Süddeutsche Zeitung

Kritik:Abhängige Avantgarde

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In der Inszenierung "Karl Karl und Karl" ringen drei Performer um die Gunst des Publikums, während sie österreichische Zungenbrecher rezitieren.

Von Henriette Busch

Die kleine Bühne im TamS-Theater ist dunkel. Ein schimmerndes Licht wird immer heller, die Umrisse einer Treppe sind schemenhaft zu erkennen. Von ihr steigt zaghaft eine in Gelb gekleidete Gestalt herunter und platziert sich mit weitausgestreckten Armen auf der Bühne. Ihr Blick: Ein Flehen an das Publikum, ihren Auftritt mit Applaus zu quittieren.

Die drei geschlechtslos anmutenden Protagonisten des Stücks "Karl Karl und Karl" in ihren pastellfarben schimmernden Hosenanzügen scheinen vollkommen abhängig vom Applaus und Lachen der Zuschauer zu sein. Ihnen präsentieren sie sich in der Inszenierung des Regisseurs Jakob Fedler immer wieder neu, ringen mit den noch so kleinsten und banalsten Tricks um ihre Gunst. Letztere gewährt man ihnen als Zuschauer gern, zu einnehmend ist die pantomimische Bühnenpräsenz der Schauspieler Lena Vogt, Sophie Wendt und Axel Röhrle in Kombination mit der pointierten Musik des Schlagzeugers Severin Rauch.

Eine Handlung gibt es nicht, stattdessen wechseln sich Tanz, Slapstick sowie ständige Auf- und Abgänge von der Bühne mit dem eigentlichen Kern des Stücks - dem Rezitieren von Texten des österreichischen Schriftstellers Konrad Bayer - ab. Bayer experimentierte mit Textmontagen und Wortspielen, war Dandy und Teil der Wiener Gruppe, die sich in den Fünfzigern lose formierte, um die Avantgarde im Nachkriegsösterreich nachzuholen und nahm sich das Leben.

Die vorgetragenen Texte und Gedichte ergeben oft keinen Sinn, ihr Inhalt ist trotzdem irgendwie verständlich. Zu verdanken ist das Sprachduktus, Mimik und Gestik der drei Darsteller. Sie alle verdienen Respekt für das Auswendiglernen dieser Texte, die ein Wirrwarr sind, wie es im Gedicht "Franz war" so schön heißt. So erzählt Sophie Wendt den zungenbrecherischen titelgebenden Text "Karl ein Karl" mitreißend, wenn auch mit absichtlich eingebauten Hängern. Der Charme des Stücks entsteht in dieser Unvollkommenheit der Performance, hinter der die Melancholie in Bayers Texten fast schon zu sehr in den Hintergrund tritt.

"Karl Karl und Karl", bis 6. Mai, Mi. und Sa., 20 Uhr, Theater am Sozialamt , Haimhauserstraße 13A

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