Politisches Theater:In Aufbruchstimmung

Die Münchner Kammerspiele haben eine Partnerschaft mit Kunstschaffenden aus der Ukraine initiiert. Ein mehrtägiges Festival zeigt erste Ergebnisse.

Von Gabriel Berg

Circa 1400 Kilometer Luftlinie liegen zwischen München und Kiew. Von dort aus sind es noch ein paar Hundert Kilometer bis in die Ostukraine, wo ein bewaffneter Konflikt herrscht, der sich aktuell immer weiter zuspitzt. Nach internationalen Partnerschaften mit Warschau, Lomé und Damaskus haben die Münchner Kammerspiele eine neue Kooperation initiiert: die "Sisterhood Kyiv". Mit der Zusammenarbeit wird der Blick in Richtung Ukraine gewandt, der Austausch soll neue Perspektiven aufzeigen. Die Kooperation mit Kunstschaffenden und zivilgesellschaftlichen Akteuren aus der Ukraine ist stark politisch, das wird schon allein mit Blick auf den Titel deutlich. Die Verwendung der ukrainischen Schreibweise "Kyiv" statt der russischen Schreibweise Kiew macht einen großen Unterschied. Symbolisch steht sie für eine demokratische und in Richtung Westen orientierte Ukraine.

Sowohl wirtschaftlich als auch historisch haben die Ukraine und Deuschland Verflechtungen

Im Kontext der vom Auswärtigen Amt geförderten Kooperation wurden Kunstschaffende und Aktivisten aus der Ukraine nach München eingeladen. Der Dramaturg Martín Valdés-Stauber von den Münchner Kammerspielen kuratiert das Festival "Entfernte Nachbar*innen Kyiv-München", bei dem zwischen 15. und 19. Dezember die Ergebnisse der Zusammenarbeit präsentiert werden. Auf mehreren Reisen in die Ukraine hat er sich mit der Szene im Land auseinandergesetzt. "Ich war sehr beeindruckt von der Aufbruchstimmung, Energie und Kreativität der Leute", sagt Valdés-Stauber über junge Kunstschaffende in der Ukraine. "Viele zivilgesellschaftliche Themen werden anders diskutiert und der europäische Gedanke hat eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland", so der Dramaturg. Das Festival trägt den Titel "Entfernte Nachbar*innen", weil die beiden Länder, obwohl sie keine gemeinsame Grenze besitzen, viel miteinander verbindet. "Sowohl wirtschaftlich als auch historisch haben die Ukraine und Deutschland einige Verflechtungen", erklärt Valdés-Stauber. Dazu zählen auch grausame Ereignisse wie die Besetzung der Ukraine durch Nazideutschland oder die Ermordung ukrainischer Juden während des Holocausts.

Ein Schwerpunkt des Festivals sind Themen, die junge Menschen sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland beschäftigen wie etwa Feminismus und Emanzipation. Das zweisprachige Stück "Ophelia - Exit Water", welches in Zusammenarbeit mit dem Left Bank Theatre in Kiew entstanden ist, wird am 15. und 16. Dezember im Werkraum aufgeführt. Ein zweiter Aspekt umfasst die Schnittstelle zwischen Kunst und Aktivismus. Bei verschiedenen Gesprächsrunden geht es um den Krieg in der Ostukraine, die Diktatur in Belarus und um die Situation der Geflüchteten an der Grenze zu Polen. Der dritte Themenkomplex umfasst die Frage nach einer gemeinsamen Vergangenheit. Die Inszenierung "Was ist jüdische Musik?" beschäftigt sich etwa mit dem Holocaust und der Erinnerungskultur. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten nicht alle Veranstaltungen wie geplant umgesetzt werden, weshalb die Zusammenarbeit fortgesetzt werden soll.

Entfernte Nachbar*innen Kyiv-München, Mi., 15., bis So., 19. Dez., online und im Werkraum, Hildegardstraße 1, Tickets und Informationen: www.muenchner-kammerspiele.de

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