Süddeutsche Zeitung

Obdachlose im Winter:Im Kälteschutz sind noch viele Plätze frei

Von Thomas Anlauf

In der "Schiller 25" herrscht am Freitag Hochbetrieb. Vor dem Tresen des Info- und Beratungszentrums der Inneren Mission im Bahnhofsviertel drängen sich Männer und Frauen, die einen warmen Platz für die Nacht brauchen. Seit Tagen steigen die Temperaturen kaum über den Gefrierpunkt, nachts droht den Obdachlosen im Freien der Tod. "Es ist viel los hier, klar. Es schneit, es ist kalt", sagt Milka Musovic, die stellvertretende Leiterin.

Insgesamt 300 Menschen ohne Bleibe werden in dieser Nacht den Kälteschutz in der Bayernkaserne in Anspruch nehmen. Im Beratungszentrum an der Schillerstraße bekommen sie ein kostenloses Ticket, um zur Heidemannstraße fahren zu können, dort gibt es am Empfang eine frische Decke, ein Leintuch und einen warmen Schlafplatz im Mehrbettzimmer. Trotz der Kälte ist noch reichlich Platz in den ehemaligen Häusern der Bayernkaserne. Bis zu 850 Menschen könnten hier kostenlos schlafen, künftig das ganze Jahr.

Trotzdem sind bei weitem nicht alle Obdachlosen, die in München leben, in diesen Tagen im Kälteschutz. Etwa 1000 Menschen, schätzen Sozialexperten, leben auf der Straße. "Es gibt psychisch beeinträchtigte Personen, die es vorziehen, im Freien zu schlafen statt mit anderen in der Bayernkaserne", sagt Musovic. Andere nehmen die eisige Kälte in Kauf, um Alkohol trinken zu können, was in der Bayernkaserne tabu ist.

Einige Obdachlose schlafen momentan mitten im verschneiten Hofgarten, wissen die Streetworker. Dabei gibt es mittlerweile sogar Essen in der Bayernkaserne. Studenten kochen heiße Suppen, Nachbarn bringen Sandwiches vorbei. "Der Kälteschutz kommt im Bewusstsein der Leute an, was uns sehr freut", sagt Milka Musovic.

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Quelle:
SZ vom 12.01.2019
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