Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Sauberes Pflaster

Vom Pferdewagen zum Elektro-Streetscooter: Vor 100 Jahren übernahm die Stadt die Aufgabe der Straßenreinigung

Von Philipp von Nathusius

Wie viel Strahlkraft so ein Straßenreiniger in seiner Kluft hat, wird erst so richtig deutlich, wenn er zwischen Menschen in Anzügen oder Freizeitkleidung auf einer Bierbank Platz genommen hat. Und wenn die Sonne durch die Oberlichter in der großen Halle auf die Arbeitshose in Signal-Orange fällt. Und wenn dann der Oberbürgermeister noch erzählt, dass Gäste aus dem In- und Ausland ihm immer als erstes mitteilen würden, dass München ja "ganz a saubere Stadt" sei, viel sauberer als eigentliche alle anderen, dann strahlt auch so mancher von denen, die schon seit Jahrzehnten in München für Sauberkeit auf Straßen und Plätzen sorgen.

Es sind vor allem Mitarbeiter der Straßenreinigung und deren Familien, die am Donnerstag auf den Gesamtbetriebshof in Obersendling gekommen sind, um das 100-jährige Bestehen der Münchner Straßenreinigung zu feiern. Hüpfburg, Fuhrparkschau, historische Fotos, Buffet, Besenhockey, Liveband - was man eben so aufbietet am runden Geburtstag. Einer, der ihn gerne mitfeiert, ist Mustafa Aydemir, große dunkle Augen, graue Haare, ein freundliches Gesicht. Seit 1988 arbeitet er für die Stadt. Seit 1974 lebt er hier, seine Eltern kamen als Gastarbeiter. So wie zwei Drittel der 450 Mitarbeiter der Straßenreinigung hat er türkische Wurzeln. Seit den Sechzigerjahren ist das schon so.

Der 58-jährige Aydemir sagt, dass es ihn stolz mache, für die Stadt zu arbeiten. Und wenn er Stadt sagt, dann meint er damit nicht nur seinen Arbeitgeber, er meint auch das Viertel, um dass er sich als Vorarbeiter kümmert, rund um den Romanplatz. Er liebe das Draußensein, die frische Luft beim Arbeiten. "München war immer sauber", sagt er. Geändert habe sich aber in seinen fast 30 Berufsjahren, dass immer weniger Arbeit von Hand zu erledigen sei und inzwischen technisches Hilfsgerät sein Tagwerk deutlich erleichtere.

Dass die Straßenreinigung der Stadt in kommunaler Hand liegen sollte, beschloss der Stadtrat im Jahr 1919. Damals waren die Straßen staubig, die Hinterlassenschaften der Pferdekutschwerke und sonstiger Unrat sammelten sich auf dem Pflaster, wo es dieses gab. Das enorme Wachstum der Stadt im Zuge der Industrialisierung, dann der Erste Weltkrieg: Die bis dahin mit dem Reinemachen beauftragten Privatfirmen waren schlicht nicht mehr im Stande, dem Unrat Herr zu werden.

Eine der ersten technischen Neuerungen, ein Meilenstein sozusagen in der Modernisierung des städtischen Betriebs, war die Anschaffung einer Dreirad-Kehrmaschine, Dieselantrieb, vollgummibereift und wintertauglich. Fortan wurden die von Hand oder von Pferden bewegten Maschinen weniger, die motorisierten mehr. Zum 100-jährigen Bestehen steht nun abermals ein technischer Umbruch an. Hin zu Maschinen und Fahrzeugen mit Elektroantrieb. Einige sind schon im Einsatz. Einen von dreizehn brandneuen "Streetscootern" kann man im Obersendlinger Betriebshof begutachten. Dem Hersteller hat die Straßenreinigung Druck gemacht, damit das Gerät rechtzeitig zum Fest geliefert wird. Die Kleinlastwagen sollen von Oktober an zum Einsatz kommen, um im sogenannten Vollanschlussgebiet innerhalb des Mittleren Rings die Mülleimer zu leeren.

Und noch etwas hat sich inzwischen geändert. Seit Kurzem, das stellt Baureferentin Rosemarie Hingerl in ihrem Grußwort heraus, sind bei der Straßenreinigung auch Frauen im Einsatz. Bisher sind es drei.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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