Tambosi:Ganz große Oper

Seit 1775 trifft man sich hier zum Sehen und Gesehenwerden: im Tambosi am Hofgarten, dem ältesteten durchgehend betriebenen Kaffeehaus in München. Hier gibt es nicht nur selbstgebackenen Kuchen und lauschige Plätze für Pärchen, sondern auch jede Menge italienisches Flair.

Annette Wild

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Tambosi: 1775 eröffnete der Italiener Giovanni Pietro Sardi am Münchner Hofgarten einen kleinen Laden, in dem er Kaffee, Limonade und Schokolade ausschenken durfte - das heutige Tambosi.

1775 eröffnete der Italiener Giovanni Pietro Sardi am Münchner Hofgarten einen kleinen Laden, in dem er Kaffee, Limonade und Schokolade ausschenken durfte - das heutige Tambosi.

(Foto: lok)

Ein besorgter Lehrer, Karl Gottlieb Hering, komponierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sachsen folgendes Lied für seine Schüler: "C-A-F-F-E-E, trink nicht so viel Caffee. Nicht für Kinder ist der Türkentrank, schwächt die Nerven, macht ihn blass und krank. Sei doch kein Muselmann, der das nicht lassen kann." Zu dieser Zeit galt der exotische "Türkentrank" hierzulande als neues, anregendes Getränk der höheren Schichten.

Schon einige Jahrzehnte zuvor, man schrieb das Jahr 1775, eröffnete der Italiener Giovanni Pietro Sardi am Münchner Hofgarten einen kleinen Laden, in dem er Kaffee, Limonade und Schokolade ausschenken durfte. Gerade mal drei Kaffeehäuser waren damals in München zugelassen. Die Obrigkeit befürchtete nämlich, dass es sonst irgendwann mehr Kaffee- als Bierschenken geben könnte. Sie sollte recht behalten.

1810 pachtete der gelernte Schokolateur Luigi Tambosi aus Trient das Geschäft. 1822 wurde das Haus abgerissen und nach Plänen von Leo von Klenze durch ein klassizistisches Bazargebäude mit Arkaden ersetzt. Das prächtige, dreigeschossige Tambosi besaß einen Tanzsaal, ein Theater und sogar ein Kartenspielzimmer. "Manche Altmünchner sagen heute noch, wenn sie beim Karteln ein Herzsolo spielen: So spuist wie beim Tambosi", weiß Andrea Waldecker, die mit ihrem Mann Frank seit 1997 das Tambosi betreibt.

Damals hätten sich in dem Kaffeehaus Künstler, Adelige und das Militär getroffen. "Wer was auf sich hielt, ging ins Tambosi oder ließ sich von ihm beliefern", sagt die Gastronomin. Nach der Spätmesse in der Theatinerkirche sei man zum Liebäugeln und Tändeln durch den Hofgarten geschlendert. Auch heute noch spiele das Tambosi eine wichtige Rolle in Herzensangelegenheiten: "Bei uns trifft man sich gerne zum ersten Date. Das Tambosi ist schick, aber nicht überspannt und liegt sehr zentral", meint Waldecker.

In den plüschigen Nischen im ersten Stock finden Pärchen oder Menschen, die eines werden wollen, die nötige Intimsphäre für derlei Treffen. Die vom Tambosi selbst gebackenen Kuchen sind so groß, dass man sie sich teilen und dabei näher kommen kann. Auch beim 900 Gramm schweren Florentinersteak, der Spezialität des Hauses, das mit Rosmarinkartoffeln und Grillgemüse serviert wird.

1871 ging nach mehr als 60 Jahren die große Zeit der Tambosis zu Ende. Von 1871 bis 1921 wechselte das Kaffee Besitzer, Namen und verlor nach und nach an Ansehen. Anfang der 20er Jahre übernahmen August und Anna Annast aus Salzburg das Café und machten aus ihm einen Ort mit Wiener Schick. Nachdem das Annast 1970 geschlossen wurde, verfiel das Lokal viele Jahre in einen Dornröschenschlaf, bis die Waldeckers es 1997 wieder wachküssten.

Die Gastronomen sind stolz auf die Geschichte ihres Hauses. Nicht umsonst haben sie auch den Namen Tambosi wieder zum Leben erweckt. Das Ehepaar hat im Stadtarchiv recherchiert, die alten Wandmalereien rekonstruieren lassen, Reproduktionen alter Stiche und Fotografien an die Wände gehängt. "Die Polsterstühle haben mein Mann und ich aber auf einer Italienreise erstanden", so Waldecker.

Italienisch ist auch die Art der Bestuhlung vor der Tür. Hier sitzt man unter den goldenen Tambosi-Lettern nicht um einen Tisch gruppiert, sondern wie im Zuschauerraum eines Theaters in Reihen Richtung Sensation. Die Bühne ist der Odeonsplatz mit Hofgartenportal, der Residenz, Feldherrenhalle und Theatinerkirche. Hier lässt man sich einen Ristretto, einen Sprizz, einen Teller Tagespasta mit kleinem Glas Wein, ein Tramezzino oder eine Piadina schmecken - und schaut, was so alles vorbeiflaniert. Wer es etwas grüner und ruhiger mag: Im Hofgarten hat das Tambosi noch mal 700 Plätze. "Die Männer setzen sich fast immer automatisch an die Biertische, die Frauen an die Kaffeetische", sagt Waldecker und grinst. Wenn das Wetter schön ist, machen die Waldeckers auch ein Augustiner-Holzfass im Hofgarten auf. "Anstich ist dann meist um 17 Uhr", so Waldecker.

Das Gastonomenpaar lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen. Am bekanntesten ist wohl die Tambosi-Oper, die jeden Mai Premiere feiert und jeden Donnerstag ab 19 Uhr im Tambosi aufgeführt wird. Andrea Waldecker erfindet jährlich eine neue humorige Geschichte, die von Liebe, Leidenschaft, Italien und München handelt und von Gesangsstudenten vorgetragen wird.

Im Sommer sitzt man dafür unter den Arkaden an einer langen Tafel, lauscht den vier Akten und genießt ein Fünf-Gänge-Menü. Im Winter findet die Aufführung im Speisesalon im ersten Stock statt. Die diesjährige Tambosi-Oper "Amore di Verona" ist bereits Waldeckers neunte Inszenierung und spielt natürlich in Verona, aber auch am Gardasee. Das C-A-F-F-E-E-Lied wird man dabei freilich nicht zu hören bekommen, sondern Ohrwürmer berühmter Opern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: