Süddeutsche Zeitung

"Junior Games" in München:Wo Juden, Muslime und Christen ohne Vorurteile fechten

Bei den ersten jüdischen Bundesjugendspielen Deutschlands geht es um weit mehr als nur Sport. Sie werden zu einer Art interreligiösem Austausch.

Von Melanie Staudinger

Eigentlich müsste Daniel Tarchis gerade am Schreibtisch sitzen. Der 18-Jährige steckt mitten in den Abiturprüfungen, Philosophie steht noch an. Doch in den vergangenen fünf Tagen hat er Schule einfach mal Schule sein lassen und ist von Aachen nach München gefahren. Draußen in Riem traf er fast 400 Jugendliche aus Deutschland, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Denn auf dem Sportgelände von Maccabi München fanden von Mittwoch bis Sonntag die ersten jüdischen Bundesjugendspiele Deutschlands statt, die Junior Games.

Daniel Tarchis spielt Tennis, ziemlich gut sogar. Am Sonntag aber läuft es nicht ganz so optimal. 0:6, 0:6 unterliegt er im Finale seinem Konkurrenten. Macht trotzdem Platz 2. "Nächstes Jahr will ich bei den European Maccabi Games antreten", sagt Tarchis. Da müsse er sich noch steigern. Dennoch habe es ihm gut gefallen in München, berichtet der Schüler. Vor allem habe ihn gefreut, auch mit christlichen und muslimischen Jugendlichen in Kontakt zu kommen. "Wir haben viele religiöse Gespräche geführt", berichtet der 18-Jährige. Ein richtig interessanter Kulturaustausch sei das gewesen.

Bei den ersten jüdischen Bundesjugendspielen sollen die Teilnehmer gemeinsam Spaß haben und Vorurteile gegen Juden abbauen. Sie fallen in eine Zeit, in der in Deutschland viel über Antisemitismus diskutiert wird. Nach Jahren, in denen judenfeindliche Taten rückläufig waren, nimmt deren Zahl aktuell wieder zu. In Berlin wurden zwei kippatragende Männer von arabisch sprechenden Männern attackiert, kurze Zeit später gab es heftige Kritik an der Verleihung des Echo-Preises an zwei Rapper, die für ihre zum Teil antisemitischen und sexistischen Texte bekannt sind. Es ist aber auch ein Jahr, in dem sich viele Menschen solidarisch erklärten mit Aktionen wie "Berlin trägt Kippa".

Und eben das Jahr der ersten jüdischen Bundesjugendspiele, zu denen explizit auch andersgläubige Jugendliche eingeladen waren. Dass die Veranstaltung überhaupt zustande kam, ist Alfi Goldenberg zu verdanken, dem Vizepräsidenten von Makkabi Deutschland. Und zwar im vergangenen Jahr, als er bei der "Maccabiah" in Israel war, der drittgrößten Sportveranstaltung der Welt, zu der mehr als 10 000 Sportler aus 80 Ländern anreisten. "Wir wollten etwas machen für die tollen Jugendlichen, die in unseren Vereinen Sport machen", sagt Goldenberg. Kurz darauf traf er in München den damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer bei der Einweihung des Denkmals für die Opfer des Olympia-Attentats 1972 und erzählte ihm von seiner Idee. Der wollte die jüdischen Bundesjugendspiele sogar finanziell unterstützen.

"Leider ist es bei diesem Lippenbekenntnis geblieben", sagt Mike Salomon Delberg von Makkabi Deutschland. Geld habe es keins vom Freistaat gegeben, von der Stadt München hingegen schon. Goldenberg, Delberg und ihre Mitstreiter organisierten ein großes Sportfest, viel größer, als sie selbst dachten. "Wir haben mit 100, vielleicht 150 Teilnehmern gerechnet", sagt Goldenberg. 370 wurden es, darunter auch Muslime, die trotz des Ramadan-Fastens an den Wettkämpfen teilnahmen. Auf dem Programm standen acht Sportarten: Fußball, Fechten, Volleyball, Tennis, Tischtennis, Basketball, Schach und virtuelle Spiele auf der Playstation.

Es gibt eine Hüpfburg, Trampolins, Klettermöglichkeiten und jede Menge schattige Plätze, an denen die Jugendlichen ins Gespräch kommen können. Der Spaß soll eben nicht zu kurz kommen. Und auch der Sport nicht. "Wir nutzen die Tage hier natürlich auch, um Talente zu entdecken", sagt Alex Bondarenko, im Präsidium für die Jugendarbeit zuständig. Deshalb gibt es für die drei Erstplatzierten in jeder Disziplin auch Medaillen.

"Wir hatten erst Bedenken, weil die Wettervorhersage nicht allzu gut war", berichtet Delberg. Gewitter sollte es geben, jeden Tag. Doch die Münchner hätten versichert, dass über ihrem Sportgelände die Sonne scheinen werde - und so kam es auch. Lediglich beim gemeinsamen Besuch im Olympiapark, wo die Jugendlichen der Opfer des palästinensischen Terroranschlags von 1972 gedachten, regnete es. Während Seehofer seine Zusage offenbar vergessen hatte, ließ sich ein anderer CSU-Politiker schon sehen: Ludwig Spaenle, früher Kultusminister und heute Antisemitismusbeauftragter der Staatsregierung. "Die Veranstaltung zeigt auf sehr beeindruckende Weise, dass das jüdische Leben in der Mitte der Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert hat", sagte er. Die Junior Games setzten ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus und seien ein guter Moment, um antisemitischen Gedanken massiv entgegenzutreten.

München soll nur Auftakt der Junior Games sein. Alle zwei bis vier Jahre soll es künftig solche Bundesjugendspiele geben. Die nächsten werden voraussichtlich in Frankfurt am Main stattfinden.

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SZ vom 04.06.2018/imei
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