Mythos Elisabeth von Wittelsbach:Für immer Sisi

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Ihre Geschwister nannten sie Sisi, später wurde daraus auch Sissi oder Sissy: Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn gilt als eine der berühmtesten Frauen des 19. Jahrhunderts.

Ihre Geschwister nannten sie Sisi, später wurde daraus auch Sissi oder Sissy: Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn gilt als eine der berühmtesten Frauen des 19. Jahrhunderts.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Vor 185 Jahren wurde die spätere Kaiserin von Österreich-Ungarn in München geboren. Seit einiger Zeit gibt es einen Boom an neuen Büchern, Filmen, Theaterstücken, Serien oder Ausstellungen über sie. Lohnt sich das alles? Ein royaler Überblick.

Von Josef Grübl

Die Heimat der Kaiserin

Sie war ein Christkind - und ein Münchner Kindl: Geboren wurde Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach an Heiligabend im Jahr 1837. Ihr Geburtshaus, das von Leo von Klenze erbaute Herzog-Max-Palais, steht heute nicht mehr, im Nachfolgerbau in der Ludwigstraße 13 ist die Deutsche Bundesbank untergebracht. Eine Gedenktafel weist auf sie hin, darauf wird sie als "Sissy" bezeichnet. In den Fünfzigerjahren machte sie als "Sissi" Filmkarriere, mittlerweile hat sich in Büchern, Filmen oder Serien die historisch überlieferte Schreibweise "Sisi" durchgesetzt.

Davon gibt es so viele (viel mehr noch als hier aufgeführt werden), dass die Grenzen zwischen Realität und Fiktion immer mehr verwischen. Wollte Elisabeths Mutter, Herzogin Ludovika in Bayern, ursprünglich ihre älteste Tochter Helene mit Kaiser Franz Joseph von Österreich verkuppeln?

Das Film- und Fernsehpublikum bejaht das ganz entschieden - Historiker sind sich da aber eher uneins. Sicher ist nur, dass die damals 15-jährige Sisi im August 1853 mit ihrer Mutter und Schwester zum Geburtstag des Kaisers nach Bad Ischl reiste. Der damals 23-jährige Franz Joseph verliebte sich Hals über Kopf in seine Cousine, drei Tage später wurde die Verlobung bekannt gegeben. Ein Jahr später fand die Hochzeit in der Wiener Augustinerkirche statt.

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Elisabeth wuchs in München und am Westufer des Starnberger Sees auf. Schloss Possenhofen wurde später umgebaut, heute befinden sich darin Wohnungen.

Elisabeth wuchs in München und am Westufer des Starnberger Sees auf. Schloss Possenhofen wurde später umgebaut, heute befinden sich darin Wohnungen.

(Foto: Nila Thiel)

In Wien und Bad Ischl erinnern viele Plätze, Straßen und Gebäude an die Kaiserin, im heutigen München muss man länger suchen: Der Elisabethplatz und die Elisabethstraße in Schwabing sind nach ihr benannt, die benachbarte Franz-Joseph-Straße nach ihrem Ehemann. Elisabeth wuchs in München und am Starnberger See auf, dort besaß die Familie einen Landsitz. Schloss Possenhofen wurde umgebaut, heute befinden sich darin Eigentumswohnungen.

Besichtigen kann man es nicht, die Parkanlagen sind aber öffentlich zugänglich. Auch als erwachsene Frau war Sisi gerne am Starnberger See, sie besuchte die Roseninsel und nächtigte im Hotel "Kaiserin Elisabeth" in Feldafing. Das Hotel gibt es noch, wird in den kommenden Jahren aber umgebaut. Im Hotelgarten erinnert ein Marmordenkmal an sie.

Die Kaiserin im Museum

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Vor dem historischen Bahnhof Possenhofen steht eine Sisi-Statue, im Bahnhofsgebäude ist das Kaiserin-Elisabeth-Museum untergebracht.

