Rathaus:Münchens Kämmerer hört überraschend auf

Lesezeit: 3 Min.

  • Ernst Wolowicz will zum 31. Oktober sein Amt als Kämmerer der Stadt aufgeben.
  • Sein Nachfolger soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Christoph Frey werden.
  • Frey ist derzeit Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in München.

Von Heiner Effern, Dominik Hutter und Sven Loerzer, München

Die SPD plant einen spektakulären Wechsel an einer der zentralen Machtpositionen der Stadt: Kämmerer Ernst Wolowicz will zum 31. Oktober dieses Jahres sein Amt aufgeben. Nachfolger soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Christoph Frey werden, derzeit einer von zwei Geschäftsführern der Arbeiterwohlfahrt in München (Awo).

Die Gründe für seinen vorzeitigen Rückzug seien "rein persönlich", sagte Wolowicz. Schon seit längerer Zeit ringe er mit dem Gedanken, "ob das Leben nur aus Arbeit besteht". Ende Oktober erreiche er mit 65 Jahren und sieben Monaten das Alter, in dem auch die Kollegen im öffentlichen Dienst in den Ruhestand gingen. Danach wolle er noch einen Lebensabschnitt genießen, in dem er frei über seine Zeit verfügen könne.

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Die Eckpunkte des Haushaltsplans für das Jahr 2018 seien zwar erfreulich, findet Oberbürgermeister Dieter Reiter. Dennoch müsse die Stadt bei den Ausgaben auf die Bremse treten.

Von Heiner Effern

In sein Büro im ersten Stock des Rathauses soll Christoph Frey einziehen. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine Partei sollen sich auf ihn bereits verständigt haben. Der 41-jährige Frey ist seit 2012 Geschäftsführer der Awo, einem der sechs großen Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Die Awo unterhält eine Vielzahl von sozialen Einrichtungen wie Pflegeheime, Kindertagesstätten oder Beratungsstellen und beschäftigt etwa 2300 Mitarbeiter. Frey hat Politik und Erziehungswissenschaften studiert.

Er kandidierte 2008 für den Stadtrat, dem er aber nur kurzzeitig von Dezember 2013 bis zum Ende der Wahlperiode im April 2014 als SPD-Nachrücker angehörte. Frey hatte sich bereits als Regionssekretär des DGB und dann als DGB-Vorsitzender gute Kenntnisse in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik erworben. Er gilt eher als Mann der leiseren Töne und der Zurückhaltung. Bereits 2016 war er für die Nachfolge von Sozialreferentin Brigitte Meier im Gespräch, nun soll er eine mindestens ebenso gewichtige Position in der Stadtpolitik einnehmen.

Wolowicz ist auch für die städtischen Kliniken zuständig

Die Fußabdrücke seines Vorgängers sind groß: Wolowicz hat nicht nur den Ruf eines ausgefuchsten Finanzmanns, er gilt auch als einer der engsten politischen Vertrauten von Oberbürgermeister Dieter Reiter. Deshalb sieht ihn auch niemand als politisch neutralen Verwaltungsmann, der gebürtige Aschauer ist Sozialdemokrat durch und durch. Der heutige Kämmerer ist seit 1975 SPD-Mitglied, in den Achtzigerjahren war er Münchner Juso-Chef und politisch entsprechend links ausgerichtet.

Seine Neigung, auch mit unbequemen Meinungen nicht hinter dem Berg zu halten, verhalf ihm schließlich früh zum Einzug in die Schaltzentrale der kommunalen Macht: ins Büro des damaligen OB Georg Kronawitter. Als dieser im September 1993 durch Christian Ude abgelöst wurde, ließ der den Büroleiter seines Vorgängers im Amt. Parallel dazu leitete Wolowicz neun Jahre lang das städtische Direktorium. 2004 wurde er Kämmerer.

Ein Mann, zwei Jobs. Das ist in seiner aktuellen Funktion nicht viel anders. Neben den städtischen Finanzen ist Wolowicz auch noch für die städtischen Kliniken zuständig, Krankenhausreferent sozusagen. Diese Position bekam er von Ude aufgebrummt, als die Finanzsituation der Kliniken immer heikler wurde. Zusätzlich gilt der Kämmerer auch als genialer Strippenzieher.

Vor allem seine Zeit im OB-Büro, in dem alle politischen Fäden zusammenlaufen, hat ihm geholfen, die entsprechenden Kontakte und Einblicke zu gewinnen. Auch zu Reiter hatte Wolowicz gute Beziehungen, als dieser 2014 zum Rathauschef gewählt wurde: Reiter war zuvor Stadtdirektor in der Kämmerei gewesen, also der Stellvertreter Wolowiczs. Der neue OB soll seinen früheren Chef dringend gebeten haben, noch eine Amtszeit dranzuhängen.

Legendär sind im Rathaus die Haushaltsreden des Kämmerers, der sich jedes Jahr einen neuen rhetorischen Coup ausdenkt. Wolowicz hat vor einigen Jahren das Kunststück vollbracht, eine Rede mit Zitaten auszuschmücken, die exakt das Gegenteil dessen ausdrückten, was der Kämmerer inhaltlich zum Besten gab. Zitat plus Dementi sozusagen, das lockert eine Rede zu einem eher trockenen Thema ungemein auf. Bei solchen Auftritten ist der sonst eher stille Mann in seinem Element. Sein Ziel, auch Laien in die Geheimnisse der kommunalen Haushaltsführung einzuweihen, verfolgt er mit großer Geduld.

Nun will er eine neue Zeit genießen: ein Mann, kein Job. "Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist", sagt Wolowicz. Trotz der voll gepackten Tage mache ihm die Arbeit schon noch Spaß, erschöpft fühle er sich nicht. "Dafür bekommt man zu viele Adrenalinstöße." Er wolle aber endlich spontan und auch lange verreisen können oder Ausflüge unternehmen. Und das bei bester Gesundheit. "Wer weiß, wie lange man die hat?"

Vor zwei Jahren wurde er bis 2022 wiedergewählt. Da sei er überzeugt davon gewesen, seine dritte Amtszeit durchzuziehen, sagt Wolowicz. Doch dann habe ein Prozess eingesetzt, der zu einem Umdenken geführt habe. Seine Ruhestandspläne müssen wohl noch einige rechtliche und politische Hürden nehmen. Um ohne finanzielle Nachteile auszuscheiden, ist eine offizielle Amtszeitverkürzung notwendig. Nach Informationen der SZ soll OB Reiter ein entsprechendes Anliegen bereits bei der Regierung von Oberbayern platziert haben. Auch der Stadtrat wird darüber abstimmen müssen.

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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