Süddeutsche Zeitung

Kaffee:Wenn deutsche Touristen den italienischen Barista verwirren

Der italienische caffè ist billiger als zu Hause und trotzdem so viel besser. Jetzt müsste man ihn nur noch bestellen können.

Von Elisa Britzelmeier

Manager sagen ja gerne solche Dinge: Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, müsse man entweder billiger werden oder besser. Dass das großer Unfug ist, sieht man am Espresso.

Der ist in Italien nämlich billiger und besser als in Deutschland. Überall am Lago bekommt man ihn kräftig, heiß und stark, mit einer schönen Crema oben drauf. Und während der Münchner ihn durchaus zu genießen weiß, ist die Welt des italienischen caffè für ihn dennoch voller Rätsel und Fallen.

Es fängt schon mit der Bar an, denn wo am Gardasee Bar draufsteht, gibt es meistens Kaffee - Alkohol dagegen eher so am Rande. Der Italiener trinkt den Espresso gerne im Stehen, zwei Schluck, weg ist er. Der Münchner setzt sich lieber, er ist ja im Urlaub, was schön ist, aber gleich auch mehr kostet: An den meisten touristischen Plätzen führen die Lokale zwei Preise auf, den einen am Tisch, den anderen "al banco", also am Tresen.

Der ist dafür aber auch wirklich günstig, zwischen 1,10 und 1,50 Euro zahlt man am Gardasee für einen Espresso. Das geht in Süditalien noch billiger, aber wer die Münchner Innenstadtpreise kennt, fragt sich schon, wie das sein kann. Italien muss doch den Kaffee genauso importieren wie Deutschland.

Wie kann Bier gleich viel kosten wie Wasser?

"Gute Frage", sagt der Barista in Torbole und blickt zu seiner Chefin. Die Wirtin antwortet erst mit einem Achselzucken, dann legt sie los mit einer langen Erzählung von Flughäfen und sonstigen Orten, an denen sie schon furchtbar überteuerten Kaffee getrunken hat. Und der Wein im Ausland erst! In Florida gab es da mal einen Roten, so sauer, dass man ihn in Italien höchstens über den Salat kippen würde.

Irgendwann schaltet sich ein älterer Signore am Tresen ein, jaja, die Preise heutzutage . . . bis der Barista sagt: "Naja, vielleicht liegt es auch an der Röstung." Gut möglich, sind sich alle einig, schließlich sind die italienischen Kaffeeröstereien groß, Pellini in Richtung Verona drüben zum Beispiel ist bekannt, vielleicht können die günstiger produzieren.

Eine weitere Erklärung: Während der Münchner daheim die deutsche Kaffeesteuer zahlen muss, gibt es die in Italien in dieser Form nicht. Entsprechend großes Mitleid haben die italienischen Touristen, wenn sie nach München kommen, man sieht sie dann irritiert in Cafés an der Kuchentheke stehen, bis eine Kellnerin sie bittet, sich zu setzen. Noch mehr wundern sich die Italiener beim München-Besuch nur darüber, dass Bier ungefähr gleich viel kosten kann wie Wasser.

Überhaupt, caffè - allein das Wort. Während der gemeine Tourist einen "Espresso" bestellt, weiß der Kenner, dass es caffè heißt - "kaffä", schleudert er über den Tresen. Kann gut sein, dass der Barista trotzdem "Espresso?" zurückfragt, hier am Lago sind sie ja gewohnt, dass man Deutsch spricht. Und auch wenn die Aussprache genau richtig war, passiert es, dass der Kellner sich erkundigt - "caffè liscio?", glatter, einfacher Kaffee also.

Mit dem verwässerten Zeug to go hat das nichts zu tun

Denn im Norden wird der Espresso oft macchiato getrunken, mit ein wenig Milchschaum oben drauf. Das ist nicht zu verwechseln mit dem latte macchiato, der zum größten Teil aus Milch besteht und in den Augen mancher Italiener allenfalls für Kinder taugt. Der Süditaliener trinkt dagegen am liebsten überhaupt keine Milch im Kaffee, erst recht nicht nach der Pizza.

Und dann, der caffè steht endlich vor einem: dieser Geschmack! Intensiv, trotzdem rund und schmeichelnd. Mit dem verwässerten Zeug to go, das sie in München zuhauf anbieten, hat das nichts zu tun. Zum Mitnehmen bestellt man den Kaffee in Italien ohnehin nicht, nie, auf keinen Fall.

Der Geschmack, sagt der Barista in Torbole, komme übrigens auch daher, dass die Espressomaschine beständig läuft. Je mehr caffè sie am Tag mache, desto besser. Mag sein, doch ein Verdacht drängt sich auf, mit Blick auf den See, der Felsen ragt über dem Ufer: Was, wenn es an der Kulisse liegt? Bleibt nur eines: bald wiederkommen.

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SZ vom 09.08.2016/mkro
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