Kämpfer für den Frieden:Auf der anderen Seite

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Die Verfassung ist eine "Werteordnung, die für jeden Einzelnen konkret von Bedeutung ist", sagt Klaus Hahnzog, der als Bub den Krieg erlebte. (Foto: Bardehle)

Klaus Hahnzog ist Ehrenkurator der Friedenskonferenz

Von Thomas Schmidt, München

Als Klaus Hahnzog mit sechs Jahren in Berlin eingeschult wird, ist die Welt längst aus den Fugen geraten. Sie steht in Flammen, damals, bei seiner Einschulung im Jahr 1942. Eines Tages "fehlte dann mein Banknachbar", erzählt der heute 79-Jährige. "Das erste Bombenopfer der Klasse." Nichts wie raus aus Berlin, Flucht aufs Land, zur Großmutter. Doch der Krieg folgt ihm. Auf den Äckern der Bauern hechtet der Bub immer wieder in Gräben, um sich vor Tieffliegern zu verstecken. "Das alles hat mich so geprägt", sagt Klaus Hahnzog - ehemaliger Dritter Bürgermeister in München, Ex-Landtagsabgeordneter der SPD -, "dass ich von Klein auf wusste: Ich stehe auf der anderen Seite."

Seine Seite, das war am vergangenen Wochenende die 14. Münchner Friedenskonferenz. Hahnzog ist Ehrenkurator der Gegenveranstaltung zur Siko, bei der auch die Situation in Syrien und die weltweiten Flüchtlingsbewegungen im Mittelpunkt standen. "Die Flüchtlinge", sagt Hahnzog, "sind nur die Auswirkung." Die Ursachen seien Krieg, Waffenexporte, die Bedrohung der Lebensgrundlage der Menschen in ihren Heimatländern.

Hahnzog ist Jurist, Mitglied am Bayerischen Verfassungsgerichtshof, und das merkt man. Eine Obergrenze für Flüchtlinge, wie sie die CSU fordert, bezeichnet er als "klar verfassungswidrig". Auch die Einsätze der Bundeswehr beäugt er kritisch. Hahnzog zählt Paragrafen auf, und verurteilt eine deutsche Beteiligung an Flügen bewaffneter Drohnen als "nach dem Grundgesetz unmöglich". Ist das nicht zu abstrakt, um Demonstranten zu mobilisieren? Er zögert keine Sekunde: "Die Verfassung ist nichts Abstraktes", sprudelt er, "sie ist eine Werteordnung, die für jeden Einzelnen konkret von Bedeutung ist."

Seit nunmehr 14 Jahren findet die Friedenskonferenz parallel zur Siko in München statt. "Eine gute Veranstaltung", sagt Hahnzog. Der Protest sei mit den Jahren immer vernetzter geworden, mit Kirchen, Gewerkschaften, anderen Organisationen. Ein Nachwuchsproblem sieht der 79-Jährige nicht. Tatsächlich waren am Wochenende auffällig viele junge Menschen unterwegs. Dass sich die nicht nur bei großen "Events" engagieren, habe man zuletzt bei der ehrenamtlichen Arbeit mit den Flüchtlingen gesehen. "Wir sind froh über die Jungen", sagt Hahnzog, die trotz Pegida und AfD "nicht starr in Angst verharren".

Und, wer weiß, vielleicht lasse sich ja wirklich etwas bewirken. Etwa beim Freihandelsabkommen TTIP. Hahnzog liebäugelt mit einem bayerischen Volksbegehren, das die Staatsregierung zwingen könnte, sich im Bundesrat dagegen einzusetzen. "Dazu laufen gerade die ersten Gespräche", sagt Hahnzog. Protest, sagt er, sei manchmal wichtig, um "die nächste Stufe" einzuleiten.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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