Tiere:Eine Kaninchenkolonie mitten in München

Hasen Kaninchen München

Die Kaninchen in München fühlen sich äußerst wohl.

(Foto: Florian Peljak)

Im Finanzgarten muss man nicht lange warten, bis es im Gebüsch raschelt und das erste Kaninchen durchs Gestrüpp hoppelt. Lockt man sie mit Salat, kommen sie ganz nah.

Von Jasmin Siebert

Zwischen der Von-der-Tann-Straße und der Ludwigstraße, versteckt hinter dem Bayerischen Landwirtschaftsministerium und durch die Galeriestraße vom Hofgarten getrennt, liegt der Finanzgarten. Seinen Namen hat der Park dem Umstand zu verdanken, dass einst den bayerischen Finanzministern das Recht auf Gartenbenutzung zustand. Wegen seiner geringen Größe von nur zwei Hektar auch Finanzgärtchen genannt, ist er heute Heimat einer Kaninchenkolonie mitten in München. Wie viele Tiere hier genau leben, vermag niemand zuverlässig zu schätzen, variiert die Population doch je nach Jahreszeit und Witterung.

"Ein Beispiel für eine kleine grüne Lunge der Stadt", nennt Angelika Burkhardt-Keller, Referentin beim Bund Naturschutz, die Grünanlage. Sie ist ein vergessenes Eckchen im sonst so vollen München. Für einen Ausflug zu unattraktiv, aber gut genug für eine Mittagspause im Grünen mit leisem Verkehrsrauschen im Ohr. Kaum einer kennt den Park, nur vor ein paar Jahren geriet er einmal in die Schlagzeilen, als er als Standort für einen Konzertsaal im Gespräch war. Dagegen formierte sich erfolgreich Widerstand, und die kleine Naturoase verschwand wieder weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein.

Nicht nur deswegen scheinen sich die Kaninchen dort wohlzufühlen. Die Tiere stellen keine sonderlich hohen Ansprüche an Wohnung, Nahrung und Partner, daher kommen sie auch mitten in der Großstadt gut zurecht. In München findet man sie nicht nur im Finanzgarten, sondern auch im Westpark und im Olympiapark. Dort gruben sie vor einigen Jahren so viele Tunnel durch die Schutthügel, dass diese an manchen Stellen einsackten und aufgefüllt werden mussten. Einige hundert Kaninchen dürften nach Schätzung von Angelika Burkhardt-Keller in München leben. Wie viele genau, hängt immer vom Wetter ab. In einem feuchten Frühling zum Beispiel stürben viele Jungtiere, Hitze dagegen mache ihnen nichts aus, erklärt die Referentin. Sie knabbern an Gräsern und Knospen, im Winter weichen sie auf Rinde und Zweige aus. Nicht einmal eine Wasserquelle benötigen die Tiere, sie nehmen die Flüssigkeit über die Nahrung auf.

Wer sich im Finanzgarten auf eine Bank setzt, muss nicht lange warten, bis es im Gebüsch raschelt und das erste Kaninchen durchs Gestrüpp hoppelt. Streicheln lassen sie sich zwar nicht, dafür sind sie zu scheu. Doch wer ein paar Salatblätter auf die Wiese legt, kann die Tiere aus der Nähe beim Mümmeln beobachten. Dass in dem Hügel in der Parkmitte, dem letzten Überbleibsel von Wallanlagen aus dem Dreißigjähren Krieg, eine Kaninchenkolonie lebt, erkennt man an den zahlreichen Löchern. Ins lockere Erdreich hinein haben die geselligen Tiere ein weit verzweigtes System aus Röhren und Tunneln gebuddelt, in dem die ganze Großfamilie Platz findet. Fünf bis sieben Mal pro Jahr kann eine Kaninchendame Junge bekommen, jedes Mal sind es bis zu sieben Babys.

Das Finanzgärtchen ist ein wichtiges Rückzugsgebiet

Weil im Finanzgarten einige Statuen und Kunstwerke ausgestellt sind, wird die Grünanlage seit gut 30 Jahren auch Dichtergarten genannt. Die sogenannte Dichtergrotte wurde zu Ehren von Heinrich Heine gebaut, der einst ein Jahr lang in München lebte. Die Bronzeplastik mit kleinem Brunnen und einer Tafel mit einem Zitat aus dem "Buch der Lieder" stammt von dem Künstler Toni Stadler. Auch eine Konfuzius-Statue, gestiftet von Bayerns chinesischer Partnerprovinz Shandong, sowie eine Statue des Komponisten Frédéric Chopin haben hier ihren Platz gefunden.

Unter dem gütigen Blick des Konfuzius hoppeln die Kaninchen über die Rasenfläche im vorderen Teil des Parks, der einmal der Parkplatz einer Tankstelle war. Der Komponist Chopin wiederum erträgt es gelassen, als ein Hund sein Bein hebt und ihn anpinkelt. Das Finanzgärtchen, es mag ein unscheinbarer Ort sein. Doch inmitten der hektischen, immer dichter besiedelten Großstadt ist er doch ein wichtiges Rückzugsgebiet - für Kaninchen, Menschen und große Statuen gleichermaßen.

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