Süddeutsche Zeitung

Junge Bundestagskandidaten:Kampf gegen Goliath

Mit 29 Jahren ist Klaus Mueller einer der jüngsten Bundestagskandidaten in München. Einen David-gegen-Goliath-Kampf ficht er nicht nur wegen seines Alters.

Angela Gruber

Klaus Mueller stellt sich nicht gerne in den Vordergrund. "Es geht nicht darum, mich selbst darzustellen, sondern darum, dass wir es schaffen, dass die Wähler die Piratenpartei ernst nehmen", sagt der IT-Fachmann. Der 29-Jährige, tritt für die Piratenpartei auf der Landesliste Bayerns an - und will sich in den Dienst seiner Partei stellen. Für diese tritt er auf der bayerischen Landesliste auf Platz zwei an.

Er ist einer der wenigen Bundestagskandidaten, die unter 30 Jahren alt sind. In seiner Partei aber ist er fast schon ein alter Hase, die Piraten haben vor allem bei jungen Menschen großen Zulauf. Während das Durchschnittsalter eines bayerischen Bundestagskandidaten bei 48 Jahren liegt, ist Klaus Mueller in der Liste seiner Piratenpartei kein Ausreißer: Der durchschnittliche Piraten-Kandidat ist nämlich nur 29 Jahre alt.

Das junge Alter der Piraten-Unterstützer erklärt sich vor allem durch die Themenagenda der 2006 gegründeten Partei. Die Auseinandersetzung mit der Informationsgesellschaft ist ihr ausschließliches Thema. Sie kritisieren Internetzensur, Patente und Vorratsdatenspeicherung.

Großes Interesse an Technik - und Politik

Seit der Gründungsphase der Piraten im Jahr 2006 ist der aus Kaufbeuren stammende IT-Fachmann dabei, seit Anfang 2007 stellvertretender Vorsitzender. Nach München kam der 29-Jährige berufsbedingt. Davor hat er in Köln Rettungsingenieurswesen studiert. "Das heißt so, weil man danach in der Regel zur Feuerwehr geht", sagt Klaus Mueller. Ist er aber nicht. Stattdessen macht er sich als Angestellter selbstständig und zieht in die Maxvorstadt nach München. Dort arbeitet er freiberuflich als IT-Berater.

Sein Interesse für Technik hat ihn auch der Piratenpartei nahegebracht: "Mich hat Open Source fasziniert, der patentfreie und kostenlose Vertrieb von Software. Ich habe schnell gemerkt, dass es bei diesem System nicht nur um Technik, sondern um menschliche Werte geht. Nämlich um Freiheit - wirtschaftliche und persönliche."

Für Hobbies bleibt wenig Zeit

Klaus Mueller sitzt auf der Terrasse des Café Tambosi am Odeonsplatz. Es ist ein sonniger Tag, neben ihm liegt sein Fahrradhelm. Ungezwungen spricht der 29-Jährige über seine Partei, lacht viel. Er legt es nicht darauf an, ein möglichst makelloses Kandidaten-Bild nach außen zu transportieren. "Ich habe mich für das Engagement bei den Piraten entschieden, weil ich vermutet habe, mit meinen Ideen dort den größten Erfolg zu haben", gibt er zu.

Den Einzug in den Bundestag hat der 29-Jährige als Ziel genauso fest im Auge wie andere Kandidaten. Für die Bundestagswahl 2009 hat er allerdings schlechte Chancen, seine Partei wird wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Aber Klaus Mueller denkt schon weiter: Er will sich in den kommenden Jahren dafür einsetzen, dass die Piratenpartei ihr Themenspektrum erweitert, um mehr Wähler anzuziehen. So soll der Sprung in den Bundestag im Jahr 2013 klappen.

Wegen seines politischen Engagements bleibt ihm nur wenig Freizeit. "Meine Hobbies wären Berge und Moutainbiken - wenn ich den Zeit dafür hätte." Das ist in absehbarer Zeit nicht der Fall.

