Karriere:Rein ins Schnellboot

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Evelyn Ehrenberger, bislang Vizepräsidentin der Technischen Universität, übernimmt die Präsidentschaft der privaten Hochschule der Bayerischen Wirtschaft

Von Jakob Wetzel, München

Allein von den Dimensionen her wird die Umstellung enorm sein, aber Evelyn Ehrenberger ist davor nicht bang, im Gegenteil. Noch bis zum 31. Oktober ist die 46-Jährige Vizepräsidentin der Technischen Universität (TU), zuständig für geistiges Eigentum und für "Entrepreneurship", also für Gründergeist und unternehmerischen Mut. Und danach kann sie unter Beweis stellen, wie viel von diesem unternehmerischen Mut in ihr selber steckt: Ehrenberger übernimmt die Präsidentschaft der privaten Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HdBW) mit Sitz in Riem.

Es ist der Sprung von einer der größten Universitäten in Deutschland zu einem Start-up, so formuliert es die designierte Präsidentin selbst. Die TU beschäftigt 511 Professoren, die HdBW 13. Die TU wies im Jahr 2014 ein Budget in Höhe von knapp 1,26 Milliarden Euro aus, die Hochschule kalkulierte mit 3,8 Millionen Euro, also mit etwa drei Promille des TU-Etats. Und zum Winterhalbjahr 2015/16 meldete die TU, es hätten sich etwa 12 400 Erstsemester neu eingeschrieben. An der Hochschule waren es exakt 81.

Doch für Ehrenberger ist es gerade die geringe Größe, die sie reizt. Sie empfängt in einem Konferenzraum im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft in Neuhausen. Das Bildungswerk ist Träger der HdBW; ein eigenes Büro hat Ehrenberger noch nicht. Verglichen mit den großen staatlichen Universitäten sei die Hochschule ein "kleines aufstrebendes Schnellboot", sagt sie. Freilich, bei einem Sturm wackle dieses Boot vielleicht schneller, aber dafür sei es flexibler und dynamischer. Ein Risiko? Ja, das sei der Wechsel natürlich. Aber sie sieht weniger die Gefahr als vielmehr die Möglichkeiten: Es gebe noch viel Raum, um zu gestalten.

Tatsächlich ist die HdBW noch jung; der Lehrbetrieb hat erst im Oktober 2014 begonnen. Das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft wollte nicht länger nur Fortbildungen, sondern auch ein komplettes Studium anbieten, um Fachkräfte bedarfsgerecht auszubilden. Die HdBW hat Standorte in München, Bamberg und Traunstein, sie zählt bislang 161 Studenten in Betriebswirtschaftslehre, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. Die ersten Bachelor-Zeugnisse werden voraussichtlich im Frühjahr 2018 verteilt - in jenem Jahr feiert die TU, Ehrenbergers Noch-Arbeitgeber, ihr 150-jähriges Bestehen.

Ehrenberger hat ein langer Weg in diesen Konferenzraum geführt. Sie ist aufgewachsen in Immenstadt im Allgäu, hat an der Münchner TU Chemie studiert und wurde mit einer Arbeit über den Abbau von Schadstoffen in überkritischem Wasser promoviert - also in Wasser, das so heiß ist und auf dem derart hoher Druck lastet, dass man nicht genau sagen kann, ob es flüssig oder gasförmig ist. Eine Karriere in der Wissenschaft sei aber nie eine Perspektive gewesen, sagt sie: "Ich bin weniger der Forscher im Labor, sondern immer schon mehr der kommunikative Wissenschaftsmanager."

Und so arbeitete Ehrenberger nach der Promotion als Projektmanagerin. Für vier Jahre leitete sie den Präsidialstab der TU, dann ging sie ins bayerische Wirtschaftsministerium und als Personalerin in eine Firma, die Baustoffe produziert. Schließlich stieß sie zurück zur Universität: Sie übernahm die TUM International GmbH, ein Tochterunternehmen der TU, das Wissen vermarkten und Kooperationen mit Firmen erleichtern soll. 2011 wurde sie TU-Vizepräsidentin. Und jetzt fängt sie mit der HdBW noch einmal ganz klein an. Was konkret auf sie zukommt, sind vor allem Gespräche, viele Gespräche. Denn Ehrenberger hat sich einiges vorgenommen - und dabei bringt sie nicht zuletzt eine Menge TU mit in die Hochschule. Vieles von dem, was ihr vorschwebt, schreibt sich auch die Universität auf die Fahnen. Sie will zum Beispiel noch mehr mit Firmen zusammenarbeiten, bei Praktika, bei Lehrinhalten, und wenn es darum geht, Studenten zu werben. Bei der Nähe zur Wirtschaft habe die Hochschule ja beste Voraussetzungen, sagt sie. Die HdBW soll zudem internationaler werden, ausländische Studenten anlocken und mehr Möglichkeiten schaffen, Praktika im Ausland zu absolvieren. Die künftige Präsidentin setzt auch auf Fundraising, so wie die TU; vielleicht werde es auch einmal Stipendien für Studenten geben, sagt sie.

"Sehr kurzfristig" soll es an der Hochschule außerdem die Möglichkeit eines dualen Studiums geben, eines Studiums parallel zur Berufsausbildung, sagt Ehrenberger. Die Nachfrage von Schulabsolventen und Firmen sei enorm, heißt es. Bereits jetzt bietet die HdBW ihre Studiengänge nicht nur in Vollzeit, sondern auch berufsbegleitend an, mit Kursen samstags und freitagnachmittags. Und eines hat die Hochschule sogar, wovon die TU und besonders ihr Präsident Wolfgang Herrmann nur träumen: Sie erhebt Studiengebühren. Ein sieben Semester dauerndes Bachelor-Studium in Maschinenbau etwa kostet pro Halbjahr 3100 Euro.

Ehrenberger hat viele weitere Pläne: Sie will die Studierendenzahlen steigern, es soll künftig auch Master-Studiengänge geben, entsprechend will sie an der HdBW Forschung etablieren, "anwendungsnah", sagt sie. Scheu vor großen Aufgaben hat sie nicht. In ihrer Freizeit unternimmt sie gerne Fahrradtouren, nicht nur im Flachland, gerne auch über die Alpen.

Zuerst aber gehe es um die Grundlagen, sagt Ehrenberger; man wolle nicht den zweiten Schritt vor dem ersten gehen. Ihre erste Amtszeit als Präsidentin endet in vier Jahren. Die Studenten bräuchten jetzt ein gutes Umfeld, die Hochschule müsse sich noch richtig etablieren, sagt sie. Das Interesse der Studenten und der Firmen sei da, aber im Wissenschaftsbetrieb würden Neuerungen eben ihre Zeit brauchen. Möglichst bald soll dann das Ziel erreicht sein, das jedes Start-up hat: Die Hochschule soll sich selber tragen.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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