Süddeutsche Zeitung

Contra: Kamin am Heizkraftwerk Süd:Einfach weg damit!

In Ermangelung von Bauten jenseits der 100 Meter mag sich der Münchner an den 176-Meter-Schornstein gewöhnt haben. Deshalb ist er noch lange nicht schützenswert.

Kommentar von Thomas Schmidt

München ist - rein was die Höhe seiner Bauten betrifft - in etwa so flach wie die Filme von Michael Bay: Höhepunkte finden sich nur an sehr wenigen Stellen. Kein Wunder, dass bei so manchem die Sehnsucht nach weithin sichtbaren Münchner Monumenten groß ist. Offenbar so groß, dass selbst ein betongrauer Stängel, der zu nichts mehr Nutze ist, als die Aussicht zu verstellen, nun einigen als schützenswert gilt. Ernsthaft? Die Rede ist hier nicht vom Eiffelturm, von der Zeche Zollverein oder vom Alten Peter - es geht um einen schnöden Schornstein, der es mit seinen 176 Metern nicht mal annähernd in die Liste der höchsten Schlote Deutschlands schafft.

Welches Gebäude schützenswert ist, fasst das bayerische Denkmalschutzgesetz recht weit: Es verlangt eine "geschichtliche, künstlerische, städtebauliche, wissenschaftliche oder volkskundliche Bedeutung". Nichts davon trifft auf den Schlot zu. Er steht bestenfalls für ein paar Jahrzehnte Historie des Heizkraftwerks Süd - das war es aber auch schon. In Ermangelung von Bauten jenseits der 100 Meter mag sich der Münchner an die Silhouette samt Stängel gewöhnt haben, aber nur weil man sich an etwas gewöhnt hat, ist es noch lange nicht schützenswert. Städtebaulich könnte man dem Betonphallus nachsagen, er sei ein Fanal der Flachheit - des Kontrastes wegen. Eine Art schlechtes Gewissen aus mangelndem Höhenmut. Das reicht nicht zum Denkmal. Der Schornstein gehört abgerissen.

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SZ vom 29.01.2019/sekr
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