Tollwood:Beirut: Zwischen Wehmut und Minimalismus

Tollwood: Ein-Mann-Band: Zach Condon spielt Trompete, Gitarre, Akkordeon, Klarinette, Mandoline und vieles mehr - begleitet von zehn Musikern.

Ein-Mann-Band: Zach Condon spielt Trompete, Gitarre, Akkordeon, Klarinette, Mandoline und vieles mehr - begleitet von zehn Musikern.

In der Tollwood-Arena präsentiert Zach Condon alias Beirut sein Krisen-Album "No No No".

Von Christian Jooß-Bernau

Wenn man sich bitte kurz einmal erinnert, an die ersten Minuten von "Music from Big Pink" von The Band: Wie sich die Orgel mit hölzerner Unbeholfenheit in den Song fingert, das Schlagzeug über die eigenen Füße stolpert und gerade noch im Beat landet und dann der Gesang einsetzt. Haarscharf schief und doch erhaben. Dylans "Tears of Rage" wird uramerikanische Popmusik, gesungen von einem Siedlertrupp der es in der Bewegung nach Westen immerhin schon bis Woodstock geschafft hat.

Auf dem aktuellen Beirut-Album "No No No" kommt der The Band-Moment mit der siebten Nummer "Pacheco". Orgel, Bass und Schlagzeug staksen so langsam los, als hätten sie einen Hüftschaden. Doch als der Gesang sich über sie legt, ergibt alles Sinn, wird aus Unbeholfenheit majestätische Wehmut, auch wenn der Text nicht viel mehr fragt als "How long?"

Zach Condon ist in New Mexico aufgewachsen und war 19, als er das erste Album seiner Band Beirut herausbrachte: "Gulag Orkestar". In der Beurteilung von Condons Arbeit, seitens der Presse, gibt es eine Unschärfe, die von Entzücken bis Befremden reicht. In der Arbeit von Condon gibt es auch eine Unschärfe, die lange unklar ließ, wie viele Menschen hinter ihm denn überhaupt zur Band gehören. Und dann war da auch noch diese Musik von Amerikanern, die sich nach der libanesischen Hauptstadt benannten, um anfangs stark balkaninspiriert zu klingen.

Wer zweifeln wollte, fand diese Art von Folk folkloristisch, was aber an der Sache vorbeigeht. So wie sich The Band aus dem, was der Boden und Dylan so freigaben, ihr Amerika neu aufbauten, schafft sich Condon seine Welt der befreiten Volkspopmusik, die nicht mehr der nationalen Identifikation dienen muss. So folkig Beirut scheinen mögen, sie waren nie heimelig retro, sondern immer Utopie.

2013 war Condon am Ende seiner Visionen. Krank in Australien gestrandet, geschieden und unfähig seine Tour zu Ende zu spielen. "No No No", erschienen im letzten Jahr, ist ein Album an dem er lange gebastelt hat, gemeinsam mit dem Bassisten Paul Collins und dem Schlagzeuger Nick Petree. Ein Album, dem man immer wieder anhört, wie lange darüber gegrübelt wurde. Das sich für einen Minimalismus entschieden hat, in dem jeder Ton erst gedacht und dann gespielt wurde. Eine Rückeroberung des Selbstverständlichen. Wenn es Condon noch schafft, diesen Songs auf der Bühne die Freiheit zu schenken, wird alles gut.

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