Zur Eröffnung der Ausstellung singt er wieder, der Karl Valentin. Tapfer aus den Lautsprechern, das „Lied vom Sonntag“, unterbrochen von einem Hund, einem „Sauhund“. Da kann er sich aufregen. Stoisch dagegen ignoriert er die Busse, Laster, Autos, die um die Verkehrsinsel vor dem Isartor brummen und stinken, von der man ins Tal blickt.
„Karl Valentin und Liesl Karlstadt: Heimatlos“ heißt die Freiluftausstellung, die helfen soll, die Zeit zu überbrücken, bis im Frühjahr das Valentin Karlstadt Musäum nach der Brandschutzsanierung wieder eröffnet werden soll. Musäumsleiterin Sabine Rinberger ist von der nicht so ganz überzeugt, bedauert bei ihrer Rede unter anderem die verpasste Chance, ihr Musäum barrierefrei zu machen. SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor hat Verständnis, lenkt den Blick aber auf die aktuell schwierige finanzielle Situation: „Wir haben bis jetzt sehr solidarisch gespart.“
Liesl Karlstadt und Karl Valentin sind bis zur Wiedereröffnung des Musäums immerhin nicht aus der Stadt verschwunden. Auf fünf mit bedruckten Planen bespannten Gerüsten wird assoziativ rasant vom Leben und Werk der beiden erzählt. Oder eher: Sie selber erzählen. Denn der Kurator Andreas Koll, Volkssängerexperte und bis zur Pensionierung Sammlungsleiter des Musäums, lässt die zeitweise Heimatlosen aus ihrem Leben plaudern, flankiert das mit realen Zitaten, Auszügen aus ihren Stücken und bebildert es mit einer Fülle an Fotos, die an einem der Gerüste auch ihr schwieriges Verhältnis zueinander thematisieren. Im diesem Mienenspiel liegen Welten.
Valentins Mutter kam aus Zittau, der Vater aus Darmstadt. Elisabeth Wellano, wie Karlstadt mit echtem Namen hieß, war Tochter eines Bäckermeisters, dessen Familie ihre Wurzeln in Italien hatte. Auf einer der Tafeln, die reizende Fotos der beiden Urmünchner Künstler beim Schminken in der Garderobe zeigt, wird durchaus süffisant über ihr heutiges Münchner Publikum nachgedacht, über Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund, Besucherinnen und Besucher und Nichtdeutsche – und die Frage, ob diese Unterschiede nicht einfach wurscht sind.

Die Geschichte lehrt einen sensiblen Umgang mit diesem Thema: „Vergessene Gesichter“ ist eine Tafel überschrieben mit ein paar Sätzen zu Künstlerkollegen der Münchner Komiker, die von den Nazis aussortiert wurden und in deren Vernichtungsmaschine gerieten. So wie die Schauspielerin Carola Neher, die in einem sowjetischen Gulag starb.
Die kleine Ausstellung ist auch ein Statement gegen mörderischen Nationalismus. Natürlich fehlt hier nicht Valentins gedanklich rasanter Dialog über das Fremdsein, mit dem berühmten Satz: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.“ Das Fremdsein, es ereilt einen oft ganz unvermutet. Und vor den Bildtafeln wird noch einmal deutlich, wie schön schief Valentin und Karlstadt, die man heute so nett ins Lokalkolorit eingefügt hat, auf der Bühne standen.
Man erfährt die grausige Geschichte, wie der kleine Valentin Glasscherben auf der Wiese ausstreute, an denen sich die Kinder aufschnitten. Mit echten Verletzten konnte er schöner Sanitäter spielen. Man erfährt, wie bei den beiden die tragische Verstrickung des Einzelnen, der die Welt nicht mehr begreifen kann und mag, zur Unterhaltungskunst wird. Wie sich das Absurde als beunruhigender Grundzustand des Daseins nicht mehr restlos weglachen lässt. Wie subversiv das ist, ahnten auch die Nationalsozialisten, die 1934 das Filmmeisterwerk „Der Firmling“ als jugendgefährdend eingestuften.
Karl Valentin und Liesl Karlstadt – Heimatlos. Ausstellung vor dem Isartor, bis Herbst 2025