Vor dem historischen Bahnhof Possenhofen steht eine Sisi-Statue, im Bahnhofsgebäude ist das Kaiserin-Elisabeth-Museum untergebracht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Während man im Sisi-Museum in der Wiener Hofburg Kleidungsstücke, Koffer oder den Totenschein der Kaiserin sehen und in Bad Ischl die Sommerresidenz der Habsburger besichtigen kann, hält man auch in Bayern an ihrem Erbe fest. Im Kaiserin-Elisabeth-Museum in Possenhofen etwa: Sisi verbrachte die Sommermonate ihrer Kindheit am Westufer des Starnberger Sees. Nur im Sommer ist auch das im historischen Bahnhof Possenhofen untergebrachte Museum geöffnet. Ausgestellt werden Briefe, Karten oder Gemälde, Porträts, Puderdosen oder Gedenkmedaillen.

Ein Museum beherbergt auch das Wasserschloss im Aichacher Stadtteil Unterwittelsbach, wohin Sisis Vater Herzog Max in Bayern gern zur Jagd kam. Lange Zeit war das kleine Schloss für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, heute kann man es besichtigen. Die einzelnen Räume widmen sich den Themen Heirat, Schönheit oder Reisen. Derzeit ist Winterpause, ab April 2023 öffnet die Ausstellung "Kaiserin Elisabeth - Ein Leben in Gold und Silber".

In Bayreuth gibt es kein Sisi-Museum, an die Kaiserin erinnert man sich trotzdem: Als Bewunderin von Richard Wagner besuchte sie 1888 eine "Parsifal"-Aufführung im Festspielhaus. Heute gibt es eine weitere Verbindung: Die Netflix-Serie "Die Kaiserin" wurde im Neuen Schloss, der Eremitage und dem Schloss Fantaisie gedreht. Bei Besichtigungen kommt fast ein bisschen Sisi-Stimmung auf.

Die Kaiserin im Kino

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Viele Schauspielerinnen spielten die Kaiserin, vergleichen lassen müssen sie sich alle mit ihr: Romy Schneider verkörperte "Sissi" in drei Filmen. Hier an ihrer Seite: Film-Ehemann Franz Joseph (Karlheinz Böhm).

Viele Schauspielerinnen spielten die Kaiserin, vergleichen lassen müssen sie sich alle mit ihr: Romy Schneider verkörperte "Sissi" in drei Filmen. Hier an ihrer Seite: Film-Ehemann Franz Joseph (Karlheinz Böhm).

(Foto: Mary Evans/imago)

Die Schauspielerinnen Vicky Krieps, Susanne Wolff, Sunnyi Melles, Dominique Devenport oder Devrim Lingnau könnten kaum unterschiedlicher sein, eins haben sie aber gemeinsam: Sie alle mussten sich mit einer Ikone vergleichen lassen - mit Romy Schneider. An den drei "Sissi"-Filmen aus den Fünfzigerjahren mit der jungen Romy Schneider kommen eben auch die Stars von heute kaum vorbei.

Romy Schneider beklagte sich zeitlebens, dass die Rolle an ihr klebe "wie Grießbrei". Einen vierten "Sissi"-Film lehnte sie ab, für Luchino Visconti machte sie eine Ausnahme: Der italienische Regisseur drehte 1972 mit Helmut Berger einen Film über "Ludwig II.", Romy Schneider spielte dessen Großcousine Elisabeth. Mit der herzigen Sissi aus ihren Jugendjahren hatte das aber nichts mehr zu tun.

Die "Sissi"-Filme laufen jedes Jahr im Fernsehen, auch streamen kann man sie. Andere Filme sind heute vergessen, vielleicht zu Recht: 1989 drehte Walter Bockmayer die Trash-Revue "Sissi - Beuteljahre einer Kaiserin" (nach seinem gleichnamigen Bühnenstück), zwei Jahrzehnte später kam Michael "Bully" Herbigs Animationsfilm "Lissi und der Wilde Kaiser" in die Kinos. Die Sisi-Filme sind auch stets Zeichen ihrer Zeit: Aus der Heile-Welt-Kaiserin der Wirtschaftswunderzeit wurde eine Parodie im Pop-Zeitalter.

