Kampf gegen Wohnungslosigkeit:Weg von der Straße

550 Menschen leben in München derzeit auf der Straße. Seit 2007 hat sich die Zahl der Obdachlosen um mehr als 60 Prozent erhöht. Das Sozialreferat will das Problem nun stärker bekämpfen.

Sven Loerzer

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Rund 550 Menschen leben in München auf der Straße.

(Foto: dapd)

Mit 22 neuen Stellen und einem Gesamtaufwand von 1,85 Millionen Euro will das Sozialreferat den anhaltenden Anstieg der Wohnungslosen bremsen. Fast 3000 Menschen leben derzeit in Pensionen und Notunterkünften, dazu kommen nach Schätzungen des Wohnungsamts rund 550 Menschen, die auf der Straße leben.

Bis zum Jahresende will das Sozialreferat bis zu 700 zusätzliche Übernachtungsplätze vor allem in Pensionen anmieten. Zu dem umfangreichen Programm "Wohnen statt Unterbringen", das der Sozialausschuss am Donnerstag verabschieden soll, gehören auch Winterschutzräume mit 150 Übernachtungsplätzen in der Bayernkaserne. Als allerletzte Reserve bei Frosttemperaturen soll der Bunker unter dem Hauptbahnhof dienen, der dann bis zu 150 Schlafplätze bieten könnte.

Die Anzahl der Wohnungslosen ist seit Anfang 2011 um mehr als 25 Prozent auf 2930 gestiegen, darunter 800 Kinder. Die Anzahl der Menschen, die auf der Straße leben, hat sich seit dem Tiefststand von 2007 um mehr als 60 Prozent erhöht.

Als Hauptursache sieht Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) die Entwicklung des Münchner Wohnungsmarkts. Der anhaltende Zuzug aus dem In- und Ausland führe zu einer Verschärfung der preistreibenden Mangelsituation. Immer mehr Menschen bleiben immer länger in den Notunterkünften, weil sie auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt kaum mehr vermittelbar sind.

Durch den Nachzug von Familienangehörigen anerkannter Flüchtlinge, vor allem aus Somalia und dem Irak, sei die Anzahl der Großfamilien mit bis zu 14 Familienmitgliedern in den Unterkünften stark gestiegen, erklärt die Sozialreferentin. Ein von der Stadt vor einem Jahr beauftragter Projektträger hat bereits sechs Familien in Wohnungen vermitteln können; weitere 45 große Familien sind noch in den Notunterkünften untergebracht.

Als zunehmend problematisch betrachtet die Sozialreferentin den starken Zuzug. Viele der Zuwanderer stammen aus den neuen osteuropäischen EU-Beitrittsländern und gehörten in ihrer Heimat zu den diskriminierten Minderheiten. Sie hätten hier aber kaum Chancen, ihren Lebensunterhalt und die Mieten zu finanzieren. Denn schlechte Deutschkenntnisse und mangelnde berufliche Qualifikationen eröffneten ihnen kaum Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Die Stadt sei alleine nicht in der Lage, tragfähige Lösungen zu entwickeln, hierbei seien die EU und die Heimatstaaten in der Pflicht.

Seit Juli 2011 bringt die Stadt nur noch Personen unter, die mindestens sechs Monate in München gemeldet sind. Ansonsten verweist die Stadt auf die Zuständigkeit der Herkunftsgemeinde für eine Unterbringung. Bei EU-Bürgern geht die Stadt seit September 2011 davon aus, dass sie noch Wohnraum in ihrem Heimatland haben, also nicht wohnungslos sind. Mehr als 700 Personen ist auf diese Weise bereits die Notunterbringung versagt worden.

Weil mehr als die Hälfte der Wohnungslosen, die Sozialwohnungsangebote erhalten, die Wohnung gar nicht ansieht oder ablehnt, will die Stadt diesen Personenkreis stärker betreuen und dafür insgesamt vier Stellen schaffen. Nach Berechnungen des Wohnungsamts sind etwa 1100 Personen länger in der Notunterbringung als nötig, was der Stadt Kosten in Höhe von elf Millionen Euro jährlich verursacht. Künftig soll bei mangelnder Mitwirkung, etwa wenn die Betroffenen angebotene Wohnungen gar nicht ansehen, die Notunterbringung beendet werden.

Um möglichst schnell die nötigen zusätzlichen Bettplätze zu beschaffen, hat die Stadt die "Taskforce Wohnungslosigkeit" eingerichtet. Auch die Zentrale Wohnungslosenhilfe und die Bezirkssozialarbeit sollen wegen der wachsenden Aufgaben personell erheblich verstärkt werden. Weil immer mehr Kinder in den Unterkünften leben, will das Sozialreferat vier Erzieher zusätzlich einstellen.

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