Süddeutsche Zeitung

Juwelier Fridrich:Gemeinsam in die Zukunft denken

Seit der Gründung vor mehr als 150 Jahren ist Juwelier Fridrich in Familienhand. Inzwischen arbeitet die sechste Generation im Geschäft mit und kümmert sich darum, dass das Unternehmen auch digital präsent ist.

Von Catherine Hoffmann

Stephan Lindner, 62, und sein Sohn Leopold, 23, sitzen im Halbrund eines Tisches, an dem sonst Schmuck und Uhren verkauft werden. Neben den Fenstern stehen Vitrinen mit Zeitmessern von Nomos, Omega, Junghans, Breitling und anderen Manufakturen. Im Jahr 1864 hat Stephan Lindners Ururgroßvater Johann Baptist Fridrich eine Uhrmacherei in der Sendlinger Gasse, der heutigen Sendlinger Straße, gegründet. Seither gibt es das Juweliergeschäft Fridrich an diesem Ort. Es überstand den Ersten Weltkrieg fast unversehrt, wurde im Zweiten schwer beschädigt und geplündert. Fridrich trotzte den unruhigen Zeiten und blieb immer in Familienhand.

"Wenn man die zweite, dritte Generation erreicht hat, will man, dass es auch eine vierte, fünfte, sechste schafft", sagt Stephan Lindner. Schon als Kind hat er im Laden geholfen, die Schaufenster für Weihnachten dekoriert, den Türsteher gemacht und Kunden begrüßt. Der Wettbewerb hat seine Branche verändert. Es gibt immer weniger kleine, familiengeführte Juweliere in München, aber mehr Konzerne oder größere Familienunternehmen wie Wempe und Bucherer. So mancher musste mangels Nachfolger aufgeben.

Stephan Lindner, der als Vertreter der fünften Generation zusammen mit seinem Cousin Korbinian Fridrich die Geschäfte führt, konnte seinen Sohn Leopold ("Poldi") für das Familienunternehmen begeistern. Vater und Sohn arbeiten jetzt zusammen. Es soll ein schleichender Übergang werden von einer Generation zur nächsten. Dabei wird Wissen nicht nur von den Älteren an die Jüngeren übermittelt, es nimmt auch den umgekehrten Weg. Veränderungen werden eher sanft vorangetrieben.

Und so ist der Junior nach einem BWL-Studium und einer Ausbildung zum Diamantengutachter in diesem Jahr in die Firma eingestiegen. Er kümmert sich um alles, was digital ist, und hat dafür gesorgt, dass die Website des Juweliers einen Onlineshop und ein neues Design bekommt. Die Domain fridrich.de hat man sich schon 1993 "für einen Haufen Geld, damals schon," gesichert, erzählt Stephan Lindner. Aber erst die sechste Generation wusste, was man machen muss, um digital wahrgenommen zu werden. "Der Poldi hat andere Ideen, er denkt anders als ich", sagt Stephan Lindner. "Mit unseren Kunden ist es genauso. Der Poldi von meinem Kunden denkt auch anders als mein Kunde."

In drei Schritten zum Verlobungsring

Nicht nur im Unternehmen, auch bei der Kundschaft gibt es einen Generationenwechsel. "Wenn meine Generation einen Verlobungsring oder ein Diamantarmband sucht, was macht sie? Sie geht ins Internet, um sich zu informieren", sagt Leopold Lindner. Also hat er dafür gesorgt, dass die Website des Juweliers alles bereithält, was ein unerfahrener Schmuckkäufer wissen will: Wie unterscheidet sich Platin von Weißgold? Was bestimmt den Wert eines Diamanten? Und auch das: in drei Schritten zum Verlobungsring. "Wir geben uns sehr viel Mühe mit unseren Inhalten", sagt Leopold Lindner.

Und weil das im Internet niemals reicht, arbeitet man auch mit Partnern zusammen, die bei Suchmaschinenoptimierung, Google-Werbung und dergleichen helfen. Wer "Juwelier München" in seine Suchmaschine eintippt, soll so als Erstes auf Fridrich treffen. Und nicht auf Big Player wie Wempe, Bucherer, Christ, Renésim, die ganz anderes Geld zur Verfügung haben, um bei Google sichtbar zu werden.

Eines ist Leopold Lindner dabei besonders wichtig: "Unser Ziel ist nicht der Onlineverkauf. Unser Ziel ist es, am Ende den Kunden ins Geschäft zu bekommen." Das funktioniere schon ganz gut. Was am meisten genutzt werde auf der Website, sei das Kontaktformular für Anfragen.

Idealerweise laufe es so: Ein junger Mann, der noch wenig Berührungspunkte mit Schmuck hatte und nicht weiß, wie viel Geld er für einen Diamantring ausgeben soll, will einen Verlobungsring. Er schaut sich im Internet um, stößt auf die Seiten von Fridrich, stöbert dort herum und stellt fest: Bei 200 Euro geht es los, nach oben sind aber fast keine Grenzen gesetzt. Er kommt ins Geschäft, um sich beraten zu lassen, um die vielen feinen Unterschiede verschiedener Ringe zu besehen und zu befühlen. "Wenn wir es schaffen, diesen Kunden von uns zu überzeugen und er bei uns kauft, dann kommt er vielleicht auch in Zukunft wieder", hofft Leopold Lindner.

Nach 30 Jahren steht ein großer Umbau an

Nicht nur die Website des Traditionsgeschäfts muss mit der Zeit gehen, auch Einrichtung und Architektur des Hauses an der Sendlinger Straße 15. "Wir wollen umbauen, bevor uns die Kunden sagen, bei euch ist's ganz schön verstaubt", sagt Stephan Lindner. Die Einrichtung ist 30 Jahre alt, auch das Äußere des im 15. Jahrhundert erbauten Gebäudes hat sich seit den 1970er-Jahren nicht mehr verändert. Ein Bauantrag liegt bei der Lokalbaukommission.

Wenn die Genehmigung rechtzeitig kommt, soll zwischen Mai und September 2022 renoviert werden. Diesmal will die Familie ihre Hochkaräter aber nicht aus einem Container heraus verkaufen wie zuletzt beim Umbau 1990. Stephan Lindner bereiten die Baumaßnahmen Kopfzerbrechen. Ob alles nach Zeitplan läuft? Und dann sei da noch die "Begleitmusik Corona", die alles schwierig mache.

"Im Frühjahr vergangenen Jahres hatten wir wegen der Pandemie acht Wochen zu", sagt Stephan Lindner. "Das gab es zuvor noch nie. Die Oma ist im Krieg noch ins Geschäft gefahren." "Mimi" Lindner, geborene Fridrich, übernahm die Geschäfte, nachdem ihr Bruder Wilhelm Fridrich zum Kriegsdienst eingezogen worden war. Sie überdauerte die Angriffe auf München auf dem Land. Luftminen zerstörten damals einen großen Teil der Gebäude an der Sendlinger Straße, auch das Haus des Juweliers Fridrich wurde schwer beschädigt, das die Urgroßeltern einst erworben hatten. "Als Mimi nach Kriegsende einmal morgens in die Stadt kam, fand sie auf der Sendlinger Straße verstreute Schmucketuis - unser Laden war geplündert worden", erzählt Stephan Lindner. Aber ein geschlossenes Geschäft, das gab es nie.

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