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Ein feministisch-satirischer Blick auf die Kaiserin: 2023 läuft der Kinofilm "Sisi & ich" an, darin wird die Geschichte von Sisi (Susanne Wolff, rechts) aus der Sicht ihrer Hofdame (Sandra Hüller) erzählt.

Ein feministisch-satirischer Blick auf die Kaiserin: 2023 läuft der Kinofilm "Sisi & ich" an, darin wird die Geschichte von Sisi (Susanne Wolff, rechts) aus der Sicht ihrer Hofdame (Sandra Hüller) erzählt.

(Foto: Bernd Spauke/Walker+Worm Film)

Mit Prinzessinnenkitsch oder Parodien wollen die neuen Filme (auch das 2019 entstandenes Dokudrama mit Sunnyi Melles) nichts zu tun haben. Vicky Krieps etwa brilliert in "Corsage" als vierzigjährige Kaiserin, die mit ihrem Alter, Aussehen und ihrer Rolle in der Öffentlichkeit hadert. Der Film der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer lief im Mai 2022 in Cannes und eröffnete das Filmfest München, seit Kurzem ist er als DVD oder Stream erhältlich. Und Krieps wurde beim Europäischen Filmpreis als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Im März 2023 soll Frauke Finsterwalders und Christian Krachts Kinofilm "Sisi & ich" anlaufen, ein feministisch-satirischer Blick auf Elisabeth (Susanne Wolff) aus der Sicht ihrer Hofdame (Sandra Hüller). Die ewige Kaiserin erfindet sich eben immer wieder neu.

Die Kaiserin geht in Serie

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Dominique Devenport und Jannik Schümann spielen das Kaiserpaar in der RTL-Serie "Sisi". Hier ein Foto von den Dreharbeiten zur zweiten Staffel.

Dominique Devenport und Jannik Schümann spielen das Kaiserpaar in der RTL-Serie "Sisi". Hier ein Foto von den Dreharbeiten zur zweiten Staffel.

(Foto: Backstage / Behind the Scenes/RTL+ / Armands Virbulis)

Während es im Kino derzeit um die ältere Kaiserin geht, ist sie im Fernsehen ewig jung: Im Jahr 1997 wurde sie zur Zeichentrickfigur, die französisch-kanadische Serie "Sissi" drehte sich 52 Folgen lang um die große Liebe, um Eichhörnchen, Pferde und Papageien.

Nicht ganz so kinderfreundlich geht es in der RTL-Serie "Sisi" (2021) zu: Gleich in der ersten Folge sieht man die 15-jährige Titelheldin (Dominique Devenport) im Bett beim Masturbieren. Immerhin gesteht Sisi ihrer Schwester, dass sie an den Kaiser (Jannik Schümann) gedacht hat. Historische Genauigkeit war den Machern nicht so wichtig, sie wollten eine moderne und facettenreiche Frauenfigur zeigen. Dem Publikum scheint es gefallen zu haben: Die Serie war ein Erfolg (zuerst als Stream, danach im TV-Programm von RTL), eine zweite Staffel ist gerade erschienen.

Eine Sisi aus Deutschland für den Weltmarkt präsentiert Netflix mit "Die Kaiserin": Ebenfalls sechs Folgen lang und ebenfalls sehr frei interpretiert geht es um die Liebesgeschichte von Sisi und Franz (Devrim Lingnau und Philip Froissant). Die Serie ist ein Welthit, stand in 88 Ländern in den Serien-Top-Ten des Streamingdienstes. Deshalb geht es auch hier weiter, neue Folgen werden 2023 gedreht.

Bühne frei für die Kaiserin

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: "Ich gehör nur mir": Die junge Elisabeth (Abla Alaoui) und Kaiser Franz Joseph (André Bauer) im Bühnenmusical "Elisabeth".

"Ich gehör nur mir": Die junge Elisabeth (Abla Alaoui) und Kaiser Franz Joseph (André Bauer) im Bühnenmusical "Elisabeth".

