Süddeutsche Zeitung

Mietpreise:Karlsfeld: Die teuerste Kommune Deutschlands

München ist plötzlich in Sachen Miete von einem kleinen Ort mit gut 20 000 Einwohnern überholt worden. Wie kann das sein?

Glosse von Melanie Staudinger

Jetzt ist es also passiert. Nach all den Klagen und dem Fluchen, nach all den politischen Initiativen und Versprechen und nach all den Großdemonstrationen ist München plötzlich nicht mehr der teuerste Ort in Deutschland. Klammheimlich hat sich eine andere Metropole an der bayerischen Landeshauptstadt vorbeigezwängt. Beim neuen Spitzenreiter aber handelt es sich nicht etwa um Hamburg, Berlin oder gar Düsseldorf. Nein, auf Platz 1 steht nun Karlsfeld, und die Autoren der Statistik, die sich ein wenig sperrig F+B-Mietspiegelindex 2018 nennt, haben vorsichtshalber gleich den Zusatz "der kleine Nachbar" hinzugefügt. 10,62 Euro kostet demnach der Quadratmeter in einer typischen Normalwohnung mit einer Fläche von 65 Quadratmetern, mittlerer Ausstattung und Lage", in München sind es nur 10,45 Euro. An der Datengrundlage haben Experten längst Zweifel angemeldet.

Ob die Zahl nun stimmt oder nicht: Für Karlsfeld wird sich einiges ändern. Karlsfeld war bisher die Gemeinde im Norden Münchens, durch die man fährt, wenn man zu MAN, MTU oder nach Dachau will. Jetzt ist es die Kommune, in der die Reichen leben. Bogenhausen war gestern. Es lebe Karlsfeld. Dort gibt es tatsächlich mehr, als man denken würde. Einen schönen Badesee zum Beispiel. Oder zwei Wochen im Jahr eine Art Volksfest, Siedlerfest genannt, mit einem Feuerwerk. Und eine vierspurige Straße, auf der alle Fahrschüler den Schulterblick beim Überholen üben müssen.

Karlsfeld ist nun berühmt. Die Bild-Zeitung titelte "Wer hier wohnt, hat Kohle" und zeigte dazu ein Foto von einem der großen Wohnblocks. Der Ruhm aber für den Ort mit seinen gut 20 000 Einwohnern wird Probleme mit sich bringen. Denn natürlich werden jetzt alle dort wohnen wollen. Die Bewohnerzahl steigt, Wohnraum wird knapp, die Mieten werden noch teurer - eine Horrorvorstellung für Einheimische. Sie können sich nur noch durch eine Maßnahme retten: Karlsfeld muss sich von München eingemeinden lassen. Dann ist der Ort nur mehr ein teures Viertel von vielen und geht wieder in der Masse unter.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2019/smb
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