Kampf um Wohnraum:Wohnst du schon?

Airbnb Said to Be Raising Funding At $10 Billion Valuation

Portale wie Airbnb vermitteln private Wohnungen.

(Foto: Bloomberg)

Ist es in Ordnung, wenn Münchner zum Oktoberfest ihre Wohnungen über Portale zu horrenden Preisen an Touristen vermieten? Oder wenn Eigentümer mit Vermietung auf Zeit viel Geld verdienen? Regeln zur Zweckentfremdung setzen solchen Modellen Grenzen. Viele finden: zu Recht.

Von Karoline Meta Beisel

Eine in sich verdrehte Nylonstrumpfhose ersetzt bei alten Autos einen kaputten Keilriemen. Aus Mentos-Bonbons und Cola wird eine wunderbare Klebe-Fontäne. Und ganz Harte öffnen das Bier mit den Zähnen. Keiner hat etwas dagegen. Warum auch? Ist doch gut, wenn es das Auto noch zur nächsten Werkstatt schafft, die Fontäne ist lustig anzuschauen, und seine Zähne soll jeder kaputtmachen, wie er will. Niemand würde das verbieten.

Theoretisch kann man auch mit einer Wohnung vieles anstellen, das mit Wohnen nur am Rande zu tun hat: einen Nachtclub darin eröffnen, sie während der Wiesn als Ausnüchterungszelle anbieten, selbst der Zirkus könnte darin gastieren. Man könnte alle 50 Zentimeter eine Zwischenwand einziehen. Oder die Zimmer leer stehen lassen. Bloß: Erlaubt ist das nicht. Die Zweckentfremdungssatzung der Stadt München verbietet Gewerbe, übermäßig langen Leerstand und Umbauten, die das Wohnen unmöglich machen. Wer es doch tut, dem droht ein Ordnungsgeld.

Untervermietung als Riesengeschäft

Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeiter des Amtes für Wohnen und Migration laut Jahresstatistik 159 Wohnungen "vor einer Zweckentfremdung geschützt", wie es in dem Bericht heißt. Kontrolliert haben sie ungleich mehr: 17 037 Wohnungen. Der Klassiker sind jene Fälle, in denen Privatleute eine Wohnung über Portale wie Airbnb teilweise zu horrenden Preisen an zahlungswillige Touristen vermieten, oft nur für ein oder zwei Nächte. Vor allem jetzt, kurz vor der Wiesn, aber auch während großer Messen wie der Bauma ist das ein Riesengeschäft. Und oft ein Verstoß gegen die Zweckentfremdungssatzung.

Eine andere Variante sind die sogenannten Medizintouristen, häufig aus dem arabischen Raum. Sie reisen mit Kind und Kegel nach München, um sich hier wegen gesundheitlicher Probleme behandeln zu lassen, oft mehrere Monate lang. In der Ohlmüllerstraße 10 etwa werden zehn Wohnungen nur für solche Aufenthalte vermietet. Auch hier prüft die Stadt eine Zweckentfremdung.

Die meisten Münchner finden in all diesen Fällen: zu Recht! Auch so ist es schon schwer genug, eine günstige Mietwohnung zu ergattern, da braucht es nicht noch mehr Ferienwohnungen.

Geschäftsmodell Zwischenmiete

Gerhard und Isabell Feil sehen das anders. Ihr Geschäftsmodell ist im Prinzip nicht viel anders als das der Agenturen, die die Medizintouristen unterbringen. Darum haben auch sie immer wieder Kontakt zum Wohnungsamt. Und darum wollen sie ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen: Ihre Kunden könnte das abschrecken. Denn die sind nach eigener Aussage nicht in erster Linie private Touristen. Sondern vor allem große Firmen, die Mitarbeiter aus dem Ausland nach München schicken. Feils bringen die künftigen Münchner unter, bis sie eine eigene Bleibe gefunden haben. Zwei voll ausgestattete Wohnungen haben Feils im Portfolio, "Residenzen" heißen die auf ihrer Homepage. Reinigung, Telefonflatrate und Wäschewechsel inklusive. Bis auf die Größe - die eine ein Studio, die andere eine Zwei-Zimmer-Wohnung - scheinen sie vergleichbar zu sein.

