Junge Gastgeber:Zweiter Aufschwung zum Applaus

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Anna Seliger und Willi Wermelt, einst Macher der Ferienbetreuung Lilalu, haben ein neues Projekt gestartet. An diesem Sonntag zeigen 85 Kinder im Roncalli-Zirkuszelt, was sie in dem Programm gelernt haben

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Moosach

Wenn sich an diesem Sonntag um 10.30 Uhr der Vorhang hebt im Roncalli-Zirkuszelt, dann werden nicht die Trapezkünstlerin Adèle Fame, der schelmische Clown Paolo Casanova, das Trio Csàszàr mit seinem Schleuderbrett oder die beiden Töchter von Roncalli-Gründer Bernhard Paul ins Scheinwerferlicht treten, sondern etwa 85 vermutlich recht aufgeregte Kinder. Die Fünf- bis 13-Jährigen haben in den Herbstferien im Pelkovenschlössl vier Tage lang das Ferienprogramm "A.pplaus" besucht, ein kleinerer Teil von ihnen hat seine Künste auch im Zuge der Ganztagsbetreuung an der Schule gelernt. Bestreiten werden sie ihre "Gala" mit Akrobatik, Break- und Streetdance, Luftartistik und Gesang.

Hinter Applaus (der Lesbarkeit halber nun ohne Pünktchen), der "Ferienakademie" oder auch dem "künstlerisch inszenierten Bildungsprogramm", wie es in der Selbstdarstellung heißt, stehen Anna Seliger und Willi Wermelt, viele Jahre lang verantwortlich für Lilalu. Nachdem dieses bei Münchner Eltern höchst beliebte zirzensische Ferienbetreuungsprogramm insolvent geworden und von den Johannitern übernommen worden war, waren die beiden noch einige Jahre weiter dort angestellt, ehe sich die Johanniter im Oktober 2015 von ihnen trennten.

Stimmungsvoll beleuchtet von gut 10000 Glühbirnen und Messinglampen: das Zelt des Circus Roncalli bei der Premiere seines Münchner Jubiläumsgastspiels. (Foto: Robert Haas)

Seliger und Wermelt riefen umgehend Applaus ins Leben, im Konzept stark angelehnt an Lilalu, und gewannen als Partner den Verein für Sozialarbeit, einen großen Kinder- und Jugendhilfeträger. Ostern 2016 sollten die ersten Workshops stattfinden - doch weil der erhoffte beträchtliche städtische Zuschuss aus diversen Gründen ausblieb, mussten alle fürs Jahr geplanten Ferienworkshops kurzfristig gestrichen werden. Der Verein für Sozialarbeit, sagt Wermelt heute, habe sie damals "ein bisschen im Regen stehen gelassen".

Nach dem missglückten großen Sprung aus dem Stand und "einer Denkpause" bauten sie ihr Projekt von ganz unten auf, in bescheidenerem Rahmen. Im Herbst 2016 kam das erste Münchner Applaus-Ferienprogramm für 30 Kinder im Pelkovenschlössl unter, dem von der SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor geleiteten Moosacher Kulturhaus. Seine Premiere hatte Applaus da aber schon längst gehabt, im Januar im baden-württtembergischen Schwetzingen. Nach Ansicht einer örtlichen Tageszeitung wies das neue Format "keine inhaltlichen Änderungen zum Vorgängermodell" Lilalu auf, Seliger dagegen sprach davon, das Baby (Lilalu also) sei erwachsen geworden. Auch im Sommer 2016 boten die beiden Programmmacher Applaus wieder eine Woche lang in Schwetzingen an. Inzwischen haben sich die Schwetzinger und die zwei Münchner getrennt. Doch "weitere Bildungsprogramme von Applaus in anderen Bundesländern sind in Vorbereitung", verspricht dessen Facebook-Seite.

Proben für den großen Auftritt: Wer bei der Gala andere zum Lachen bringen will, muss vorher lernen, wie man lustig ist. (Foto: Andreas Schebesta/oh)

Bei der zweiten Runde in diesen Herbstferien in Moosach ist Applaus schon ein bisschen stärker geworden, etwa 55 Kinder übten sich im Umgang mit dem Vertikaltuch, in Akrobatik, Breakdance oder Musicaldarbietungen. Außerdem arbeiten Seliger und Wermelt mit einigen Schulen in München zusammen, die das bunte Angebot in ihren Ganztagsunterricht oder ihre Ferienbetreuung integrieren. "Klein und übersichtlich", so beschreibt Wermelt das neue Motto. Um sich von anderen Zirkusferiengeboten zu unterscheiden, heißen die Workshops jetzt Module, die Workshopleiter Dozenten. Und die Preise, diesen Seitenhieb kann sich Wermelt nicht verkneifen, "sind viel günstiger als bei Lilalu". Auf aufwendige und teure Kostüme verzichte man, "wir orientieren uns jetzt mehr "in Richtung Street-Performance", erläutert Wermelt, der bei Applaus für Künstler-Kooperationen und die Organisation von Kulturevents zuständig ist, während Seliger als pädagogische Leiterin und Bildungsexpertin firmiert.

Für die Organisation des "Events" in der Roncalli-Manege am Sonntag, im Kreativquartier am Leonrodplatz, haben alte Kontakte sicher nicht geschadet. Willi Wermelt hat Anfang der 1980er Jahre eine Zeitlang beim Circus Roncalli gearbeitet. Auch finanzielle Unterstützung konnte sich das Duo sichern, beim Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, in dem beide für die SPD Mitglied sind. Der Zirkus stellt zwar das Zelt, die Technik und sein Personal gratis zur Verfügung, doch für organisatorisches, pädagogisches und artistisches Personal für die Generalprobe und die Gala beantragten Wermelt und Seliger 2055 Euro - und bekamen sie auch, mit einer Gegenstimme.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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