Gedenktag der Kirche:Kardinal Marx: "Wir haben versagt"

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Kardinal Marx beim Gottesdienst in der Frauenkirche. (Foto: Catherina Hess)

Bei einem Gottesdienst für die Opfer sexuellen Missbrauchs räumt der Münchner Kardinal Fehler ein und fordert, die Kirche müsse offen und transparent werden.

Von Philipp Crone, München

Das Ende des Satzes hallt nach in der Frauenkirche am Sonntag. Kardinal Reinhard Marx sagt zu Beginn der Messe: "Wir beten heute ganz besonders für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die sexuellen Missbrauch erleiden mussten und müssen - auch in der Kirche."

Etwa 300 Gläubige sind zum katholischen Gottesdienst gekommen, der auch im Internet übertragen wird. "Der Heilige Vater hat uns dazu eingeladen", sagt Marx weiter. Papst Franziskus hatte einen "Tag des Gebetes und der Buße für die Opfer sexuellen Missbrauchs" angeregt. An diesem 18. November ist zugleich der europäische Tag "zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch". Zuletzt war ein weiterer Missbrauchsvorwurf gegen den 1988 verstorbenen Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen bekannt geworden, dem bereits vor drei Jahren sexueller Missbrauch vorgeworfen worden war. Die Kirche kündigte daraufhin eine zügige Untersuchung an.

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Marx sagt am Sonntag zu Beginn der Messe: "Ein Gottesdienst ist kein Schlussstrich, sondern im Gegenteil ein Weckruf, vor dem Angesicht Gottes hinzuschauen, was auch in der Kirche geschieht." An Sünde, Gewalt und Unrecht. Man müsse sich neu auf den Weg machen, all das zu überwinden, dagegen vorzugehen und auf die Betroffenen zu hören. "Wir sind bestürzt und betroffen über das Wegschauen, Schweigen und Vertuschen derer, die von den Taten gewusst haben und wissen." Marx hatte sich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz auch zu der Anregung geäußert, die weitere Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ganz extern zu vergeben. Die Bischöfe konnten sich darauf nicht einigen, man sei aber offen für solche Vorschläge, sagte Marx im Sommer.

Am Sonntag nun bei seiner Predigt ist nichts mehr zu hören vom leichten rheinischen Slang, mit dem Reinhard Marx sonst spricht. Sehr ernst, sehr bedächtig formuliert der Kardinal seine Sätze. "Der christliche Gottesdienst ist kein Ort des Vergessens, sondern der Erinnerung, kein Ort der Verdrängung, sondern der Wahrnehmung. Er ist eine Stunde der Wahrheit." Vor Gott könne man nichts vertuschen. Man müsse den Betroffenen, den Opfern sexueller Gewalt "auch im Raum der Kirche" dankbar sein, dass sie sich oft nach Jahrzehnten äußern. Man müsse auch dankbar sein, dass die Aufmerksamkeit für dieses Unrecht gewachsen ist, das "vielen Menschen angetan wurde und wird weltweit". Auch den Missbrauch der Macht in der Kirche spricht Marx kurz an.

"Wir haben versagt, bewusst oder unbewusst." Endlich werde darüber gesprochen und nach Heilung, Überwindung und Prävention gesucht, sagt der Kardinal. Man dürfe nie wieder zulassen, dass vertuscht und geschwiegen wird. Die Reden über Betroffenheit reichten, sagten ihm die Gläubigen, man werde nun daran gemessen, dass etwas passiere, sagt Marx. Man müsse jetzt anders Kirche sein, offen, transparent, "nicht in geschlossenen Kreisen". Am Ende werden alle eingeladen, sich nach dem Gottesdienst noch mit einigen Seelsorgern auszutauschen.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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