Nachruf:Immer mit Humor

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Im Sommer 2019 stieg Gudrun Köhl, hier im Jahr 2005, zum letzten Mal die 79 Stufen zum Turmstüberl hoch und erzählte beim Stammtisch nochmal ihre ganze Lebensgeschichte - zum Abschied. Kurz vor ihrem 80. Geburtstag ist sie gestorben. (Foto: Stephan Rumpf)

Sie hütete das Gedächtnis einer vergangenen Zeit: Gudrun Köhl, langjährige Chefin des Valentin-Karlstadt-Musäums, ist gestorben.

Von Julia Schriever

Gudrun Köhl hat einen großen Teil ihres Lebens im Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor verbracht, an diesem besonderen Ort der Erinnerung an das Komikerpaar Liesl Karlstadt und Karl Valentin. Wohl kaum eine andere kannte das alte Gemäuer so gut wie sie. "Manchmal, wenn ich in der Nacht hier noch gesessen bin, fing das Haus an zu knacksen und rumoren", erzählte Gudrun Köhl vor vielen Jahren der Süddeutschen Zeitung. Mehr als vierzig Jahre hat sie hier gearbeitet, zehn Jahre als Wirtin im Turmstüberl, später als Chefin des Museums. Das Haus und Gudrun Köhl - sie prägten sich gegenseitig.

"Sie konnte Menschen begeistern und hatte diesen skurrilen Humor", erinnert sich ihr Neffe Volker Parello an seine "Tante Gulli". "Sie hatte aber auch immer etwas Kämpferisches, Politisches." Er weiß noch, wie Gudrun Köhl und ihr Lebensgefährte Hannes König die Familie in Garching an der Alz besuchten. Der kleine Volker wurde aufgefordert, Klavier zu spielen. Die Erwachsenen tranken, rauchten und diskutierten. "Das waren lustige, politische Treffen", sagt er. "Es ging immer um Politik, Kirche, Kommunismus."

1943, während des Krieges, wurde Gudrun Köhl als Jüngstes von sieben Kindern in Garching an der Alz geboren. Ihr Vater starb als Soldat im Krieg, ihre Mutter rackerte sich ab. Da kam die Idee auf, Gudrun Köhl könne mit 19 Jahren als Nonne ins Kloster gehen. Doch als sie kurz vor ihrem Gelübde noch eine Reise nach Italien machte, gefiel ihr der junge Italiener Paolo so gut, dass sie sich die Sache mit dem Kloster nochmal anders überlegte.

Sie zog nach München, studierte Lehramt Kunst und wurde Teil des Künstlerkreises um Hannes König, den Maler, Autor, Musiker, Sammler und Erfinder des Karl-Valentin-Musäums. Erst wurde Gudrun Köhl Stammgast in seinem Turmstüberl, dann bot er ihr den Job als Wirtin an. Sie nahm an und blieb. Der 35 Jahre ältere Hannes König wurde vom Freund zu ihrem Lebensgefährten.

Gudrun Köhl und Hannes König beim Testen einer "Barttasse", die den Schnurrbart vor Milchschaum schützt. (Foto: Heinz Gebhardt/imago)

"Sie war eine sehr soziale und freiheitsliebende Frau. Emanzipation war ihr schon früh wichtig", sagt ihr Neffe Volker Parello. Gudrun Köhl bekam keine Kinder. Ab 1978 konzentrierte sie sich nur noch auf die Arbeit im Museum, organisierte das Archiv und die Ausstellungen, veröffentlichte Bücher mit Hannes König und schrieb Aufsätze zu Liesl Karlstadt und den Münchner Volkssängern. Als Hannes König 1989 mit 81 Jahren starb, übernahm sie die Leitung des Museums.

Sie hütete weiter das Gedächtnis einer vergangenen Zeit, die Ära der Münchner Volkssänger. Sie organisierte neue Ausstellungen, machte die Buchführung, Öffentlichkeitsarbeit, unterstützte mittellose Künstler und putzte selbst die Museumsräume. "Alt kann das Zeug schon sein, aber sauber muss man's halten", war einer ihrer Sprüche. "Sie hat hier wirklich Großartiges geleistet", sagt Sabine Rinberger, die heutige Chefin des Musäums. Sie erinnert sich, wie stark Gudrun Köhl sich mit Liesl Karlstadt identifizierte. "Sie hatte den Duktus von der Liesl Karlstadt, sie hatte fast die Stimme von der Liesl Karlstadt." Auch wegen Gudrun Köhls Engagement bekam Liesl Karlstadt eine feste Dauerausstellung. Das Museum, das erst nur nach Karl Valentin benannt war, wurde 2002 in Valentin-Karlstadt-Musäum umbenannt.

2004 ging Gudrun Köhl in den Ruhestand. Der Abschied fiel ihr nicht leicht. Am liebsten hätte sie die lebensgroße Karl-Valentin-Puppe mitgenommen, die im Archiv stand, erzählte sie damals der SZ. Ging aber nicht, sagte sie, und lachte, "meine vier Katzen würden den sauber derrupfen". Gudrun Köhl kam auch im Ruhestand weiter ins Turmstüberl. Im Sommer 2019 stieg sie zum letzten Mal die 79 Stufen hoch und erzählte beim Stammtisch nochmal ihre ganze Lebensgeschichte - zum Abschied. Kurz vor ihrem 80. Geburtstag ist sie am 2. Januar 2023 nach langer Krankheit gestorben.

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