Süddeutsche Zeitung

Gut bürgerliches Restaurant "Karlsfelder Seehaus":Schwerarbeiterportion nach Baukastenprinzip

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Nicht nur gut für Familienfeste: Im Karlsfelder Seehaus kann man auch im Normalbetrieb gemütlich einkehren - mit gemischten Ergebnissen.

Gertrude Fein

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Es war einmal vor langer Zeit, vor einer halben Ewigkeit, da hing der Kinder Seligkeit nicht an einem Gameboy, sondern an einer Kiste mit Holzklötzchen. Das nannte man Baukasten. Man konnte wunderbare Häuser und Türme damit bauen, und wenn man nicht aufpasste oder zu hoch hinaus wollte, krachte alles mit Getöse zusammen.

Der Baukasten für Kinder ist selten geworden, geblieben ist das Baukastenprinzip, beispielsweise in der Gastronomie. Kaum ein Betrieb, der nicht danach arbeitet. Vor allen Dingen in Gasthäusern, die stark vom Wetter abhängen, ist es nötig, die Grundsteine immer parat zu haben, um bei Bedarf darauf bauen zu können. Hier wie im Kinderzimmer können wunderbare Dinge entstehen, es passiert aber auch, dass die Chose ins Wackeln kommt und zusammenstürzt.

Das Karlsfelder Seehaus, sehr idyllisch oberhalb einer Liegewiese am Karlsfelder See gelegen, ist ein Wirtshaus, in dem zwar viele Familienfeiern abgehalten werden, dessen Normalbetrieb jedoch extrem von der Witterung bestimmt wird. Offensichtlich arbeitet die Küche nach dem Baukastenprinzip, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wie sich zeigen sollte.

Ein Cordon bleu von erschreckender Dicke

Wenn die Spinatspätzle mit Waldpilzsoße (8,90) fünf Minuten nach der Bestellung auf dem Tisch stehen, liegt der Verdacht nahe, dass der Spätzleberg bereits darauf wartete, mit der Soße übergossen und mit einer dicken Pappkäseschicht versiegelt zu werden, dann ab in die Mikrowelle. Der nämliche, weitgehend geschmacksneutrale Käse trieb sich in zusammengeklebten Streifen im Schweizer Wurstsalat (6,50) herum und quoll aus dem Cordon bleu (13,80). Das war im übrigen gar nicht schlecht, aber von erschreckender Dicke.

Auch auf das Karlsfelder Bierschnitzel (11,80) musste nicht lange gewartet werden. Es handelte sich dabei um eine ordentliche, gegrillte Scheibe Schweinsschulter, begleitet von aufgebratenen, pappigen Semmelknödelstücken und einer sehr salzigen Soße, Herkunft unklar, vielleicht aus einem großen Topf Bratensoße. Auch die Schinkenschöberlsuppe (4,10), in der so viele Schöberl sich stauten, dass die Brühe kaum noch zu finden war, hatte zu viel Salz abbekommen. Die Spargelsuppe (4,50) dagegen schmeckte ausgezeichnet.

Sehr angenehm ist es, dass es viele Gerichte auch in "klein" gibt. Sowohl die kleine Portion vom gut gebratenen Zander (11,80) als auch die von der gelungenen Kalbsleber (11,90) waren durchaus ansehnlich. Die kleine Hähnchenbrust war immer noch zu groß, weil vollkommen vertrocknet - wohl auch ein Baustein, der zu lange auf seinen Einsatz warten musste.

Äußerst angenehm und ruhig

Pluspunkte machte die Küche mit ihren abwechslungsreichen, immer frischen Gemüsebeilagen. Auch bei den Salaten gab es Lob und Tadel. Die Begleitsalate schwammen in wenig ansprechender Essigsoße, während die großen Salatportionen sich durch gut gewürztes Dressing auszeichneten. Zum Salat Mexico (11,80) gehörten ausgezeichnete Rinderlendenstreifen, allerdings mehr Stücke als Streifen, so dass sie in der großen, tiefen Schüssel geschnitten werden mussten und im Sahnedressing abtauchten.

Auf der windgeschützten Terrasse und in dem recht kleinen Biergarten sitzt es sich äußerst angenehm und ruhig. Man kann die Badegäste und die Enten beobachten, während man sich ein Weißbier (3.-) ein Pils (2,50) oder eine Maß von der Schenke (5,60) schmecken lässt.

Das Mineralwasser ist hier wie überall völlig überteuert (0,75 Adelholzener Gourmet 5,20!). Bei den Brotzeiten empfiehlt es sich, den Schweizer Wurstsalat links liegen zu lassen und lieber die Nürnberger Rostbratwürstl zu bestellen (6 Stück 5,90) oder - für sehr Hungrige - den Leberkäse mit Ei (6,50), eine wahre Schwerarbeiterportion, bestehend aus zwei dicken Scheiben Fleisch, zwei Spiegeleiern und angenehm lauwarmem Kartoffelsalat.

Das Karlsfelder Seehaus ist trotz seiner Mängel eine sympathische Wirtschaft dank seiner Lage, seiner hellen Gasträume und seiner freundlichen Bedienungen. Aber, wie gesagt, wer nach dem Baukastenprinzip arbeitet, sollte gut aufpassen, dass die Steine zueinander passen und sorgfältig aufeinander getürmt werden, sonst geht die Sache schief.

Karlsfelder Seehaus, 85757 Karlsfeld, Hochstraße 67, Telefon 08131/38270. www.karlsfelder-seehaus.de. Geöffnet täglich von 10 bis 1 Uhr, warme Küche bis 22 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2009/
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