Das Oberlandesgericht (OLG) München hat im Verfahren um einen Jugendfußballtrainer hervorgehoben, dass die Gremien von Sportverbänden selbst drastische Maßnahmen ergreifen dürfen, um drohenden sexuellen Missbrauch von Kindern entschieden entgegenzuwirken. Im vorliegenden Fall hat der Bayerische Fußballverband (BFV) den Jugendfußballtrainer lebenslang ausgeschlossen, weil dieser 2014 zu einem damals zehn Jahre alten Bub ein zu großes Näheverhältnis aufgebaut haben soll. Der im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen lebende Trainer war damals von einem Verein im Landkreis Landsberg am Lech für das Fußballcamp engagiert worden.
In dem Camp, so hieß es zunächst, soll er den zehnjährigen Bub unsittlich berührt haben. Der Trainer weist diesen Vorwurf nach wie vor entschieden zurück. Tatsache ist: Wegen des mutmaßlichen Vorfalls wurden keine staatsanwaltlichen Ermittlungen eingeleitet. Deshalb kam es auch nie zu einem Gerichtsverfahren. Vielmehr hatte ein anderer Bub von dem angeblichen Übergriff seinen Eltern erzählt, worauf diese sich an den Bayerischen Fußballverband wandten.
Verband und Präsidium hatten daraufhin zunächst das Münchner Kinderschutzzentrum zu Rate gezogen. Dieses empfahl, den Trainer nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu lassen. Doch der BFV ging noch einen Schritt weiter: Er schloss den Trainer lebenslang aus dem Verband aus. Mit dieser Maßnahme sei seine Existenz zerstört worden, sagte der Jugendtrainer am Donnerstag vor dem 29. Senat am OLG München.

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Gegen die Entscheidung des BFV hatte der Jugendtrainer zunächst vor dem Landgericht München geklagt - mit Erfolg. Denn das Erstgericht stellte fest, dass die Entscheidung, mit welcher der Kläger vom BFV ausgeschlossen wurde, unwirksam sei. Zwar sei die vom Verband getroffene Maßnahme formell rechtmäßig. Allerdings sei der Ausschluss sachlich nicht berechtigt gewesen. Denn das BFV-Präsidium und das Verbandssportgericht hätten den Ausschluss "aufgrund einer unzureichenden Tatsachenfeststellung beschlossen".
Die Richter des OLG indes stellten in der mündlichen Verhandlung an diesem Donnerstag unter anderem fest, dass die Entscheidung für den lebenslangen Ausschluss des Jugendtrainers durch den BFV und dessen Präsidium "stand halten". In einer Stellungnahme hatte der Jugendtrainer gegenüber dem BFV eingeräumt, dass er mit dem Bub allein einen Film angeschaut und ihn wegen seines Heimwehs getröstet habe. Allein diese Stellungnahme habe die Entscheidung, die der BFV "zur präventiven Abwehr" ergriffen habe, gerechtfertigt, sagte Richter Andreas Müller. Kindeswohl sei ein gesellschaftliches Gut von höchstem Wert, betonte der Vorsitzende. Sportverbände hätten die Aufgabe Kinder zu schützen und überdies rassistischen und menschenverachtenden Verhaltensweisen entgegenzutreten.
Dass der BFV in der Art und Weise, wie sich der Kläger gegenüber dem Zehnjährigen verhalten habe, ein "klassisches Beispiel für eine Anbahnung" sehe, sei nicht zu beanstanden, sagte Richter Müller. Im Gegenteil: Die Reaktion des BFV lasse "Problembewusstsein" erkennen. Im Rahmen seines Ermessensspielraums habe der Verband davon ausgehen können, dass Gefahr bestehe. Auch wenn der lebenslange Ausschluss einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Klägers darstelle, sei diese Maßnahme "gerechtfertigt und verhältnismäßig". Der Jugendtrainer erwiderte, er wisse, wie wichtig es sei, ein Kind, das weint, in den Arm zu nehmen. Er sei stets gerne Trainer gewesen und habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Ein Urteil in der Sache wird das OLG Ende Juni verkünden.