Süddeutsche Zeitung

Oper:Walpurgis' Pracht

Die Kammeroper München entdeckt im Hubertussaal die Barockoper "Talestri".

Von Egbert Tholl, München

Maria Antonia Walpurgis muss eine sehr außergewöhnliche Frau gewesen sein. Sie war die Tochter des bayerischen Kurfürsten Karl Albrecht, der später Kaiser wurde; sie heiratete den sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian, der bald nach den Thronbesteigung starb, woraufhin sie in Vormundschaft des minderjährigen Sohns die Regierungsgeschäfte führte. Eigentlich hatte sie schon zuvor regiert. Und komponiert. Und gesungen. Und Opern geschrieben. 1760 wurde in Nymphenburg ihre Oper "Talestri - Regina delle Amazzoni" aufgeführt. Was sich nun dank der Kammeroper München wiederholt.

Vermutlich durften damals mehr Menschen zuhören als nun im Hubertussaal, der auf Abstand locker bestuhlt ist, was ein gar nicht schlechtes Erleben zulässt, aber nie und nimmer so viele Besucher, dass sich die Aufführungen finanziell tragen könnten. Die Kammeroper spielt trotzdem, die Zeit der Untätigkeit muss ja endlich einmal vorbei sein, auch wenn man auf viele Freunde und Förderer hoffen muss, um das Unternehmen möglich zu machen.

In der Mitte des Saals sitzt das Häuflein der elf herrlichen Musikerinnen und Musiker, die Dirgentin Johanna Soller spielt selbst Cembalo, ach was, sie tanzt es, sie ist ein hellwaches Energiezentrum. Hinter dem Orchester eine kleine Bühne, daneben eine kleine Ruhelandschaft, Bühnenbild braucht es nicht, es reichen die prächtigen Kostüme, die Uschi Haug der Zeit der Uraufführung nachempfunden hat.

Der Stoff der "Talestri" ist typisch für die Barockoper: Die Amazonenkönigin Talestri soll Oronte, den gefangenen Prinzen der Skythen, der Göttin Diana opfern, doch sie liebt ihn und würde die Staatsgeschäfte gern ohne Blut führen. Ihre Schwester Antiope hat indes Interesse an Orontes Freund Learco entwickelt, und dann taucht noch die Skythenkönigin Tomiri auf, die mit Oronte noch eine Rechnung offen hat. So ungefähr jedenfalls, man muss sich das ein bisschen selbst zusammendenken, denn Regisseur Dominik Wilgenbus kam auf die an sich sehr gute Idee, Walpurgis selbst einzuführen. Die Situation ist nun eine Wiederaufnahmeprobe, die Walpurgis in Gestalt der Schauspielerin Carolin Fink selbst leitet. Da fließt viel mit hinein, die Diskussion der Rolle der Frau in der Kunst, Walpurgis' Trauer um den verlorenen Gatten, von dem nur noch der verwaiste Thron, ein alter Rollstuhl, übrig ist.

Gute Idee, aber Wilgenbus läuft diese aus dem Ruder, Fink redet viel in geziertem Duktus, ihre Walpurgis ist eine despotische, unfreundliche, von sich maßlos überzeugte Regisseurin, die die Oper eher zerhackt als erklärt. Aber: Das spielt kaum eine Rolle.

Zwar wird die Oper selbst so zur Nummernrevue, aber diese Nummern sind von überbordender barocker Pracht. Alexander Krampe adelt die an sich schon einfallsreiche Musik mit seinem vielfarbigen Arrangement, das Orchester strotzt vor Spielfreude und die jungen Sängerinnen und Sänger sind schlechterdings umwerfend, vor allem Cecila Gaetani, am Schluss hinreißend anrührend in der Titelpartie. Aber auch der Counter Jan Wouters, Serafina Starke, Johanna Beier, und Artur Garbas sind Verheißungen, die sich aufs Schönste erfüllen.

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