Süddeutsche Zeitung

Kampfhunde:Schwer vermittelbar

Fünf Hunderassen dürfen in Bayern nicht gehalten werden, das macht dem Tierheim zu schaffen

Von Julian Hans

So wie Kira jetzt da sitzt, wirkt sie wirklich harmlos: Die Zunge hängt ihr aus dem Maul, immer wieder stößt sie die Tierpflegerin mit der Schnauze an - bitte weiter streicheln! Das ist schon ganz schön viel Zutrauen dafür, dass die zwei Jahre alte Hündin erst seit einem Tag im Riemer Tierheim ist. Am Mittwoch haben Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferats und des Tierheims zusammen mit Hundeführern der Polizei die Hündin ihrem Besitzer in München weggenommen.

American Staffordshire Terrier sind eine von fünf Hunderassen, die in Bayern gar nicht gehalten werden dürfen. Laut Kampfhundeverordnung gelten sie als "Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit". Wer trotzdem einen Pitbull, Bandog, Staffordshire oder Tosa-Inu hält, muss hohe Strafen zahlen und das Tier abgeben. Die Verordnung ist nicht neu, sie stammt aus dem Jahr 1992, trotzdem häufen sich die Fälle in jüngster Zeit. Jetzt schlägt der Tierschutzverein München Alarm, weil das Tierheim an die Grenzen seiner Belastbarkeit gerät.

"Wir sehen, dass eine große Problemwelle auf uns zukommt", sagte Claus Reichinger am Donnerstag. Der stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzvereins München befasst sich schon lange mit dem Problem der sogenannten "Listenhunde". Weil die Tiere in Bayern nicht vermittelt werden dürfen, haben die Münchner Tierschützer bisher ihre Kontakte in andere Bundesländer genutzt, um dort neue Herrchen oder Frauchen zu finden, die sie aufnehmen. In Baden Württemberg etwa sind diese Hunderassen nicht grundsätzlich verboten. Stattdessen wird in jedem Einzelfall in einem Wesenstest geprüft, ob das Tier aggressiv und gefährlich ist. Die Halter müssen ebenfalls ihre Eignung unter Beweis stellen, solche Tiere zu halten.

In etwa 70 Fällen sei es in den vergangenen drei Jahren gelungen, Listenhunde über die Grenzen Bayerns hinweg zu vermitteln, sagt Reichinger. In jüngster Zeit werde es aber zunehmend schwerer, Abnehmer zu finden: "Auch in Österreich wird der Kanal irgendwann zu sein". Deshalb hat sich der Vorstand des Tierschutzvereins vor einigen Wochen an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann gewandt. Der Vorschlag der Tierschützer: Hunde der verbotenen Rassen sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch in Bayern an neue Besitzer vermittelt werden dürfen: Wenn der Hund aus dem Tierheim kommt, ein Wesenstest ihm bescheinigt, dass er nicht gefährlich ist, und der künftige Halter ein makelloses Führungszeugnis und einen sogenannten Hundeführerschein hat.

Von den insgesamt etwa 120 Hunden in Riem fallen laut Tierheimleiterin Dalia Zohni derzeit zehn unter das Verbot. Bei ihnen ist die Vermittlung besonders schwierig und langwierig. Auch wenn die Tiere anfangs zutraulich und nicht aggressiv seien, wachse mit jedem Tag im Zwinger die Gefahr, dass das Verhalten kippt.

Dass das Problem immer drängender wird, liegt aber nicht an der Kampfhundeverordnung allein, sondern daran, dass sie immer häufiger umgangen wird: Die Kampfhunde werden oft als Welpen aus Osteuropa nach Bayern geschmuggelt und hier für viel Geld verkauft. Die Halter melden sie dann als eine andere Rasse an. Spätestens, wenn mit 18 Monaten eine Wesensprüfung fällig wird, fällt der Schwindel auf und der Hund muss abgegeben werden.

Der Innenminister hat Ausnahmen von der Kampfhundeverordnung derweil eine Absage erteilt. Es liege "in der Verantwortung der Staatsregierung, unsere Bürgerinnen und Bürger nach Möglichkeit vor der Gefahr zu schützen, Opfer von schweren Hundeangriffen zu werden", heißt es in einer Antwort von Joachim Herrmann, die den Tierschutzverein am Donnerstag erreichte. Bedauerlicherweise sei es auch mit noch so strengen Regeln nicht zu verhindern, "dass sich unverantwortliche Tierhalter darüber hinwegsetzen und letztlich unschuldige Tiere in einem Tierheim untergebracht werden müssen".

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SZ vom 26.07.2019
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