(Foto: Katharina Schiffl/Show Factory Entertainment)

Da steht sie auf der Bühne und singt: "Ich bin nicht das Eigentum von dir, denn ich gehör' nur mir." Die Geschichte der Kaiserin wurde vor 30 Jahren in Wien als Musical uraufgeführt. Es ist ein Totentanz, der die Geschichte von hinten aufrollt, Sisis Mörder Luigi Lucheni spielt eine tragende Rolle. "Elisabeth" von Michael Kunze und Sylvester Levay wurde zum Publikumshit und in Österreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Finnland, Südkorea oder Japan aufgeführt. In München machte es mehrmals im Rahmen einer Musical-Tour halt, in Wien wird es im Sommer 2023 als konzertante Aufführung in Schönbrunn gezeigt.

Ebenfalls in Wien feierte die Operette "Sissy" Premiere, allerdings schon im Jahr 1932. Das Libretto stammte von den Brüdern Hubert und Ernst Marischka, letzterer inszenierte später auch ab 1955 die "Sissi"-Filme. Die Operette wird noch aufgeführt, zuletzt im Sommer 2022 in Österreich. Im bayerischen Landkreis Aichach-Friedberg war vor einigen Monaten die Theaterproduktion "Sisi - Schwarz ist der Kronprinz meiner Farben" zu sehen, sie basiert auf Gedichten der Kaiserin und von Heinrich Heine. 2023 soll es weitere Aufführungen geben: im Wittelsbacher Schloss Friedberg.

Aber noch einmal zurück zu Ernst Marischka: Am 12. Februar 2023 wird im Gasteig HP8 sein "Sissi"-Film aus dem Jahr 1955 auf großer Leinwand aufgeführt, das Besondere daran: Die Filmmusik von Anton Profes wird live vom Pilsen Philharmonic Orchestra eingespielt.

Bücher über die Kaiserin

Mythos Elisabeth von Wittelsbach: Karen Duve ist begeisterte Reiterin, in ihrem neuen Roman schreibt sie über Pferde - und über die zu ihrer Zeit beste Reiterin der Welt: "Sisi".

Karen Duve ist begeisterte Reiterin, in ihrem neuen Roman schreibt sie über Pferde - und über die zu ihrer Zeit beste Reiterin der Welt: "Sisi".

(Foto: Kiepenheuer & Witsch)

Bücher über die Kaiserin gibt es zuhauf, in den letzten Jahren erschienen Biografien, Romane, Chroniken, Krimis oder Comics. Sogar ein Sisi-Kochbuch gibt es - mit all jenen bayerisch-österreichischen Schmankerln, die die an einer Essstörung leidende Kaiserin garantiert nie zu sich genommen hat.

In den Bestsellerlisten steht aktuell Karen Duves bei Galiani erschienener Roman "Sisi". Auf dessen Cover zu sehen ist aber kein Kaiserinnenbild, sondern das von zwei prächtigen Rössern. Und um Pferde geht es auch in diesem Buch: Um den Reitsport im 19. Jahrhundert, um Jagden und die dafür nötigen Pferde, Kleider und Ausrüstungsgegenstände. Ursprünglich habe sie ein Pferdebuch schreiben wollen, sagte Duve in einem Interview. Dann aber stieß sie auf die Geschichte jener Frau, von der es hieß, sie sei zu ihrer Zeit die beste Reiterin der Welt gewesen: Sisi. So wurde aus dem Pferdebuch ein Roman über die wohl berühmteste Frau des 19. Jahrhunderts.

Und genau deshalb wird der Strom an neuen Büchern, Filmen, Serien, Theaterstücken oder Ausstellungen über die Kaiserin nicht so schnell abreißen, man besingt ihre Schönheit, bewundert ihren Eigensinn und beklagt ihr tragisches Ende am Genfer See. Immer wieder und immer wieder aufs Neue, das Publikum kriegt nicht genug von ihr.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusLeben in der Jachenau
:Vom Glück der Einsamen

Kein Skizirkus, kein Wellnesshotel, kein Gewerbegebiet - im abgeschiedenen Gebirgstal der Jachenau leben die Menschen nach alten Traditionen. Es gibt viele Gründe, warum von hier niemand weg will.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: