Kritik:Zerrissenes Ringen

Karl Amadeus Hartmanns "Lamento" ist ein Fanal gegen den Krieg und eine große Bitte um Friede - Juliane Banse singt es wundervoll.

Von Egbert Tholl, München

Erst probiert das Klavier noch eine kleine Fanfare, dann tropfen die Töne hinab bis zu einem festen Grund. Die Stimme setzt ein. Aus dem Nichts. Hochexpressiv. Ein Schrei angesichts von Tod und Zerstörung. Die Worte liefert Andreas Gryphius, der die kaum endenden Gräuel des Dreißigjährigen Krieg in diesen Gedichten einfängt. Die Musik ist rau und zerrissen, Henri Bonamy, der auch solo kurze, geistreiche Stücke von Schulhof und Poulenc und Viktor Ullmanns anrührend schönes Andante für dessen Frau spielt, spielt sie rau und zerrissen. Aus enormer Emphase gerinnt die Stimme zur Deklamation, aber immer noch voller Klang.

Juliane Banse singt das "Lamento" von Karl Amadeus Hartmann, das er hier an diesem Flügel komponiert hat. Franz-Joseph-Straße 20, Sitz der Gesellschaft, die Hartmanns Namen trägt und sich seinem Leben und Werk widmet, im Keller ein kleines Museum unterhält. Derzeit ist eine Ausstellung mit dem Briefwechsel zwischen Hartmann und seiner Frau Elisabeth zu sehen, große Liebe, er im noch freien Europa unterwegs, bemüht um Aufführungen seiner Werke, die die Nazis hassten. Komm doch, dann kriege ich ein Doppelzimmer.

Das "Lamento" schrieb Hartmann 1955, ein Jahr vor der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, es beruht auf der Kantate "Friede Anno 48", in der er 1936/37 absah, was mit Deutschland und der Welt noch passieren würde. Gryphius folgend, hilft aus den Gräuel heraus nur noch der Glaube. Der zweite der drei Teile, "An meine Mutter", ist wie eine Grabinschrift, eine tief empfundene. Die Tote, sie ist nun von "süßer Freud umfangen. Wir schauen Glut und Mord und Pest und Sturm und Schwert." Hochexpressiv macht Banse weiter, als werde sie gebeutelt von Text und Musik. Ein gewaltiges Erlebnis. Bis sie zur Ruhe findet. Das "Lamento" endet mit einer innigen Bitte um Friede, der aber auch ein Hauch bitterer Weisheit innewohnt. Mit dem Frieden kehrt das Leben wieder. Hoffentlich. Das macht Juliane Banse wundervoll.

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