1. Warum haben Sie sich für den Bundestag aufstellen lassen?

Wir wollen als Piraten, dass der Umgang mit Informationen in unserer Gesellschaft genauso viel Beachtung findet wie etablierte Themen. Die Diskussion über diese Themen muss sich dann aber auch in der Parlamentspolitik niederschlagen. Für mich ist die öffentliche Diskussion ein Grundpfeiler unserer Demokratie.

2. Wenn ich Bundeskanzler wäre, würde ich...

.. Sorge tragen, dass wir die Gefahren, aber vor allem die Chancen einer globalisierten Welt, die sich immer mehr auf den Austausch von Information stützt, richtig bewerten und politisch hier das richtige für die Menschen tun.

3. Wie lange engagieren Sie sich schon in der Politik?

Seit drei Jahren.

4. Welchen Beruf haben Sie derzeit?

Ich bin freiberuflich in der IT-Branche tätig.

5. Welche inhaltlichen Schwerpunkte setzen Sie im Wahlkampf?

Es geht vor allem um das Themenfeld Informationsgesellschaft. Das umfasst auch Forderungen nach informationeller Selbstbestimmung und nach freiem Zugang zu Informationen in Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem in der Gesellschaft.

6. Von welcher Wählerschicht erhoffen Sie sich die meisten Stimmen?

Von Menschen die sich von der jetzigen Politik in puncto Informationsgesellschaft nicht mehr vertreten fühlen. Das sind natürlich unsere klassischen Zielgruppen wie junge Menschen, die viel kommunizieren, aber zum Beispiel auch Landwirte, die dagegen kämpfen, dass Genpatente ihre Lebensgrundlage bedrohen.

7. Mein bisher größter Erfolg war...

... es, an einem Paradigmenwechsel über die "Piratenthemen" teilzuhaben. Am Anfang wurden wir und alle anderen Gruppen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, nicht mal ausgelacht. Heute müssen sich alle Parteien mit dem Thema beschäftigen.

8. Meine bisher größte Niederlage war...

Meine bisher größte politische Niederlage ist es immer noch, dass es uns nicht gelingt, alle Aspekte unseres politischen Ideals der kompletten Bevölkerung ausreichend darzulegen. Wir müssen als Piraten in Zukunft die vielen Fragen, Ideen und Kontroversen, die wir aufwerfen nun auch konkret und allumfassend beantworten und das in mehr als 140 Zeichen.

9. Sind Sie in Online-Communities (Facebook, Twitter etc) präsent?

Ja klar, soziale Netzwerke sind für mich genauso selbstverständlich wie ein Kneipenbesuch. Aber nur dann, wenn ich selbst lernen und entscheiden kann, was dort mit so wichtigen Informationen, die meine Freunde, Vorlieben und Interessen betreffen, passiert.

10. Ich mag an München... ... den Blick an Föhntagen über das Dächermeer aus Mietshäusern und klassischen Prunkbauten bis hin zu den Alpen und natürlich die Biergärten.

11. In welchem Stadtteil wohnen Sie in München?

Ich wohne in der Maxvorstadt.

12. Das Oktoberfest finde ich...

... ist ein schönes Beispiel für bayerische Kultur, Lebensfreude und Toleranz. Denn nie sind mehr Menschen in München zu Gast und feiern einfach mit.

13. In den kommenden vier Jahren möchte ich für München erreichen...

Das gleiche was ich für Bayern, Deutschland, Europa und die ganze Welt tun will: Ich will, dass die Polizei keine Schulhöfe überwachen wird, weil jemand sein Lieblingslied an seinen Schwarm verschenkt. Ich will, dass ich von der Münchner Freiheit zum Flaucher laufen kann, ohne dass von mir ein lückenloser Film auf tausenden Überwachungskameras existiert. Ich will, dass das europäische Patentamt nicht noch mehr Bürohochhäuser bauen muss, um noch mehr Patente auf Software, Schweine oder Geschäftsideen zu verwalten und zu verfolgen. Ich will eine transparente Regierung und endlich wissen, warum und wie viel der bayerische Steuerzahler für die BayerLB gezahlt hat. Ich will, dass die Ergebnisse der zahlreichen exzellenten Münchner Forscher nicht zu Investmentobjekten verkommen und in der Schublade vermodern. Ich will, dass man in München frei studieren kann, ohne Studiengebühren.

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