Juristischer Rat:"Wer eine Vollmacht ausstellt, muss unbedingt eine Kontrollinstanz einbauen"

Lesezeit: 3 min

Michael Bonefeld ist Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht in München. Er engagiert sich beim Institut für Erbrecht, einer europaweiten Vereinigung von Erbrechtsspezialisten. (Foto: Privat)

Rechtsanwalt Michael Bonefeld spricht über die Probleme, die auftauchen, wenn jemand versucht, auf unmoralische Weise in den Besitz einer Erbschaft zu gelangen.

Interview von Imke Plesch

SZ: Gibt es eigentlich eine rechtliche Definition von Erbschleicherei?

Michael Bonefeld: Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man darunter, dass eine Person auf unmoralische, aber nicht unbedingt strafbare Weise Einfluss nimmt auf eine andere Person, die etwas zu vererben hat. Der Wille dieser Person wird dabei manipuliert. Das Problem ist allerdings, das auch zu beweisen.

Ein entscheidender Punkt ist hierbei ja die Frage, ob jemand noch geschäfts- oder testierfähig ist, wenn er ein Testament oder eine Vollmacht aufsetzt.

Man kann von einem Notar nicht verlangen, einen Demenztest mit jemandem zu machen. Ich sage den Angehörigen aber auch, dass sie nicht immer alles nachvollziehen müssen, was ihre Eltern oder Großeltern entscheiden! Nur weil jemand vielleicht ein Schrat oder ein Eigenbrötler ist, ist er noch nicht geschäftsunfähig. Der andere kann ganz andere Werte haben als man selbst. Wenn jemand aber das willenlose Werkzeug von jemandem wird, dann ist es schlecht. Eine Grauzone wird man hier aber immer zulassen müssen.

Wie gehen Erbschleicher vor?

Ich spreche da von den drei Stufen oder drei A: Anpirschen, abhängig machen, abzocken. Erst sagt der Erbschleicher dem alten Menschen: "Ich bin für dich da." Im zweiten Schritt wird die Person von ihrem bisherigen Umfeld isoliert und es heißt dann "Ich bin der Einzige, der für dich da ist." Und wer dann genug kriminelle Energie hat, bedient sich, ohne rot zu werden. Der Weg zur Erbschleicherei läuft meistens noch zu Lebzeiten über eine Vorsorgevollmacht.

Wann ist es sinnvoll, jemandem eine Vorsorgevollmacht auszustellen?

Wenn ich Vertrauenspersonen habe, wie Ehepartner oder Kinder, ist es normalerweise unproblematisch. Es gibt dann verschiedene Möglichkeiten: Man kann ganz konkrete Dinge regeln, wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht, dass das Haus nicht verkauft werden darf oder dass das Pflegepersonal mich nicht duzen soll. Oder man kann jemandem eine Generalvollmacht ausstellen, das ist der häufigste Fall. Dann kann der Bevollmächtigte auch über Vermögenswerte verfügen. Ich rate aber davon ab, Fremden eine Vollmacht zu erteilen.

Warum?

Ich habe in meiner Tätigkeit als Anwalt schlechte Erfahrungen gemacht mit Vollmachten. Das Problem ist, dass es keine Kontrollinstanz gibt. Der Vollmachtgeber soll den Vollmachtnehmer selbst kontrollieren. Wenn der Vollmachtgeber dazu geistig aber nicht mehr in der Lage ist, hakt das System.

Was passiert dann?

Problematisch ist es, wenn jemand keinen sozialen Unterbau hat. In achtzig Prozent der Fälle bei mir in der Kanzlei geht es um alleinstehende ältere Menschen, die keine Angehörigen haben oder deren Kinder weit weg wohnen. Die geben dann jemandem aus der Nachbarschaft eine Vollmacht und niemand bekommt mit, wenn der Nachbar sich dann vom Konto bedient. Wenn der Nachbar dann auch noch der Alleinerbe ist, dann ist es vorbei. Solche Fälle passieren meistens in Großstädten. Auf dem Dorf ist die soziale Kontrolle größer, da bekommt das jemand mit, der einschreiten kann.

Wie kann man so einen Fall verhindern?

Wenn man jemandem eine Vollmacht ausstellt, sollte man eine Kontrollinstanz einbauen, also eine zweite Person, die den Bevollmächtigten kontrolliert. Auf diese Möglichkeit wird in den gängigen Formularen der Ministerien oder bei den Betreuungsstellen aber kaum hingewiesen, da bräuchten wir unbedingt bessere Formulare. Allerdings ist es für Alleinstehende in der Praxis oft schwierig, einen Kontrollbevollmächtigten zu finden, wenn sie kaum soziale Kontakte haben.

Was kann man in so einem Fall tun?

Wenn es darum geht, Hilfe von Fremden anzunehmen, rate ich eher zu einer Betreuungsverfügung, also zur Einsetzung eines gesetzlichen Betreuers. Anders als der Bevollmächtigte wird der Betreuer nämlich vom Staat überwacht.

Was kann ich machen, wenn meine Mutter plötzlich jemand anderem alles vererben will oder ich das Gefühl habe, jemand bedient sich von ihrem Konto, so dass am Ende gar kein Geld mehr übrig ist?

Sie sind als Kind geschützt durch das Pflichtteilsrecht, also einer Mindestbeteiligung am Nachlass. Schenkungen zu Lebzeiten lassen sich aber kaum kontrollieren, weil man als Erbe zum Beispiel keinen Anspruch darauf hat, Belege einzusehen. Man könnte ein notarielles Nachlassverzeichnis einholen: Der Notar ist zu Eigenermittlungen verpflichtet und kann zum Beispiel die Kontoauszüge des Verstorbenen der letzten zehn Jahre kontrollieren. Die Notare sind mit derartigen Verzeichnissen aber total überfordert. Hier sollte der Gesetzgeber endlich - ähnlich wie beim Unterhalt - einen generellen Beleganspruch für Pflichtteilsberechtigte verankern. Das würde einige Probleme lösen.

Wäre es sinnvoll, einen neuen Straftatbestand einzuführen, wie zum Beispiel in den USA "financial abuse of elderly people", also finanzieller Missbrauch älterer Menschen?

Das ist aus meiner Sicht kaum zielführend. Der "abuse", also Missbrauch, ist sehr subjektiv, wie soll man den in ein Gesetz packen? Ich denke, wir sind in Deutschland durch die geltenden Gesetze auch so hinreichend geschützt.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: