Das Problem ist immer dasselbe: Geld. Wer ein Unternehmen gründen will, braucht Kapital. Die meisten leihen es sich bei der Bank. Den 18 angehenden Unternehmensgründern in diesem Seminarraum mit PVC-Boden und hellgelben Wänden jedoch leiht niemand einfach so Geld. "Das Problem ist", sagt Martin langsam und stockt, bevor er den Satz zu Ende spricht, "dass wir Betrüger sind."
Martin, Mitte 50, hat eben seine Idee vorgestellt: ein Taxiunternehmen mit Elektroautos. Eigentlich heißt Martin anders, wie alle Kursteilnehmer, die in diesem Text vorkommen. Sie alle sind Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt München Stadelheim.
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Gewaltfreie Kommunikation sei eines der wichtigsten Dinge, die es im Kurs zu lernen gilt, sagt Dozent Bernhard Eggerbauer (stehend).
Bild: Fritz Beck -
Klassisches Unternehmer-Outfit sieht anders aus: Die Teilnehmer der Kurse tragen blaue Hosen und andere Anstaltskleidung.
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Mit Lego-Modellen zeigen sie, was ihre Geschäftsidee ausmachen soll.
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"Viel im Kopf, aber nie was draus gemacht": Das will Marco nun ändern.
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Der Raum wirkt wie ein gewöhnlicher Seminarraum, mit Flipcharts und Tischen in U-Form. Doch vor den Fenstern sind Gitter angebracht, draußen steht eine sechs Meter hohe Mauer mit Stacheldraht, und alle 18 Teilnehmer tragen dunkelblaue Hosen, graue oder blaue Hemden oder Sweatshirts - die bayerische Gefangenenkleidung. Morgens, in den Pausen und am Ende des Tages führen Beamte sie durch mehrere Sicherheitsschleusen.
Der Knast als Talentpool
Die Gefangenen sind Teil eines in Deutschland einzigartigen Programms: Die gemeinnützige GmbH Leonhard aus Gräfelfing bei München bildet sie während der Haft zu Unternehmern aus. 2010 haben Maren Jopen, 37, und ihr Vater Bernward, 72, das Unternehmen gegründet. Leonhard, nach dem Schutzpatron der Gefangenen. Für die 15 bis 18 Kursplätze, die zweimal im Jahr angeboten werden, können sich männliche Häftlinge aus den 36 Haftanstalten in Bayern bewerben. "Besonders hat uns fasziniert, wie viele Talente im Gefängnis schlummern", sagt Maren Jopen. "Und zu sehen, mit welcher Zuversicht die Häftlinge in die Zukunft blicken, obwohl sie an so einem deprimierenden Ort wie einem Gefängnis sind."
Der Knast als Talentpool? Klingt seltsam. Aber nur auf den ersten Blick. Denn: Auch kriminelle Energie ist zunächst mal Energie. Die man vielleicht einfach nur umleiten muss. Auch Kriminelle haben Fähigkeiten, mitunter welche, die dem Durchschnittsmenschen manchmal fehlen: Initiative, Durchsetzungsvermögen, Risikobereitschaft. Dieser Gedanke lässt die Jopens nicht mehr los. In ihren Kursen sitzen heute viele Teilnehmer, die in ihrem Leben etwas erreichen wollten. "Nur haben sie das auf illegale Weise versucht", sagt Maren Jopen. "Wer erfolgreich Drogen verkauft, kennt sich aus mit Akquise, Organisation und Personalplanung", sagt sie.
Marco, 28, ist seit 2011 eingesperrt. Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nachdem ihn seine Freundin verlassen und den gemeinsamen Sohn mitgenommen hatte, verletzte er im Drogenrausch einen Menschen und griff einen Polizisten an. Davor hatte er immer wieder Probleme mit Alkohol und Drogen, mit 17 machte er die erste Therapie.
"Meine Freundin sagt immer, ich habe ziemlich viel im Kopf, aber nie was daraus gemacht", sagt Marco, dunkle Locken, dunkle Augen, das Hemd spannt an den Oberarmen. Er hat nie eine Ausbildung gemacht, schlug sich mit Aushilfsjobs als Veranstaltungstechniker durch. "Und dann haben die hier gesagt, dass ich was aus meinem Leben machen kann, obwohl vorher nur Blödsinn passiert ist."