Katholische Krankenhäuser in München:Ärzte verschreiben die Pille danach

'Pille danach'

So klein, so kontrovers: die Pille danach.

(Foto: dpa)

Die Entrüstung war groß: Zwei katholische Krankenhäuser verwehrten einer vergewaltigten Frau in Köln die "Pille danach". In München soll das nicht passieren, es gilt die Weisung, die Pille zu verschreiben. Ganz ohne Risiken ist das Mittel jedoch nicht.

Von Jakob Wetzel

Die Frau meldet sich in der Notaufnahme, sie wird aufgenommen und untersucht. Und in einer Notsituation werde ihr der Arzt dann die "Pille danach" verschreiben, sagt Chefarzt Franz Edler von Koch: Er müsse nicht, aber er dürfe, "wenn er es für richtig hält".

In einem weltlichen Krankenhaus wäre die Sache nicht der Rede wert. Doch Edler von Koch ist Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Dritter Orden in München-Nymphenburg, einem katholischen Krankenhaus. Das Klinikum wird von der Schwesternschaft der Krankenfürsorge des Dritten Ordens getragen. Die Debatte um katholische Krankenhäuser, die keine "Pille danach" verschreiben - am Klinikum Dritter Orden geht sie vorbei.

In München gibt es vier katholische Kliniken, getragen von Ordensgemeinschaften: das Klinikum Dritter Orden, das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Nymphenburg und zwei Fachkliniken für innere Medizin und Chirurgie, das Krankenhaus Neuwittelsbach und die Maria-Theresia-Klinik. Von ihnen unterhält nur das Klinikum Dritter Orden eine gynäkologische Notfallabteilung.

Medikament mit Risiken

Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands begrüßte in der vergangenen Woche die Erklärung des Kölner Erzbischofs Joachim Meisner, die "Pille danach" sei nach einer Vergewaltigung vertretbar, wenn sie bereits die Befruchtung der Eizelle verhindere. Im Klinikum Dritter Orden dagegen gibt es bereits seit einem Jahr die explizite Erlaubnis der Ordensschwestern, sie zu verschreiben - und zwar nicht nur den Opfern einer Vergewaltigung.

Als es 2012 Wirbel gab um das Verbot der "Pille danach" im Regensburger Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, ließen sich die Schwestern medizinisch beraten. Sie vertrauten auf das Urteil der Ärzte und fühlten sich den hilfesuchenden Frauen verpflichtet - daher würden sie die "Pille danach" erlauben, erklärten sie danach. Es handle sich schließlich nicht um eine Abtreibung, sondern um Verhütung: Das Medikament verändere den Hormonspiegel und hemme den Eisprung, bevor es zur Befruchtung einer Eizelle komme.

Eine Statistik, wie oft eine "Pille danach" verschrieben wird, führt das Klinikum nicht. Einmal wöchentlich, schätzt Chefarzt Edler von Koch. Damit wäre die Größenordnung ähnlich wie in den beiden Universitäts-Frauenkliniken in der Maistraße und in Großhadern. Ein bis zwei sind es jeden Monat in Großhadern, sechs bis acht in der Innenstadt. Die Zahl hänge mit dem Standort zusammen, sagt Klaus Friese, Leiter der beiden Kliniken. Wo etwa viel Nachtleben herrsche, sei die Nachfrage nach der "Pille danach" höher.

Auch im Münchner Universitätsklinikum gibt es die "Pille danach" allerdings nicht voraussetzungslos: Bedingung ist eine ärztliche Untersuchung, dabei wird auch eine bereits bestehende Schwangerschaft ausgeschlossen. Zudem sind Nebenwirkungen für die Frau wie Übelkeit, Schmerzen und Menstruationsstörungen bekannt. "Es ist ein Medikament mit Risiken", sagt Friese. Von Plänen, die "Pille danach" von der Rezeptpflicht zu befreien, hält er wenig.

Falsche Moralvorstellungen

Opfer einer Gewalttat, die nach der "Pille danach" fragen, sind dabei die Ausnahme. "Sehr selten" hätten die Ärzte im Klinikum Dritter Orden mit Vergewaltigungsopfern zu tun, sagt Edler von Koch. Friese spricht von sechs bis acht Fällen im Jahr, in beiden Kliniken zusammen. Und oft kämen die Betroffenen aus psychischen Gründen zu spät in die Klinik - zu spät für die "Pille danach". Der Wirkstoff Levonorgestrel muss binnen 72 Stunden eingenommen werden, sonst ist er wirkungslos.

Bei Verdacht auf eine Vergewaltigung arbeiten die Kliniken eng mit dem Institut für Rechtsmedizin zusammen. Berührungsängste gebe es im Klinikum Dritter Orden nicht, sagt Edler von Koch. "Dass einer der Ärzte wegen falsch verstandener Moralvorstellungen einer Patientin nicht hilft, das kann ich ausschließen."

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