin mit Nachdruck das Gespräch mit der Landeshauptstadt und auch anderen potenziellen Geldgebern. Ähnlich wie Evangelia Ntalampyra und Mirjam Behrendt lebten viele der Befas-Studierenden schon seit Jahren in Deutschland und arbeiteten unter ihrer Qualifikation. Entsprechend niedrig würden sie entlohnt, sagt Friederich. "Durch das Studium bekommen sie wieder das Gefühl, Akademikerinnen zu sein."

Die KSH bietet übrigens den Studiengang Kindheitspädagogik auch für Interessenten mit deutschen Schulabschlüssen an.

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SZ vom 04.05.2021
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