Kampf gegen Autoabgase:Bekommt München eine neue Umweltplakette?

Beschilderung der Umweltzone in München, 2012

Die Umweltzone hat sich in München bewährt. Mit der blauen Plakette könnte sie erweitert werden.

(Foto: Jakob Berr)
  • Die Münchner Umweltreferentin will dem Stadtrat eine Weiterentwicklung der bestehenden Umweltzone vorschlagen.
  • Voraussetzung ist allerdings die Einführung neuer Plaketten für Autos mit niedrigem Stickoxid-Ausstoß.
  • Sollte der Stadtrat diesem Vorschlag zustimmen, stellt sich München damit gegen den Freistaat Bayern.

Von Dominik Hutter

Pauschale Diesel-Fahrverbote in München sind weder praktisch noch juristisch umsetzbar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des städtischen Umweltreferats. Behördenchefin Stephanie Jacobs will dem Umweltausschuss des Stadtrats bei seiner Sitzung am Dienstag stattdessen eine Weiterentwicklung der bestehenden Umweltzone vorschlagen, die bislang nur auf Feinstaub ausgelegt ist.

Eine solche Ergänzung sei "mit vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand vollziehbar und verhältnismäßig umsetzbar", steht in der Beschlussvorlage der Umweltreferentin. Voraussetzung ist allerdings die Einführung neuer Plaketten für Autos mit niedrigem Stickoxid-Ausstoß, die der Bund erst noch beschließen müsste. Dies ist bislang nicht absehbar. Jacobs regt mit Verweis auf die zahlreichen Gerichtsurteile an, sozusagen auf Vorrat ein Konzept für die Stadt München auszuarbeiten.

Stimmt der Stadtrat diesem Vorschlag zu, stellt sich die Stadt damit gegen den Freistaat Bayern. Die Staatsregierung weigert sich trotz eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beharrlich, ein Konzept für Diesel-Fahrverbote auszuarbeiten. Mit einer Ausweitung der bewährten Umweltzone, so hofft Jacobs, könnten Radikallösungen wie pauschale Zufahrtsbeschränkungen verhindert werden.

Die Verursacher der hohen Stickstoffdioxid-Belastung würden gezielt und mit den notwendigen Übergangsfristen ausgesperrt. Ein solches Vorgehen ist offiziell auch im Münchner Luftreinhalteplan vorgesehen, bei dem der Freistaat die Federführung hat. Die Verkehrsministerkonferenz hat dennoch mit maßgeblicher Beteiligung der CSU die "Blaue Plakette" auf Eis gelegt. Ohne Plakette aber ist eine Ausweitung der Umweltzone nicht möglich.

Jacobs regt an, gleich mehrere neue Vignetten einzuführen, um stufenweise die Anforderungen zu verschärfen. Bereits 2008, bei Einführung der jetzigen Umweltzone, gab es rote, gelbe und grüne Aufkleber. 2010 wurden dann Autos mit roter, 2012 auch die mit gelber Plakette ausgeschlossen. Ähnlich soll es nun beim Stickstoffdioxid ablaufen. Samt den bewährten Übergangsfristen sowie Ausnahmegenehmigungen - für Einsatzfahrzeuge etwa, Arbeitsmaschinen, Oldtimer oder Motorräder. Erhalten würden die Plaketten alle Fahrzeuge mit vertretbarem Stickstoffdioxid-Ausstoß, also Benziner und Elektroautos sowie neuere Diesel (vermutlich Euro 6 oder besser).

Das Umweltreferat schätzt, dass für einen solchen Schritt rund 350 neue Schilder an den Zufahrten zur Umweltzone montiert werden müssen ("blaue Plakette frei"), was wohl in fünf Monaten und für rund 70 000 Euro zu haben wäre. Dazu kommen 40 neue Mitarbeiter in der Verwaltung, zuständig für Ausnahmeregelungen, die Ausgabe der Plaketten sowie Änderungen in den Fahrzeugpapieren.

Der Autobahnring ist die nächste Grenze

Eine räumliche Erweiterung des Plakettenbereichs hält Jacobs zunächst nicht für erforderlich. Schon die vorhandene Umweltzone, die bis zum Mittleren Ring reicht (ohne den Ring selbst) habe Auswirkungen auf die Schadstoffwerte der gesamten Münchner Autoflotte gehabt. Sollte das Gebiet später trotzdem ausgedehnt werden, wäre für Jacobs erst der Autobahnring die nächste logische Grenze.

Dann müssten auch Umlandgemeinden einbezogen werden, da die A 99 in vielen Bereichen außerhalb des Stadtgebiets verläuft. Würde ganz München zur Umweltzone, rechnet die Umweltreferentin mit neuen Schildern an rund 1500 Standorten und Kosten von rund 700 000 Euro. Kauf und Aufstellung der neuen Schilder nähmen geschätzte 13 Monate in Anspruch.

Dieser Aufwand ist freilich gar nichts gegen den, der bei einem pauschalen Diesel-Fahrverbot entstünde. Dieses Instrument könnte zum Einsatz kommen, wenn die Politik weiterhin nichts gegen die hohe Stickoxid-Belastung unternimmt - und die Gerichte daher einschneidende Schritte verlangen.

Jacobs hat schon einmal durchgespielt, was dann in München passiert: Geht die Stadt rein nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung vor (also ohne Erweiterung der Umweltzone), müssten alle Straßenzüge, in denen Grenzwerte überschritten werden, einzeln gesperrt werden. Dazu müssten für mehr als 18 Millionen Euro 130 000 Schilder angeschafft werden - der Grenzwert wird immerhin an einem Viertel des Hauptstraßennetzes überschritten. Die Aufstellung des Blechwaldes würde wohl zwei bis drei Jahre dauern.

Betroffen wären dann mindestens die rund 340 000 in München gemeldeten Dieselfahrzeuge aller Schadstoffklassen - plus alle München-Besucher und der Durchfahrtsverkehr. Problem: Um nur Dieselmotoren auszusortieren, müsste unter dem Zufahrtsverbot (roter Kreis mit schwarzem Auto) ein Zeichen "nur Diesel" angebracht werden. Dies aber ist laut Umweltreferat weder in der Straßenverkehrsordnung vorhanden noch rechtlich zulässig. Blieben wohl nur Zufahrtsverbote für alle. Das träfe dann 720 000 Autos plus alle Besucher und den Durchgangsverkehr.

Allerdings ist dies alles in den Augen Jacobs' eher theoretisch. Denn in München wären so viele Straßen von Zufahrtsverboten betroffen, dass schon eine zonenähnliche Wirkung entstünde. Die aber ist bei Einzelsperrungen laut Straßenverkehrsordnung ausgeschlossen. Weshalb das ganze Szenario nicht in Frage komme - von den Auswirkungen auf die Nebenstraßen ganz zu schweigen. Dazu kommt, dass separate Zufahrtsverbote innerhalb einer bestehenden Umweltzone nicht erlaubt sind. So dass ausgerechnet die Innenstadt von Diesel-Fahrverboten verschont bliebe.

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