Dass das nicht so ist, merkt man, wenn man versucht, über die Homepage zu reservieren. Das Studio kann man wochenweise buchen. Wer hingegen versucht, sich für denselben Zeitraum in der größeren Wohnung einzumieten, erhält eine Fehlermeldung: "Die minimale Anzahl von buchbaren Nächten ist: 90."

Isabell Feil erklärt, warum das so ist. "Bei der größeren Wohnung beharrt die Stadt darauf, dass die Mietintervalle nicht kürzer sein dürfen als drei Monate. Beim Studio haben wir gezahlt, um eine Genehmigung für die Zweckentfremdung zu bekommen."

Zahlen für die Genehmigung

Das klingt unglaublich, ist aber in der Satzung tatsächlich so vorgesehen. Entweder man schafft neuen Wohnraum als Ersatz für den, den man künftig nicht mehr zum Wohnen nutzen will. Oder man zahlt. Der Preis richtet sich nach der Lage und wird pro Quadratmeter berechnet. Das Studio der Feils ist 40 Quadratmeter groß. Wie viel genau sie für die Genehmigung gezahlt haben, sagen sie nicht.

Untervermietung von Wohnungen an arabische Gäste in München, 2014

In der Paul-Heyse-Straße werden Wohnungen teuer als temporäre Unterkunft an Medizintouristen vermietet.

(Foto: Robert Haas)

Aber das Amt für Wohnen und Migration verrät in seiner Statistik, wie viel es durch die Ausgleichszahlungen einnimmt. In den Jahren 2012 und 2013 hat die Stadt bei 177 Wohnungen die Umwandlung erlaubt. In 84 Fällen, also knapp der Hälfte, gegen Geld: insgesamt etwa 1,5 Millionen Euro, die in den Topf des kommunalen Wohnungsbauprogramms geflossen sind.

Warum die Ausgleichszahlung?

Für ihre zweite Wohnung haben Feils nicht einmal versucht, sich freizukaufen. Zum einen, weil die Zweckentfremdung in der Bayerstraße, wo die Wohnung liegt, wohl sowieso nicht erlaubt werden würde. Das Verhältnis von Wohnen und Gewerbe muss stimmen - in einer reinen Wohngegend würde wohl kein Boardinghouse erlaubt, ebenso wenig wie in einem Gebiet, in dem es schon sehr viele Hotels gibt.

Zum anderen sehen sie es aber auch einfach nicht ein, für etwas zu zahlen, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht: "Wir sind die Eigentümer dieser Wohnung, wir zahlen Gewerbesteuer, Zweitwohnungsteuer und die Mehrwertsteuer auf jede Übernachtung, die wir vermitteln. Warum sollen wir jetzt auch noch eine Ausgleichszahlung leisten?"

Vielleicht weil das sonst jeder machen würde? Weil die meisten ihre 30-Quadratmeter-Wohnung lieber für 1000 Euro an Touristen als für 600 Euro - schlimm genug - an Studenten vermieten? Weil es stimmt, was die Stadt in Paragraf eins der Satzung feststellt: "In der Landeshauptstadt München ist die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet"?

Die Stadt tut nicht genug gegen Wohnungsnot

Isabell Feil lässt das nicht gelten, weil die Stadt ihrer Auffassung nach selbst längst nicht genug tut, um für ausreichend Wohnraum zu sorgen. Auf freien Grundstücken würden Baugenehmigungen für Hotels erteilt. "Wenn Wohnraum wirklich so wichtig ist, warum dürfen dann dort Hotels entstehen und keine Wohnungen?" Ganz abgesehen von all dem Leerstand in den Wohnungen, die der Stadt gehören.

An die Dreimonatsvorgabe der Stadt für die größere Wohnung hielten sie sich, sagt Isabell Feil - auch wenn das in der Praxis bedeute, dass die Wohnung oft nur einen Monat vermietet sei und dann wieder zwei Monate leer stünde. Bei einer luxuriös ausgestatteten 90-Quadratmeter-Wohnung in der Innenstadt lohnt sich das immer noch. Eins sei für sie völlig klar: "Wir werden diese Wohnung nie wieder langfristig vermieten."

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